Arzneimittel und Therapie

„Leider kein Patentrezept zur Prävention“ 

Ein Gastkommentar

Leitlinien empfehlen vor Beginn einer Bisphosphonat-Therapie eine Zahnsanierung. Welche Schwierigkeiten es dabei in der Praxis gibt, darüber haben wir mit Prof. Dr. Rainer Hahn gesprochen. Er ist praktizierender Zahnarzt, Leiter der Abteilung für zahnärztliche Prävention an der Danube Private University in Krems sowie Leiter der Fortbildungsakademie DentalSchool.
Prof. Dr. Rainer Hahn

Das Thema, das Sie ansprechen, ist hochkomplex, und die Studie spiegelt hier nicht den richtigen Eindruck. Das Problem besteht nicht in der Gruppe, die die Kiefernekrose mit exponiertem Kieferknochen ohnehin bekommt. Vielmehr muss man das Augenmerk auf das große Patientenkollektiv legen, das nach Beginn einer Therapie mit Zolendronsäure oder anderen Bisphosphonaten, aber auch Antikörpern wie Denosumab, zahnärztlich chirurgische Eingriffe oder eine simple Zahnentfernung erhalten muss. Bei diesen Patienten kann es mit viel höherer Häufigkeit zu Komplikationen wie nicht heilenden Extraktionsalveolen, kutanen Fistelungen, pathologischen Frakturen oder der Beteiligung des Sinus maxillaris kommen. Ich betreibe seit vielen Jahren in Tübingen eine Bisphosphonatsprechstunde (präventiv). Daneben liegt einer der Schwerpunkte meiner Praxis aber auch in der Therapie dieser Patienten sowie in der Behandlung von Komplikationen, die bei niedergelassenen Kollegen oder während des Monitorings am onkologischen Behandlungszentrum (oft Gynäkologie und Urologie) entstanden sind. Eine besondere Schwierigkeit besteht darin, dass auch der Einsatz von Antibiotika vor zahnärztlich chirurgischer Therapie bei diesen Patienten oft Komplikationen nicht verhindern kann. Zudem lässt die meist sehr kurzfristig gestellte onkologische Indikation für diese Medikamentengruppe keine Zeit, die eigentlich notwendige zahnärztliche Vorsanierung vor Therapiebeginn abzuschließen. Theoretisch müsste eine etwa zehn- bis zwölfwöchige Heilungsphase nach zahnärztlich chirurgischer Intervention (auch Zahnentfernung) abgewartet werden, bevor mit der Behandlung mit Bisphosphonaten begonnen wird, was aus onkologischer Indikation jedoch nur ganz selten infrage kommt. So bringt der „prophylaktische Zahnarztbesuch“ oft nicht den gewünschten Erfolg. Ich habe bei etlichen Patienten viel Leid und Schmerzen gesehen, die die ohnehin bestehenden Schicksale oft noch viel schlimmer gemacht haben. Ein Patentrezept zur Prävention habe ich leider nicht.

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