Wie gewinnt man den Nachwuchs?

Lasst uns zusammen unsere Patienten begeistern

22.10.2021, 13:45 Uhr

Zukunftsängste plagen auch die Pharmaziestudierenden: „Mich motiviert es kaum, wenn ich höre, dass ich später mal Impfzertifikate ausstellen oder Schnelltests durchführen darf“, meint Bianca Partheymüller vom BPhD. (x / Foto: StratfordProductions / AdobeStock)

Zukunftsängste plagen auch die Pharmaziestudierenden: „Mich motiviert es kaum, wenn ich höre, dass ich später mal Impfzertifikate ausstellen oder Schnelltests durchführen darf“, meint Bianca Partheymüller vom BPhD. (x / Foto: StratfordProductions / AdobeStock)


Das Thema Nachwuchsgewinnung ist zurzeit in aller Munde. Junge Apotheker*innen zieht es zunehmend in die Krankenhausapotheke und die Industrie. Dadurch droht die öffentliche Apotheke auf der Strecke zu bleiben. Doch was kann man dagegen tun? Und wie fühlt sich eigentlich der jetzige Nachwuchs? Das beschreibt Bianca Partheymüller, Beauftragte für Lehre und Studium beim BPhD, in ihrem Kommentar.

Sowohl auf der Expopharm als auch am Runden Tisch zur Novellierung der Approbationsordnung wird darüber heiß diskutiert: Das Thema Nachwuchsgewinnung. Dabei beklagen die Professor*innen schon heute, die zurückgehende Anzahl an Bewerber*innen für das Pharmaziestudium. Laut einer Analyse der ABDA werden in zehn Jahren bis zu 10.000 Pharmazeut*innen über alle Tätigkeitsbereiche hinweg fehlen. Junge Apotheker*innen zieht es zunehmend in die Krankenhausapotheke und die Industrie. Dadurch droht die öffentliche Apotheke auf der Strecke zu bleiben. Was kann man dagegen tun? 

Aus meiner Sicht plagen uns oft Zukunftsängste. Schaffe ich es, mir das viele Wissen in möglichst kurzer Zeit anzueignen? Warum hat der Tag nur 24 Stunden? Und in Bezug auf die öffentliche Apotheke: Ist das noch ein sicherer Arbeitsplatz? Wie soll ich es schaffen, später mal eine Apotheke zu führen, wenn ich im Studium nichts darüber lerne? Warum gebe ich mir eigentlich den ganzen Stress, wenn ich danach nur Medikamente über den Tresen schieben darf? Solche oder so ähnliche Fragen hat sich sicherlich jede*r Pharmaziestudierende schon einmal gestellt. Doch was würden wir uns stattdessen wünschen? Was muss sich ändern?

Novellierung der jetzigen Approbationsordnung ist unabdingbar

Eine Novellierung der jetzigen Approbationsordnung ist unabdingbar und ein erster Schritt in die richtige Richtung. Die Stoffgebiete des Studiums müssen überarbeitet werden und die Lehrenden müssen den Fokus mehr auf das Verstehen, statt auf das Auswendiglernen legen. Wir müssen jetzt die Kompetenzen erwerben, mit denen wir den Apothekerberuf ins 21. Jahrhundert führen. Auch häufiger von Apotheker*innen unterrichtet zu werden, wäre unglaublich motivierend. Vor allem im Hauptstudium können diese das Wissen in den einzelnen Fächern gut vernetzen und zueinander in Kontext setzen. Dies ermöglicht uns schon im Studium einen Blick über den Tellerrand zu werfen.

Problemlöser statt Schubladenzieher

Aber was motiviert uns nicht einfach aufzugeben? Ich kann nur für mich sprechen, aber mich motiviert der Gedanke, dass ich später einmal Menschen helfen kann! Leider kursiert in der Gesellschaft oft noch das veraltete Bild der Apotheker*innen als „Schubladenzieher“ anstelle von „Problemlösern“. Die Berufspolitik betont immer wieder, dass Corona den Blick auf unseren Beruf verändert hat, aber inwiefern? Mich motiviert es kaum, wenn ich höre, dass ich später mal Impfzertifikate ausstellen oder Schnelltests durchführen darf. Anspruchsvollere Aufgaben wie eine Medikationsanalyse oder Impfen sind für mich allerdings ein größerer Ansporn. Hier kann ich den Patient*innen direkt helfen und meine Fähigkeiten gezielt einsetzen. Auf diese Themen sollte sich die Berufspolitik konzentrieren, wenn sie uns für sich gewinnen möchte.

