Einsparpotenzial für Kassen

Barmer trommelt für Biosimilar-Austauschpflicht in den Apotheken

Berlin - 13.05.2022, 15:15 Uhr

Barmer-Chef Christoph Straub erhofft sich durch den automatischen Austausch von Biosimilars in den Apotheken Einsparungen in Milliardenhöhe. (s / Foto: IMAGO / Metodi Popow)

Barmer-Chef Christoph Straub erhofft sich durch den automatischen Austausch von Biosimilars in den Apotheken Einsparungen in Milliardenhöhe. (s / Foto: IMAGO / Metodi Popow)


Ab August sollen Apotheken Biosimilars gegeneinander austauschen, um die GKV-Ausgaben zu senken. Weder Apotheker:innen noch Hersteller können dem etwas abgewinnen – die Kassen allerdings wittern massives Einsparpotenzial – laut einer Barmer-Analyse sogar bis zu 25 Prozent im Biosimilar-Segment.

Dass im August der automatische Austausch von Biosimilars kommen soll, schmeckt weder der Ärzteschaft noch Herstellern und Apotheker:innen. Doch der Gesetzgeber will es so – die Details soll vorab noch der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) regeln. Derzeit läuft das Stellungnahmeverfahren zu einer entsprechenden Änderung der Arzneimittel-Richtlinie und die Verbände haben die Chance, noch einmal ihre Sichtweise darzulegen.

Offenbar zeichnet sich ab, was zu erwarten war: Pharmaunternehmen, Apotheker:innen und die Ärzteschaft kritisieren das Vorhaben deutlich, wie einer Pressemitteilung der Barmer zu entnehmen ist. Die Kasse sieht dafür keinen Anlass. „Biosimilars sind für die Patientinnen und Patienten genauso sicher und wirksam wie das Originalarzneimittel“, betont Barmer-Chef Christoph Straub. „Daher ist es richtig, die Apotheken in eine wirtschaftliche Versorgung einzubeziehen.“ Sollte es medizinisch notwendig sein, könnten die Ärztinnen und Ärzte den Austausch unterbinden, indem sie auf dem Rezept das sogenannte „aut-idem-Feld“ ankreuzten.

Barmer sieht Einsparpotenzial von 1,2 Milliarden Euro

Aus Sicht der Kostenträger hat der Austausch einen Vorteil, der auf der Hand liegt: Sie könnten Geld sparen. Und zwar viel Geld, wie die Barmer unterstreicht: Daten der Kasse zeigten, dass die Gesetzliche Krankenversicherung „durch einen verstärkten Wettbewerb bei biosimilarfähigen Wirkstoffen jährlich bis zu 1,2 Milliarden Euro einsparen könnte, bei gleichbleibender hoher Versorgungsqualität. Diese Mittel könnten für die Versicherten anderweitig eingesetzt werden.“

Wie eine Analyse des Barmer Instituts für Gesundheitssystemforschung (bifg) zeige, beliefen sich die Kosten für die 15 biosimilarfähigen Wirkstoffe im Markt im vergangenen Jahr allein bei der Barmer auf 536 Millionen Euro. GKV-weit seien es rund 3,8 Milliarden Euro gewesen. Ohne Insuline lag der Biosimilar-Anteil demnach in den Bundesländern zwischen 73 Prozent in Hessen und 84 Prozent in Niedersachsen und Rheinland-Pfalz. Bei biosimilarfähigen Krebsmedikamenten erstreckte sich die Spanne gemäß der Auswertung von 73 Prozent in Hamburg bis hin zu 92 Prozent in Bayern und 97 Prozent in Bremen.

Straub: Unterschiede bei den Quoten medizinisch nicht erklärbar

„Die unterschiedlich hohen Biosimilar-Quoten zeigen, dass der geplante Austausch von Originalpräparaten und Biosimilars in Apotheken regionales Potenzial hat“, meint Straub. „Rein medizinisch sind so große Spannbreiten bei den Biosimilar-Quoten nicht erklärbar.“ Die geplanten Austauschregeln könnten dazu beitragen, die bestehenden regionalen Unterschiede erheblich zu verringern, hofft er.

Austausch von Biosimilars: Die Rechtsgrundlage 

Im Juni 2019 beschloss der Deutsche Bundestag das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV). Mit diesem Änderungsgesetz verankerte er auch die automatische Substitution von biotechnologisch hergestellten Arzneimitteln in der Apotheke in § 129 Absatz 1 SGB V, ähnlich der Vorschriften für Generika. Voraussetzung ist, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) vorab eine Austauschbarkeit in Bezug auf ein biologisches Referenzarzneimittel festgestellt hat. Für Ärztinnen und Ärzte hat das Gremium bereits im August 2020 Hinweise für eine wirtschaftliche Verordnungsweise veröffentlicht. Die konkreten Regelungen für den Austausch in den Apotheken muss der G-BA noch vorlegen, nach dem GSAV bis spätestens 16. August 2022. (ks)

Der bifg-Analyse zufolge liegen die Preise der Biosimilars je Wirkstoff derzeit sehr dicht zusammen. Ein Wettbewerb auf Basis der Austauschpflicht könnte aber die Preise für Biosimilars um 15 bis 25 Prozent senken, prognostiziert die Barmer. Das zeigten internationale Preisvergleiche. „Verbindliche Regeln zum Austausch der Biosimilars werden dazu beitragen, den Wettbewerb im Sinne der Versicherten zu intensivieren. Dies eröffnet auch Chancen für pharmazeutische Unternehmen, sich neu im Markt zu etablieren und fördert eine wirtschaftliche und sichere Versorgung“, sagt Straub.

Patientenvertreter: Rabattverträge sind „problematisches Instrument“

Fürsprecher der Patientinnen und Patienten stehen der geplanten Austauschpflicht übrigens wie auch Ärzteschaft, Hersteller und Apotheker:innen kritisch gegenüber. Der Bundesgeschäftsführer der BAG Selbsthilfe, Martin Danner, hatte sich Mitte Februar bei einer Veranstaltung der AG Pro Biosimilars dazu geäußert. Rabattverträge seien in diesem Fall ein „problematisches Instrument“, sagte er, das einen massiven Eingriff in das Arzt-Patienten-Verhältnis darstelle. Zudem gebe es gute Gründe gegen einen Austausch, zum Beispiel bei motorisch eingeschränkten oder sehbehinderten Menschen. „Es verunsichert auch, wenn ich ständig etwas Neues bekomme“, sagte der Patientenvertreter.



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Mehraufwand für lau?

von Thomas Eper am 14.05.2022 um 11:33 Uhr

Und wie hoch ist das für den Mehraufwand veranschlagte Honorar für Apotheken; bei der Einsparsumme sollten es nicht wieder für lau umgesetzt werden müssen!

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