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(Neue) Lücken im Makelverbot
Umgehungsmöglichkeiten für E-Rezept-Regeln und mögliche Gegenmaßnahmen
Schon bei der Diskussion über das Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz war das Makel- und Zuweisungsverbot ein wesentlicher Aspekt. Daraufhin wurden mit dem Patientendaten-Schutzgesetz (PDSG) ein sozialrechtliches Zuweisungsverbot für Ärzte und ein Abspracheverbot im Apothekengesetz eingeführt. Letzteres gilt auch für „Dritte“. Denn die Sorgen der Apotheker beziehen sich weniger auf Zuweisungen von Ärzten, sondern mehr auf das Makeln durch Plattformbetreiber, beispielsweise internationale Internetunternehmen. Diese könnten Rezepte von Kunden sammeln und für die Weiterleitung eine Gebühr verlangen, fürchten viele Berufspolitiker. Diese Sorge erscheint begründet, wie das Geschäftsmodell der App „meinRezept.online“ zeigt (AZ 2020, Nr. 25, S. 5). Die Betreiber dieser App hatten vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Makelverbot geklagt. Das Gericht hatte sich jedoch nicht näher mit der Klage befasst, sondern auf den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten verwiesen (AZ 2020, Nr. 51, S. 3). Auch das Bundesgesundheitsministerium hatte in seiner Begründung für das PDSG Befürchtungen geäußert, das kommerzielle Makeln könne die freie Apothekenwahl beeinträchtigen und „zu erheblichen Verwerfungen im Apothekenmarkt führen“.
Token einbeziehen
Doch Beobachter sehen beim Makelverbot weiterhin relevante Umgehungsmöglichkeiten. Dabei ist zu bedenken, dass das E-Rezept ohnehin die Telematikinfrastruktur (TI) nie verlassen wird. Damit ist der Zugangscode, mit dem die Apotheke auf das E-Rezept zugreifen kann, das eigentlich interessante Objekt. Daher hatten die Apothekenrechtsexperten Dr. Elmar Mand und Prof. Dr. Hilko Meyer schon im September 2020 gefordert, den Token in die Zuweisungs- und Makelverbote einzubeziehen. Anderenfalls könnten die Schutzregeln über den Token ausgehebelt werden (siehe DAZ 2020, Nr. 37, S. 9).
„Mindestens so sicher wie eine Busfahrkarte“
Die ABDA fordert, das Makelverbot müsse „technisch abgesichert“ werden. Aus Sicht der ABDA sollten die Patienten nur über eine bestimmte vorgeschriebene App auf E-Rezepte zugreifen können. Da der Gesetzgeber dafür nicht die Web-App des Deutschen Apothekerverbandes nutzen wollte, könne dies die „offizielle“ App der gematik sein. Der Vorsitzende des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein, Dr. Peter Froese, hat dafür schon vor der Pandemie ein eingängiges Bild geprägt. Er verweist dazu auf die übliche Vorgehensweise bei örtlichen Verkehrsbetrieben. Fahrscheine für Busse und Bahnen können nur in der App des jeweiligen Betreibers gespeichert werden und sind nur darin gültig. Froeses Argument ist daraufhin: Die Sicherheit, die für eine Busfahrkarte gilt, sollte in der Arzneimittelversorgung mindestens auch gelten.
Neue Sorgen durch ausgedruckte Token
Bei den Betrachtungen zur Frage, welche App die Patienten nutzen könnten, droht allerdings ein anderer Übertragungsweg aus dem Blickfeld zu geraten. Denn es besteht mittlerweile Konsens, dass der Zugangscode für das E-Rezept nicht nur auf einer App, sondern auch als Ausdruck zur Verfügung gestellt werden muss, weil nicht alle Patienten ein Smartphone nutzen. Dann könnte der ausgedruckte Zugangscode aber auch mit einem Smartphone fotografiert und an einen Rezeptmakler oder einen Versender übermittelt werden, ohne dabei eine zugelassene App zu nutzen. Dies wäre zumindest technisch möglich. Rechtlich könnte allenfalls die Nutzung der so übermittelten Daten verboten werden. Damit könnte ausgerechnet die Ausweichlösung mit einem Medienbruch zum Einfallstor für ungeregelte Übertragungen werden.
