Gesundheitspolitik

Der Apotheken-Ökonom: Never ending Story

Wann ist eine Vergütung gerecht?

Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW), Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de
 

Das Thema Vergütung bzw. Honorierung für die Apotheken schlägt regelmäßig hohe Wellen. Man ist geneigt von einer never ending Story zu sprechen. Diese Beobachtung lässt den Schluss zu, dass die Apotheker entweder alle gierig sind oder das bestehende System der Vergütung alles andere als ausgewogen. Bisweilen ist man auch geneigt anzunehmen, dass das Thema deshalb regelmäßig zur Sprache kommt, da in allen anderen Wirtschaftsbereichen Anpassungen der Leistungsbezüge in einer gewissen Regelmäßigkeit auf der Tagesordnung stehen, nur bei Apothekern nicht. Und wo das jeweilige System die Anpassung nicht automatisch schafft, werden Freiräume geschaffen wie vor nicht allzu langer Zeit wieder bei den Eisenbahnern usw. gesehen. Beamte haben z. B. kein Streikrecht. Im Prinzip haben sich die Beamten die quasi lebenslange Absicherung ihrer Vergütung auch dadurch erkauft, dass man eben nicht zu dem beliebten Mittel des Streiks greifen darf oder kann. Nun haben die Apotheken im Juni einen Protesttag ausgerufen und durchgeführt, der gemessen an der Vergangenheit und vor dem Hintergrund der Möglichkeiten vergleichsweise publikumswirksam ablief.

In überdurchschnittlich regulierten Märkten ist es häufig so, dass die staatliche Ordnungspolitik auch preislich eingreifen soll, wo die Marktwirtschaft versagt. Befürchtet man also zu starke Verwerfungen, regelt in einer sozialen Marktwirtschaft der Staat das Verhältnis aus Angebot und Nachfrage über einen für alle einheitlich festgelegten Preis; so auch bei den Apotheken und der Abgabe von Arzneimitteln. Weil es eben nicht dem freien Spiel aus Angebot und Nachfrage überlassen werden soll, wer ein Medikament erhält und wer nicht, sind hier Preisverwerfungen weitgehend untersagt. Damit nimmt man aber einem in diesem Markt Agierenden ein gutes Maß an Handlungsfreiheit. Dies wäre in Ordnung, wenn ihm eine Existenzsicherung wie den Beamten mehr oder weniger garantiert wird. Aber im Gegenzug zu der geringen Handlungsfreiheit bekommt der Apotheker mitnichten ein sicheres Einkommen eingeräumt, denn der Staat garantiert dem Selbstständigen keinen „Mindestlohn“.

Mit dem GMG 2004 ist die Vergütungslogik für Apotheken auf eine Packungs- und damit Kundensicht überführt worden. Gleichwohl ergibt sich der Umsatz immer noch aus Preis und Menge. Darin liegt auch ein Gutteil der Crux der gegenwärtigen Situation. Denn der Gesetzgeber vermischt bei derlei Berechnungspraktiken für Apotheken ordnungspolitische Eingriffe mit extremen marktwirtschaftlichen Mechanismen. Wenn das gewährte Honorar pro abgegebener Packung 8,35 € zzgl. 3% auf den Abgabepreis beträgt und dieser Betrag seit Einführung dieser Berechnungspraxis erst einmal ernsthaft erhöht wurde, kann nur die Mengenkomponente als flexible Größe und damit als Kompensation für die nicht stattgefundene Preisanpassung angenommen werden. Diese Mengenkomponente ist aber durch den Apotheker im rezeptpflichtigen Bereich nicht oder nur kaum beeinflussbar. Zudem darf der Absatz nicht stimuliert werden, was gut ist. Dennoch war erst jüngst zu lesen, dass die Menge an abgegebenen Arzneimitteln durchschnittlich pro Apotheke gestiegen ist und dadurch der Umsatz pro Apotheke, nicht zuletzt durch das von der ABDA immer wieder ins Feld geführte Apothekensterben. Der reine Ökonom würde also sagen, was der Preis nicht richtet, klärt die Menge. Davon abgesehen, dass dies eine Durchschnittsbetrachtung ist, die der einen Apotheke mehr und der anderen gar nicht hilft, ist eine derartige Betrachtung zynisch. Denn sie unterstellt frei nutzbare Kapazitäten in einer Apotheke, die bei höherer Menge eine bessere, mithin nie ausgeschöpfte Auslastung erlauben und geht nicht davon aus, dass als Äquivalent zu einer gestiegenen Menge eben auch die vorzuhaltenden Ressourcen steigen müssen und damit die einhergehenden Kosten. Auch schwierig ist es der Politik zu verkaufen, dass man die Honorarentwicklung an die Kostenentwicklung in Apotheken koppeln müsse, denn dann würde man der versammelten Apothekerschaft anraten müssen, die Kosten vor der Berechnung künstlich zu erhöhen, um damit eine Honorarerhöhung realisieren zu können. Standesvertreter haben deshalb von jeher argumentiert, dass man über die Leistung und deren Berechnung kommen müsse.

Es muss endlich festgelegt werden, was der Kunde bzw. der Staat für die 8,35 € bekommt. Und seitens der Apothekerschaft darf man auch nicht müde werden darauf hinzuweisen, dass es in der überwiegenden Anzahl der Fälle keine 8,35 € sind, da die GKV noch einen Abschlag pro Packung ausgehandelt hat. Wenn also endlich geklärt wäre, was in den ursprünglichen 8,10 € zum Zeitpunkt Ende 2003 drin war, was an Aufgaben zwischenzeitlich weggefallen, vor allem aber hinzugekommen ist und wie dies jeweils zu berechnen ist, hätte man ein adäquates Argument, um auch für die Zukunft und in der Zukunft Anpassungen vornehmen zu können. Denn die einzelnen Leistungskomponenten, die dann einen Betrag von 8,35 € ergäben, unterliegen mitunter inflationären Tendenzen, neu hinzukommende Aufgaben bedeuten Aufwand, der sich in einer höheren Vergütung niederschlagen müsste und nur Vereinfachungen und Wegfall von Leistungen würden eine Reduktion der Pauschale bedingen. Die Menge an abgegebenen Packungen muss eher wie ein Risikoausgleich gesehen werden, da die Apotheken nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten haben, im rezeptpflichtigen Bereich eine ausreichende Menge zu beeinflussen. Deshalb kommt dem Standort der Apotheke auch eine besonders bedeutsame Rolle zu. Gegebenenfalls müsste die bestehende Honorarpraxis transparenter gemacht werden. Wünschenswert wäre eine Lösung, die die Apotheker in die Lage versetzt, nicht ständig über das Honorar sprechen zu müssen. Dies geschieht zwar bei weitem nicht so öffentlichkeitswirksam wie durch die Streiks bei Eisenbahnern oder Piloten und zeitigt vor dem Hintergrund der final nicht stattfindenden Arbeitsniederlegung nicht zu der Betroffenheit in der Bevölkerung. Aber gerade in der Bevölkerung ist zu erkennen, dass zu heftige und häufige Forderungen eines Berufsstandes von einer ersten Phase des Verständnisses relativ schnell in Unmut umschlagen, vor allem wenn das eigene Leben der Bevölkerung durch den Streik nach­haltig torpediert wird. Mögen die Apotheker demnach alsbald bekommen, was sie verdienen. Wenn mir nur jemand vorrechnen und offenlegen würde, was das ist! |

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