AOK-Antibiotika-Ausschreibung

Bauernfeind: Hersteller bremsen Ausschreibung aus

Berlin - 25.11.2020, 07:00 Uhr

Erneut ist eine AOK-Ausschreibung für Arzneimittel vor der Vergabekammer gelandet. (x / Foto: CHROMORANGE / imago)

Erneut ist eine AOK-Ausschreibung für Arzneimittel vor der Vergabekammer gelandet. (x / Foto: CHROMORANGE / imago)


Geht es um den Status Quo oder nur ums Abstecken von Neuland?

Für AOK-Chef Bauernfeind ist diese Situation befremdlich: „Wir als Krankenkasse müssen uns jetzt gerichtlich gegen die Pharmaindustrie für deren Forderungen verkämpfen. Wir setzen uns also für die Durchsetzung von Kriterien ein, die die Industrie uns jahrelang abverlangt hat. Nur mit dem Unterschied, dass die Industrie jetzt von uns fordert, diese Kriterien wieder zurückzunehmen.“

AOK: Hersteller wollen Status quo erhalten

Die AOK wertet dies als klares Zeichen dafür, dass es den Herstellern lediglich um die Beibehaltung des Status quo gehe. „Die Hersteller ziehen es schon seit den 1970er- und 1980er-Jahren vor, in Fernost zu produzieren, und sie tun es wegen für sie weniger strenger Umweltschutzauflagen, möglicher Kosteneinsparungen und weniger restriktiver Auflagen des Arbeitsschutzes bis heute.“

Falls sich robuste Lieferketten und umweltfreundliche Produktionsbedingungen vertragsrechtlich nicht durchsetzen ließen, so Baden-Württembergs AOK-Chef weiter, sei die Politik gefordert, Maßnahmen für mehr Verlässlichkeit in der Arzneimittelproduktion in die Wege zu leiten. Bauernfeind: „Wir haben ein durchdachtes Konzept vorgelegt, an dem sich andere Kassen, die Vertreter der Politik sowie verantwortungsbewusste pharmazeutische Unternehmen orientieren können. Ich bin mir sicher, dass es sich mittelfristig behaupten wird.“

Pro Generika: AOK auf gutem Weg

Beim Branchenverband Pro Generika will man die juristischen Angriffe nicht überbewerten: Mit dieser Ausschreibung habe die AOK Neuland betreten, sagt Geschäftsführer Bork Bretthauer auf Nachfrage von DAZ.online. „Es war also damit zu rechnen, dass einzelne pharmazeutische Unternehmen dagegen vorgehen könnten. Dieses Recht kann ihnen niemand absprechen und es ist bei anderen Ausschreibungen bzw. in anderen Branchen auch so.“

Grundsätzlich würdigt der Verband aber den neuen Ansatz der Ortskrankenkassen: „Es ist richtig und gut, dass die AOK erstmals von ihrer Praxis abweicht, bei Ausschreibungen nur den günstigsten Preis als einziges Zuschlagskriterium anzusetzen. Denn dies hat ja mit zu den Engpässen bei Generika beigetragen, die heute ein stetiges Ärgernis für Patienten, Ärzte, Apotheker und Unternehmen sind.“ Richtig sei vor allem, dass künftig zusätzliche Kriterien zum Beispiel für mehr Versorgungssicherheit und mehr Umweltschutz in Ausschreibungen aufgenommen und mit Boni honoriert werden. „Zudem sollten regelhaft mehrere Unternehmen einen Zuschlag erhalten – nicht nur in einem Pilotverfahren.“

Auch Bretthauer kommt letztlich zu dem Schluss: „Sollten solche Ausschreibungen dann keinen Bestand vor Gerichten haben, liegt der Ball im Feld der Politik und muss das Vergaberecht angepasst werden.“



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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2 Kommentare

@ Ratatosk

von Heiko Barz am 25.11.2020 um 11:47 Uhr

Ratatosk hat ja so Recht! Die Doppelzüngigkeit der Kassenfunktionäre ist erschreckend übersichtlich. Wo ist die Bereitschaft der Politik - in diesem Fall z.B Ulla Schmidt die heute noch unbehelligt im Bundestag ihren Stuhl plattsitzt - damalige als besonders zukunftsweisende, sich aber heute als fast nicht mehr korrigierbare Fehler herausstellende, Manipulationen am Arzneimittel, verantworten zu müssen, hauptsächlich zum Nachteil der Gesundheit all derer, die sich der GESUNDHEITSKASSE anvertraut haben.
Wenn die Funktionäre der Gesundheitskasse das Werbe Budget, das für die auf den Fußböden der Handballhallen Deutschlands in kräftigem Grün und vor allem auf den Trikots der Handballnationalmannschften M/W deutlich ausgegeben wird, in Deutsche Arzneimittelproduktionen bei Rabattverträgen mit einfließen würde, dann gäbe es vielleicht in Zukunft keine durch Verunreinigungen „östlicher Matschküchen“ verursachte Nebenwirkungen der nach dorthin verlagerten Produktion.

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Neue Verträge

von ratatosk am 25.11.2020 um 9:08 Uhr

Der Weg wäre schon richtig, aber es kommt auf die Einzelheiten an. Wie sind so schwammige Dinge wie Umwelt und soziale Belange im Ausland rechtssicher definierbar und überprüfbar? Es ist im übrigen ja eine Bringschuld der AOK, hier Verbesserungen zu liefern, die in Zusammenarbeit mit der Politik diese desaströse Lage herbeigeführt hat.
Damit es nicht nur eine Nebelkerze bleibt, sollte man mit klaren Punkten der Lieferfähigkeit starten, dann muß die Politik einfach mal arbeiten, so schwer es hier Spahn und seinem Ministerium fallen mag, und die Problematik mit Gesetzen im Ausland angehen. Wiese maßen wir uns an zu sagen, wie lange in anderen Ländern gearbeitet werden darf ?
Zusätzlich könnte auch das BFARM mal ein paar Prüfungen von Wirkstoffen und Überprüfungen von Produktionsstätten vornehmen ! Hier sollte aber mal qualifiziertes Personal eingesetzt werden, da die Deutschen fast nie was finden, französische, englichsche Kontrollen finden sehr oft etwas !, einfach mal die vergangenen Meldungen durchsehen.

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