Diese Befürchtung hat in jüngster Zeit zusätzliche Nahrung erhalten. Auch wenn die App der gematik zum Start des freiwilligen E-Rezeptes am 1. Juli verfügbar sein sollte, wird vermutlich nur ein kleiner Teil der GKV-Versicherten diese App nutzen können. Denn nach den derzeitigen Plänen der gematik müssten sich die Versicherten mit ihrer Krankenversicherungskarte in ihrem Smartphone identifizieren. Dies setzt voraus, dass sowohl das Smartphone als auch die Krankenversicherungskarte mit einem Chip für die NFC-Technologie ausgestattet sind, die beispielsweise für kontaktloses Bezahlen benutzt wird. Dies können längst nicht alle Smartphones und vor allem nur wenige der derzeit genutzten Krankenversicherungskarten. Dies wird das E-Rezept voraussichtlich ausbremsen. Doch das viel größere Problem könnte dabei werden, dass ausgedruckte Token für einige Zeit zum neuen Übermittlungsstandard werden. Dabei ist zu befürchten, dass die Versicherten diese Token vollkommen ungeregelt übermitteln, besonders wenn interessierte Versender ihnen dafür passende Apps anbieten.
Zum Start des freiwilligen E-Rezeptes am 1. Juli soll die App der gematik verfügbar sein – im Bild das Beispiel-Frontend der Versicherten mit einem E-Rezept. Doch für die Nutzung ist nach derzeitigen Plänen vorgesehen, dass sowohl Smartphone als auch Krankenversicherungskarte mit einem Chip für die NFC-Technologie ausgestattet sind.
ABDA-Vorschlag: Keine Drittanbieter vor Leistungserbringung
Offenbar hat die ABDA diese drohende Lücke erkannt. Dafür spricht jedenfalls ihre Stellungnahme vom 8. April zum Regierungsentwurf für das Digitale Versorgung und Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG), die nicht nur, aber wohl auch darauf zielen dürfte, einen Missbrauch des ausgedruckten Tokens zu verhindern. Ein wesentlicher Aspekt in dieser Stellungnahme bezieht sich auf den geplanten § 360 Abs. 9 SGB V, der die Nutzung von Schnittstellen der TI durch Drittanbieter regeln soll. Die ABDA fürchtet demnach, durch Apps von Drittanbietern könnten Rezeptzuweisungen unter Umgehung des Verbotes vorgenommen werden. Außerdem äußert die ABDA Bedenken zum Datenschutz und zur Verschwiegenheit, zumal Drittanbieter nicht zu überwachen seien. Die ABDA könne auch keine Notwendigkeit für die Weitergabe von Verordnungsdaten an Dritte erkennen, weil ergänzende Angebote für Versicherte nur auf der Grundlage von Abgabedaten, aber nicht von Verordnungsdaten denkbar seien. Darum schlägt die ABDA vor, den Gesetzestext um den Satz „die Nutzung der Verordnungsdaten vor der Erbringung der Leistungen nach § 31 ist nicht zulässig“ zu ergänzen. Zudem fordert die ABDA, alle Regelungen auch auf den Token zu beziehen und den Token zur Klarstellung im Makelverbot in § 11 Abs. 1 und 1a Apothekengesetz ausdrücklich zu erwähnen.
Diese Forderungen erscheinen konsequent. Eine solche Regelung würde zwar die Versicherten nicht binden, aber die Apotheken, die auf diese Weise Verordnungsdaten erhalten. Dabei ergeben sich allerdings weitere Fragen: Erstens ist zu fragen, ob eine solche Regelung im deutschen Recht für auch ausländische Versender gelten würde, und zweitens bleibt zu klären, wie die sozialrechtliche Regelung auf Privatrezepte ausgedehnt werden kann. Denn nur eine umfassende Regelung würde den gewünschten Zweck erfüllen. |
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