Bianca Partheymüller ist Beauftragte für Lehre und Studium beim Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland. (Foto: BPhD/Jasmin Photodesign)

Das Bild in der Öffentlichkeit zu ändern ist unsere große Verantwortung, darf aber nicht allein auf uns als Nachwuchs abgeschoben werden. Klar, wir, aber auch besonders die Alteingesessenen, müssen unsere Patient*innen und Kolleg*innen von uns und unserer Arbeit begeistern. Nur so verstehen die Patient*innen was für einen Mehrwert wir ihnen bieten und nur so sind wir auch in Zukunft ein wichtiger Teil des Gesundheitssystems. Also lasst uns zusammen unsere Patient*innen begeistern und zeigen wir ihnen, wie viel wir als Apotheker*innen bewegen können!


Bianca Partheymüller, Bundesverband Pharmaziestudierender in Deutschland e. V. (BPhD)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Nachwuchs begeistern

von Ralph Quadflieg am 25.10.2021 um 10:30 Uhr

Liebe Frau Partheymüller,
ich stimme Ihnen in Ihrer Analyse zu, die Arbeit als Apotheker in der öffentlichen Apotheke wird von vielen sehr unterschätzt - nur kurz: in großer Anzahl digitale Impfzertifikate auszustellen oder Schnelltests durchzuführen ist nicht die Aufgabe des pharmazeutischen Personals. Dafür kann man sehr gut angelernte Aushilfen einstellen. Das hier und da auch einmal ein Zertifikat von einer/m Apotheker:in oder PTA erstellt wird oder auch der ein oder andere PCR- oder Schnelltest durchgeführt wird, sollte ja kein Problem für uns sein.
Sie greifen das auch schon während meines Studiums gerne genutzte Bild des Schubladenziehers auf oder dass "nur Arzneimittel über den Tresen geschoben werden" - ich denke wir sollten dieses Klichee hinter uns lassen und uns realistisch in der Gesellschaft vermarkten. Nämlich als starke Partner im Gesundheitswesen, die die Krankenkassen unterstützen, die Beiträge nicht weiter steigen zu lassen, in dem wir die Bevölkerung wirtschaftlich mit Arzneimitteln versorgen, mit Ärzten und anderen Heilberuflern zusammenarbeiten, um die bestmögliche medikamentöse Therapie für einen individuellen Fall zu finden und die pharmazeutische Versorgung pflegebedürftiger Menschen verbessern, indem wir z.B. Medikamente stellen, verblistern und auch Medikationspläne pflegen, verwalten und inhaltlich hinterfragen, gerade bei mehreren Verordnern.
Ich habe den Eindruck dass diese Rolle von allen Beteiligten bereits geschätzt und auch anerkannt wird. Aus dieser Position heraus sind wir gut aufgestellt unseren Beruf in all seinen fordernden Facetten bekannter zu machen und weiter zu eintwickeln. Dafür brauchen wir weiterhin junge, gut naturwissenschaftlich ausgebildete Pharmazeuten, die zwischen unterschiedlichen Fach- und Interessensgebieten vermitteln können. Das Studium war schon zu meiner Zeit anachronistisch auf die pharmazeutische Chemie fokussiert und ich hoffe wir kommen da endlich einen großen Schritt weiter.
Ich würde mir z.B. wünschen, dass das Pharmaziestudium das Wissen über Wirkstoffe, dass wir aus klinischen Studien haben besser vermittelt, so dass Arzneimittel und deren zu erwartende Wirkung auf der Grundlage statistischer Kennzahlen besser eingeschätzt werden können und wirtschaftlich besser bewertet werden können. Dazu gehört auch die kritische Auseinandersetzung mit alternativen Therapien, Nahrungsergänzungsmitteln, Medizinprodukten aber auch Phytopharmaka und anderen Arzneimitteln in der Selbstmedikation.
Nach 20 Jahren Pharmaindustrie in leitenden Positionen bin ich jetzt seit fast 3 Jahren in der öffentlichen Apotheke und ich sehe nicht, dass die Pharmazeuten in der Industrie interssantere Aufgaben oder generell bessere Jobs hätten. Durch den Filialleiter haben wir jetzt auch eine interssante Perspektive für eine leitenjde position in der Apotrheke geschaffen.
Das größte Problem scheint mir zu sein, dass wir leider in der öffentlichen Apotheke mit der Bezahlung in der Pharmaindustrie nicht mithalten können erscheint es manch einem angenehmere Arbeitszeiten in der Industrie zu geben. Wenn man wirklich spannende Aufgaben in der Industrie bearbeiten möchte, werden sich die Arbeitszeiten aus meiner Erfahrung auch in eine andere Richtung entwickeln.
Ich denke wir sollten uns darauf konzentrieren, dass Apotheken wirtschaftlich in die Lage gebracht werden nicht nur Apotheker sondern auch die anderen Berufsgruppen konkurrenzfähig bezahlen zu können. Das würde gar nicht teurer werden - mehr Mut zum Risiko, mehr Verantwortung, weniger Kontrolle, weniger teure Rahmenbedingungen wären doch vielleicht ein erster Schritt das Geld in der Apotheke umzuverteilen und auch zurückzuholen.
Viele Grüße
Ralph Quadflieg, Aachen

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