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Mit dem finnischen Unternehmen Wolt drängt in Deutschland ein weiterer Marktteilnehmer in das Geschäft mit der Arzneimittel-Belieferung. Bislang arbeitet der Anfang Juni vom US-Konzern Doordash übernommene und auf Lebensmittel spezialisierte Dienstleister mit wenigen Apotheken in München, Hamburg und Frankfurt am Main zusammen, will den Bereich aber ausweiten.
Goi Cuon mit Garnelen für 6,50 Euro, die Rainbow Bowl für 10,95 Euro und den Butcher´s Burger für 9,50 Euro – auf der Webseite des Lieferdienstes Wolt stehen bislang vor allem Speisen, die sich die Kunden gegen eine zusätzliche Liefergebühr innerhalb von 35 Minuten nach Hause liefern lassen können. Doch das ändert sich gerade. Mittlerweile arbeitet das Unternehmen mit Hauptsitz im finnischen Helsinki hierzulande zunehmend auch mit Apotheken zusammen und bietet deren verschreibungsfreie Produkte zur Lieferung an die Haustür an.
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Auf Anfrage der DAZ teilt Wolt mit: „Im Pharmabereich haben wir derzeit die Apominga in München mit drei Filialen, die Centro-Jacobi-Apotheke in Hamburg und die Rosen Apotheke in Frankfurt am Main auf der Plattform. Im Kosmetikbereich bieten wir derzeit Produkte von Anbietern wie Nivea, Lush, L´Occitane und Sober Cosmetics an.“
Weiterer Ausbau des Apothekengeschäftes
Dabei steht Wolt mit seinem Angebot im Pharmabereich in Deutschland nach eigenen Angaben noch am Anfang. Bei der Auswahl der Partnerschaften gehe man „stark kuratiert“ vor; man lege Wert auf qualitativ hochwertige Partner und nehme dafür in Kauf, gegebenenfalls langsamer als Wettbewerber zu expandieren. In jedem Fall, so ein Sprecher, werde das Apothekengeschäft aber weiter ausgebaut.
Die Kunden würden sehen, wo sie bestellen und bekämen „nicht automatisch die nächste Apotheke zugewiesen“. Aus der Sicht von Wolt unterstütze man damit lokale Händler, sich mit ihrer eigenen Marke zu platzieren, was „auch eine gute Werbung für das klassische offline Geschäft“ sei.
Gleichzeitig helfe dies dem Apotheker, zusätzliches Volumen auf der bestehenden Kostenbasis zu generieren und seine Kapazitäten besser zu nutzen. Die Partner würden dabei von Wolt mit Software für das „Picking“ der Waren unterstützt. Wolt argumentiert, dass ein effizientes Picking, eine minimierte Fehlerquote, die Möglichkeit Out-of-Stocks schnell zu markieren sowie eine Automatisierung der möglichen Rückerstattung „am Ende auch bei der Kundenbindung“ helfe.
Darüber hinaus holen Kuriere die bestellten Waren bei den lokalen Händlern beziehungsweise Apotheken ab und liefern diese innerhalb von 35 Minuten an die Kunden. Die wiederum bezahlen eine Liefergebühr zwischen 1,90 Euro und 3,90 Euro, abhängig von der Distanz. Der Mindestbestellwert beträgt den Angaben zufolge zehn Euro. Zusätzlich erhebt Wolt eine nicht näher bezeichnete Provision.
Bienen-Apotheken im Wolt-Netzwerk
Einer, der die Dienste von Wolt bereits seit Anfang dieses Jahres in Anspruch nimmt, ist der Münchener Apotheker Michael Grintz, Inhaber von mehreren Bienen-Apotheken in der bayerischen Landeshauptstadt (Slogan: „Wir schwärmen für Ihre Gesundheit“). Grintz, der auch mit dem Lieferdienst First A zusammenarbeitet und den Logistik-Giganten Amazon nutzt, sieht Wolt als einen weiteren Dienstleister und Marktplatz-Anbieter. Auf Anfrage gibt er zu verstehen, dass die Nutzung dieser Dienste für ihn wirtschaftlich Sinn mache. Über Wolt biete er rezeptfreie Produkte an, die in seinen Apotheken vorrätig seien. Üblicherweise seien dies Arzneimittel für den Akutbedarf, beispielsweise Mittel gegen Erkältung oder Husten.
Strategisches Ziel
Das Ziel von Wolt ist es nach Angaben eines Pressesprechers, zur „App für Alles“ zu werden. So sei es in Helsinki bereits möglich, von Schuhen über Lebensmittel „alles zu bestellen“ und sich diese Waren innerhalb von 35 Minuten per Kurier liefern zu lassen. In Deutschland würden derzeit neben der klassischen Essenslieferung immer mehr Produktkategorien auf der Plattform integriert: seien es Blumen, Tierbedarf & Tierfutter, Kosmetik, Sextoys, Backwaren, Lebensmittel oder eben Apothekenprodukte. Das klare Ziel: „Wir wollen dem Einzelhandel das Rüstzeug an die Hand geben, um gegen Amazon und Co. zu bestehen.“
Wolt war 2014 von dem Finnen Miki Kuusi gegründet worden und hat schnell in 23 Ländern Marktanteile gewonnen. Seit 2020 hat Wolt von Berlin aus das Deutschlandgeschäft ausgebaut und ist hier mittlerweile in 13 Städten aktiv.
Wolt beschäftigt deutschlandweit derzeit festangestellt 3500 Kuriere, die Bezahlung liege mit durchschnittlich 15 bis 18 Euro „erkennbar“ über Mindestlohn. Darüber hinaus bezahle die Firma den Kurieren eine zusätzliche Vergütung für jede ausgeführte Bestellung.
Anfang Juni 2022 wurde Wolt von dem US-Lieferdienst-Unternehmen Doordash übernommen und verlor damit seine Eigenständigkeit. Doordash, mit 4,9 Milliarden Dollar Jahresumsatz in Nordamerika einer der großen Anbieter, hatte im Herbst 2021 sein Europageschäft in Stuttgart gestartet. Durch die Übernahme ist Doordash heute in 27 Ländern tätig, davon in 23 mit der Marke Wolt.
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