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ApoTalk Spezial
„CO₂-Abdruck im Gesundheitswesen größer als im Flugverkehr“
Klimaschutz und Gesundheit sollten eng zusammen gehören, darin waren sich aller Teilnehmer des ApoTalk Spezial zum Thema „Klimafreundliches Gesundheitswesen – geht das überhaupt? Kann Politik unterstützen?“, der am vergangenen Freitag stattfand, einig. Auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit vermissen Heilberufler aber offenbar passende Alternativen, scheuen Aufwand sowie Kosten.
In einem ApoTalk Spezial der deutschen Apotheker- und Ärztebank drehte sich am 15. Oktober alles um klimapolitische Maßnahmen. An der Online-Podiumsdiskussion beteiligten sich mit Paula Piechotta (Bündnis 90/Die Grünen) und Andrew Ullmann (FDP) zwei Bundestagsabgeordnete neben weiteren Akteuren aus dem Gesundheitswesen.
Nur eine Stunde nach Veröffentlichung des Sondierungspapiers der möglichen Ampel-Koalition machte Ärztin Piechotta Hoffnung, dass spannende Ansätze die Gesundheitsbranche in Richtung Klimaneutralität bewegen können: „Was wir jetzt im Sondierungspapier, aber auch in den Koalitionsverhandlungen versuchen werden, ist, einen guten Mix zu finden aus einerseits ordnungsrechtlichem und gesetzlichem Rahmen, aber andererseits auch CO2-Bepreisung und Anreizen, damit wir tatsächlich noch kurz vor knapp Klimaneutralität in allen Sektoren schaffen.“ Konkreteres sei Gegenstand aktueller Verhandlungen.
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„Es ist erstaunlich, wie unser CO2-Abdruck im Gesundheitswesen aussieht – der ist nämlich größer als im Flugverkehr“, sagte Ullmann. „Klimaschutzmaßnahmen bedeuten auch Gesundheitsschutz und Prävention.“ Er versicherte, dass rasch Lösungen gefunden werden müssten und die Politik nichts verzögern wolle. Darin, dass Umwelt und Gesundheit im Sinne „Planetary Health“ Hand in Hand gehen, waren sich alle Diskussionsteilnehmer einig.
Energie spielt eine wesentliche Rolle
Neben Entsorgung wie Müllmanagement spielen dabei auch Digitalisierung und Energie eine wesentliche Rolle. Letzteres nimmt nicht zuletzt durch die steigenden Energiepreise einen hohen Kostenposten ein. „Das Kostenargument ist einerseits ein Argument als Treiber, kurzfristig wird es aber eher als Hürde gesehen“, resümierte Daniel Zehnich von der Apobank.
Aufhänger der Veranstaltung war neben der Bundestagswahl eine jüngst durchgeführte Studie der Apobank, die 500 selbstständige Ärzte und Apotheker zu Nachhaltigkeit befragte. Sie zeigte, dass die intrinsische Motivation bei den Heilberuflern stark ausgeprägt ist und sie aus Überzeugung sowie sozialer Verantwortung ihre Praxis beziehungsweise Apotheke nachhaltiger ausrichten möchten. Hierfür wünschen sie sich jedoch dringend Unterstützung von Politik, Standesorganen, Krankenkassen wie auch Unternehmen. „Die Hürden waren vor allem fehlende Alternativen, Aufwand und Kosten“, erklärte der Moderator der Veranstaltung, Ökonom Andreas Beivers.
„Kein Klimaschutz ist langfristig noch teurer“
Jörg Schmid, Arzt und Co-Founder der „Health For Future“-Gruppe Tübingen, konstatierte, dass kein Klimaschutz langfristig noch teurer sei. „Umweltschutz ist teuer“, hielt Ullmann dagegen. Zu sagen, dass Geld nicht das Problem sei, würde leider so nicht stimmen. Der Weg zu Nachhaltigkeit sei seiner Meinung nach schwierig, aber zu schaffen. Dafür müsse man das „big picture“ sehen und es sei nicht genug, wenn einzelne Praxen etwas ändern.
„Es sind ganz viele Schritte, die am Ende kombiniert den großen Effekt machen“, fand dagegen Sven Jansen von Noventi Health SE. Das Unternehmen habe zunächst klein begonnen und beispielsweise Drucker und Toner gewechselt, auf Ökostrom umgestellt, schließlich auf Elektrik- und Hybridautos gesetzt und besitzt nun eigene Bienenstöcke und investiert in die Aufforstung. Es ist seit 2018 klimaneutral und unterstützt durch eine Initiative auch Apotheken darin, klimaneutral zu werden. Dabei gehe es beispielsweise um Dämmung genauso wie um die Organisation bestimmter Prozesse. Großes Verbesserungspotenzial sieht er etwa im Bereich der Arzneimittellogistik.
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Gemeinsam mit weiteren Firmen hat Noventi außerdem einen Digital Health Fonds aufgelegt, um Start-Ups in der frühen Entwicklungsphase zu fördern. Denn immer mehr Gründer entwickeln zum Thema Nachhaltigkeit und Klimaschutz vielversprechende Geschäftsideen. Dafür müsse Politik den Rahmen schaffen und als Lotse agieren. Alleine könne die Politik den Klimawandel jedoch nicht stemmen.
„Digitalisierung kann Lösungen bieten, ist aber kein Allheilmittel“
Als technischer Leiter einer klimaneutralen Klinik in Lichtenfels weiß Markus Semmelroch, dass für Nachhaltigkeit keine Zertifizierung an der Wand hängen, sondern sie in der Praxis gelebt werden muss. Wichtig seien die Lebenszykluskosten, wobei Hygiene die Möglichkeiten stark begrenze. Er machte die Erfahrung, dass zwar LED-Lichter Strom sparen. Die Digitalisierung führe allerdings dazu, dass vermehrt Geräte eingesetzt werden, die wiederum mehr Strom verbrauchen. Digitalisierung könne also Lösungen bieten, sei aber kein Allheilmittel, erinnerte Ullmann. Denn alles agiert miteinander. „Wir brauchen keinen digital boost, sondern einen sustainable boost in unserem Gesundheitssystem“, so Beivers.
Knapp 300 interessierte folgten der Veranstaltung. Sie war die dritte und letzte Folge der ApoTalk Spezial-Reihe rund um die Bundestagswahl.
1 Kommentar
Medial schaut so was nett aus
von ratatosk am 19.10.2021 um 9:18 Uhr
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