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Verwaltungsgericht Osnabrück
Vorratspflicht trifft auch Versandapotheken
Auch eine Versandapotheke muss mindestens den durchschnittlichen Wochenbedarf eines Arzneimittels vorrätig halten. Der Einwand des Apothekers, dass der Versand innerhalb von zwei Arbeitstagen erfolgen müsse und damit Zeit für eine Bestellung beim Großhandel bleibe, zog weder bei der Kammer als Aufsichtsbehörde noch in erster Instanz vor Gericht.
Ein Apotheker aus dem Landkreis Osnabrück, der auch einen Versandhandel mit Arzneimitteln betreibt, erhielt im Herbst 2014 Besuch von Mitarbeitern seiner Aufsicht, der Apothekerkammer Niedersachsen. Sie besichtigten die ausgelagerten Betriebsräume, aus denen der Apotheker seinen Arzneimittelversand betrieb. Bei der Prüfung des Warenwirtschaftssystems stellten sie fest, dass zu drei Fertigarzneimitteln – allesamt Insulinanaloga – kein dem Wochenbedarf entsprechender Vorrat vorhanden war. Die wenigen vorhandenen Packungen waren einem Apothekenmitarbeiter zufolge für vorliegende Rezepte reserviert. Dass es keinen Vorrat für diese Arzneimittel gab, wurde weder zu diesem Zeitpunkt noch später in Abrede gestellt.
Die
Kammer kündigte dem Apotheker daraufhin schriftlich ihre Absicht an, eine
Vorratshaltung anzuordnen, wie sie § 15 Abs. 1 Satz 1 Apothekenbetriebsordnung
(ApBetrO) vorschreibt. Danach hat der Apothekenleiter die Arzneimittel und apothekenpflichtigen
Medizinprodukte, die zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen
Arzneimittelversorgung der Bevölkerung notwendig sind, in einer Menge
vorrätig zu halten, die mindestens dem durchschnittlichen Bedarf für
eine Woche entspricht.
Der Apotheker hielt dem entgegen, dass hier die Sonderregelung in § 11a Nr. 3 lit. a des Apothekengesetzes (ApoG) zu beachten sei. Dort ist geregelt, dass beim Arzneimittelversandhandel sicherzustellen ist, dass der Versand innerhalb von zwei Arbeitstagen nach Eingang der Bestellung erfolgt. Diese Frist halte er ein, da er zehn bis zwölf Mal täglich durch sechs unterschiedliche Großhändler beliefert werde.
Gericht bestätigt Anordnung der Kammer zur Vorratshaltung
Die Kammer erließ daraufhin den angekündigten Bescheid. Sie begründete ihn unter anderem damit, dass der Apotheker auch für seinen ausgelagerten Betrieb der Vorratshaltung gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO unterliege. Die Einführung der Versandmöglichkeit durch den Gesetzgeber im Jahr 2004 rechtfertige keine andere Beurteilung.
Gegen diesen Bescheid erhob der Apotheker Klage vor dem Verwaltungsgericht Osnabrück. Dieses hat die Klage nun jedoch in erster Instanz abgewiesen und sich auf die Seite der Kammer gestellt. Auch die Richter bejahen einen Verstoß gegen die Regelung zur Vorratshaltung in der Apothekenbetriebsordnung. Diese Pflicht treffe Inhaber einer Erlaubnis zum Arzneimittelversand ebenso wie einen Apothekenleiter, der nur eine Präsenzapotheke unterhält.
Dafür
spreche zunächst der Wortlaut des
§ 15 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO, der auf den
Apothekenleiter und damit auf seine öffentliche Apotheke Bezug nehme. Die Versandapotheke
gebe es nicht als eigenständige Apothekenform. Die Versanderlaubnis knüpfe
vielmehr an die Präsenzapotheke an – somit gelte die Regelung auch dann, wenn
der Versand an einem ausgelagerten Standort betrieben wird.
Keine Sonderregelung für Versandapotheken bezweckt
Auch die Gesetzessystematik lasse keine andere Auslegung zu: Der genannte § 11a ApoG lege in seiner Nr. 1 nämlich fest, dass die Versandapotheke nach den für die öffentliche Apotheke geltenden Vorgaben zu betreiben ist. Damit sei auch § 15 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO einzuhalten. Dass hier eine Sonderregelung bestehe, sei nicht erkennbar. Die Richter verweisen darauf, dass sich in der Apothekenbetriebsordnung durchaus Ausnahmetatbestände für den Versand finden (z.B. § 17 Abs. 2a ApBetrO) – doch mit Blick auf § 15 ApBetrO habe der Verordnungsgeber gerade keine bestimmt.
Auch sei die in § 11a Nr. 3 lit. a ApoG genannte Zwei-Tages-Frist für die Versendung keine spezielle Regelung für die Versandapotheke, die die Bestimmung zur Vorratshaltung verdränge. Schon der Wortlaut zeige, dass die Vorschrift im Apothekengesetz den zügigen Versand der Arzneimittel gewährleisten soll. Zu einer etwaigen Vorratshaltung sage die Regelung hingegen nichts. Es gehe lediglich um Anforderungen an die Bearbeitung beziehungsweise Organisation des Bestellablaufs sowie die Logistik. Daran bestehe trotz des Nebensatzes „soweit das Arzneimittel in dieser Zeit zur Verfügung steht“ kein Zweifel. Die Regelung wolle den Apotheker nur von der Lieferfrist für den Fall befreien, dass ein Arzneimittel ausnahmsweise nicht vorrätig ist. Insoweit gehe die Regelung in § 11a Nr. 3 lit. a ApoG nicht weiter als § 15 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO. Auch danach sei ein Vorrat nicht für jedes Arzneimittel vorzuhalten, sondern für „die zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung notwendigen Arzneimittel“ und in einem mindestens dem durchschnittlichen Wochenbedarf entsprechenden Umfange. Dies habe zur Folge, dass auch bei einer Präsenzapotheke ein Arzneimittel einmal „nicht zur Verfügung stehen“ könne.
Kein „Warenlager auf der Straße”
Auch aus teleologischen Gründen sei eine Anwendung von § 15 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO auf die Versandapotheke geboten. Dazu führt das Gericht aus, dass Apotheken einen gesetzlichen Sicherstellungsauftrag haben. Und ein wichtiger Faktor bei der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten sei eine umfangreiche Vorratshaltung. Die Vorschrift des § 15 ApBetrO wolle verhindern, dass einzelne Apotheken ihre Vorratshaltung ausschließlich oder überwiegend auf eine täglich oder gar mehrmals täglich erfolgende Belieferung durch den Großhandel abstellen („kein Warenlager auf der Straße“). Eine solche Handhabung wäre nämlich mit dem Erfordernis einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung nicht in Einklang zu bringen. Somit gebe es keine Veranlassung § 15 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO in Bezug auf die Versandapotheke nicht anzuwenden. Dies würde den klagenden Versandapotheker im Vergleich zu Inhabern, die nur eine Präsenzapotheke betreiben, auch ungerechtfertigt bevorzugen.
Verwaltungsgericht Osnabrück, Urteil vom 19. Juli 2017, Az.: 6 A 251/15
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