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- DAZ 27/2022
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Arzneimittel und Therapie
Aus für die „-mabs“
WHO verabschiedet neue Nomenklatur für monoklonale Antikörper
Namen dienen dazu, um Einzelwesen, Orte oder Dinge eindeutig identifizieren und von anderen seiner Art unterscheiden zu können. Dabei bilden Arzneimittel keine Ausnahme. Ganz im Gegenteil: Aufgrund ihres besonderen Charakters kommt der Nomenklatur von Arzneistoffen eine ganz besondere Relevanz zu.
Die INN-Nomenklatur
Um weltweit eine einheitliche und nachvollziehbare Namensgebung für pharmazeutische Wirkstoffe zu gewährleisten, hat die Weltgesundheitsorganisation WHO 1953 die INN(international nonpropietary name)-Nomenklatur ins Leben gerufen. Ziel ist es, für jeden Wirkstoff
- einen weltweit einheitlichen,
- im Klang unverwechselbaren,
- nicht geschützten (nonpropietary) Namen zu finden,
- der eindeutig mit dessen Struktur verbunden ist,
- der (möglichst) in allen Sprachen leicht aussprechbar ist und
- sich deutlich von anderen wissenschaftlichen oder Markennamen abgrenzt.
Verräterische Namen
In der INN-Nomenklatur kommen vor allem dem Suffix (Endsilbe) und Infix (Silben in der Wortmitte) besondere Bedeutung zu. So tragen pharmakologisch und/oder strukturell verwandte Substanzen in der INN-Nomenklatur die gleiche Endsilbe. Bekannte Beispiele hierfür sind „-ase“ für Enzyme, „-vir“ für antiviral wirksame Wirkstoffe und „-tinib“ für Tyrosinkinase-Inhibitoren. Spezielle Infixe dienen der weiteren Untergliederung in Untergruppen, z. B. „-navir“ für HIV(Humane Immundefizienz Virus)-Protease-Inhibitoren oder „-brutinib“ für Bruton-Tyrosinkinase-Inhibitoren. Die Wahl des Präfixes erfolgt in der Regel zufällig, z. B. Rito- von Ritonavir.
Aus Gründen der Pharmakovigilanz darf ein einmal vergebener INN-Name niemals rückwirkend geändert oder gelöscht werden.
Auch für monoklonale Antikörper hat die WHO eine INN-Bezeichnung festgelegt: So ließen sich seit 1991 Vertreter dieser Wirkstoffgruppe am Suffix „-mab“ leicht erkennen. Das direkt vor das Suffix angrenzende Infix lieferte Hinweise zum Ursprung des Antikörpers (z. B. „o“ für Maus, „xi“ für chimär, „zu“ für humanisiert, „u“ für human). Während diese Infixe bereits 2015 entfallen sind, sind Infixe, die die pharmakologischen Targets beschreiben (z. B. „-n[e]“ für neuronal, „-tox[a]“ für Toxin), erhalten geblieben. Insgesamt wurden bis April 2022 auf diese Weise 879 INN-Namen für monoklonale Antikörper mit „-mab“ als Suffix generiert, von denen aber nur 144 tatsächlich die Entwicklungs- und klinische Phase überstanden haben und zugelassen sind. Da sich in den letzten Jahren ein enormer Anstieg an Neuentwicklungen von monoklonalen Antikörpern verzeichnen ließ, gleichzeitig aber die Anzahl unverwechselbarer INN-Namen mit der Endung „-mab“ stetig abnahm, hat sich die WHO im vergangenen Jahr dafür ausgesprochen, eine neue Nomenklatur für monoklonale Antikörper einzuführen, die der zunehmenden Diversität der Substanzen besser gerecht wird.
Aus eins mach vier
Aus Gründen der Pharmakovigilanz behalten alle nach der alten Nomenklatur benannten monoklonalen Antikörper ihren Namen mit der Endsilbe „-mab“. Neu entwickelte Antikörper und davon abgeleitete Substanzen sollen künftig in vier Gruppen mit unterschiedlichen Suffixen kategorisiert werden. Während die Endsilben „-tug“, „-bart“ und „-ment“ für monospezifische Immunglobuline stehen, lassen sich bi/multispezifische Immunglobuline an der Endung „-mig“ erkennen (s. Abb.).
- „-tug“ (unmodified immunglobuline): Dazu zählen alle monospezifischen, vollständigen Immunglobuline, deren Fc-Domäne nicht modifiziert wurde. Ihr Aufbau ähnelt dem natürlicher vom Immunsystem generierter Antikörper, aber auch chimäre und humanisierte Antikörper sind hier enthalten.
- „-bart“ (artificial immunoglobulins): Unter diese Gruppe fallen alle monospezifischen, vollständigen Immunglobuline, deren Fc-Domäne zum Beispiel aus Stabilitätsgründen durch eine geänderte Aminosäure-Sequenz modifiziert wurde.
- „-ment“ (immunglobuline fragments): Dazu gehören monospezifische Fragmente mit mindestens einer Antigen-bindenden variablen Domäne, wobei die konstante Fc-Domäne vollständig, nur in Teilen oder gar nicht vorhanden sein kann.
- „-mig“ (multi-specific immunoglobulins): Diese Gruppe inkludiert alle bi-/multispezifischen Immunglobuline, unabhängig von deren Format (natürlich oder modifiziert), deren Größe (vollständig oder Fragment) und deren Form (mit oder ohne Erweiterung).
Die Infixe sind in der neuen Nomenklatur weitestgehend gleichgeblieben. Das Infix „li“, das für allgemein immunmodulatorisch stand, wird gestrichen und durch die präziseren Infixe „-sto“ für immunstimulierend und „-pru“ für immunsuppressiv ersetzt (s. Tab.).
Infix | pharmakologisches Target |
---|---|
-ami- | Serum-Amyloid-Protein (SAP)/Amyloidosis |
-ba- | bakteriell |
-ci- | kardiovaskulär |
-de- | metabolische oder endokrine Stoffwechselwege |
-eni- | Enzym-Inhibition |
-fung- | Pilz |
-gro- | Wachstumsfaktor(-Rezeptor) |
-ki-* | Zytokin(-Rezeptoren) |
-ler-* | Allergene |
-sto-* | immunstimulierend |
-pru-* | immunsuppressiv |
-ne- | Nerven |
-os- | Knochen |
-ta- | Tumor |
-toxa- | Toxin |
-vet- | tierischer Gebrauch |
-vi- | viral |
Die Spezialfälle
Für die in der Tumortherapie häufig eingesetzten Antikörper-Wirkstoff-Konjugate wird die neue Nomenklatur entsprechend angepasst. D. h. der neue Antikörper wird künftig nach der aktualisierten Nomenklatur benannt, der konjugierte Wirkstoff behält seinen Namen. Dahingegen gilt das neue Namensschema nicht für Zelltherapeutika wie beispielsweise CAR-T-Zellen, auch wenn deren extrazelluläre Domäne aus einem Antikörper-Fragment besteht. Für Zelltherapeutika hat die WHO eine eigene INN-Nomenklatur festgelegt. |
Literatur
Weisser K. Abschied von „-mab“– neue internationale Freinamen (INN) für monoklonale Antikörper. Bulletin zur Arzneimittelsicherheit des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) 2022;2:31-35
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