Arzneimittel und Therapie

Neue Hoffnung bei Schizophrenie

Xanomelin als Alternative zu klassischen Therapeutika – eine Einordnung

Als selektiver Muskarinrezeptor-Agonist greift Xanomelin an einer völlig neuen Wirkstelle bei Menschen mit Schizophrenie ein. Prof. Dr. Martina Hahn von der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Universitäts­klinikums Frankfurt hat den Wirkstoff für uns eingeordnet.

Alle bisherigen Behandlungsoptionen der Schizophrenie zielen auf einen Antagonismus an den Dopamin­rezeptoren bzw. die Modulation der Dopaminfreisetzung ab. Dies geht zurück auf Erkenntnisse van Russums [1], der ­einen Rückgang der Positivsymptomatik bei Blockade der Dopamin­rezeptoren beobachtete. Das von Paul Charpentier bereits 1950 entwickelte Chlorpromazin hat genau diesen antidopaminergen Wirkmechanismus und gilt als das erste Antipsychotikum. ­Basierend auf der Dopamin-Hypothese der Schizophrenie wurden in den folgenden Jahrzehnten nur Wirkstoffe mit antidopaminergem Wirkansatz entwickelt.

Andere Botenstoffe im Visier

Heute wissen wir, dass auch andere Neurotransmittersysteme in der Dys­balance sind und diese sowohl zur Positiv- wie auch zur Negativsymptomatik der Schizophrenie beitragen. Bereits 1973 publizierte Janowsky Erkenntnisse, dass Physostigmin – ein Wirkstoff, der die cholinerge Neurotransmission erhöht – zu einer Reduktion der psychotischen Symptomatik führt [2]. Schon lange wird also vermutet, dass auch das Acetylcholin eine Rolle bei psychischen Erkrankungen spielt. Belegt ist dies insbesondere bei Demenzen. Medikamente wie Acetylcholin­esterase-Hemmer, die für die Behandlung der Alzheimer-­Demenz zugelassen sind, sind jedoch vergleichsweise schlecht verträglich, da durch die periphere Parasympathikusaktivierung häufig gastrointestinale und ­kardiale Nebenwirkungen auftreten. Xanomelin, ein selektiver M1/M4-Muskarinrezeptor-Agonist, wurde nun mit Trospium, einem nicht ZNS-gängigen Muskarinrezeptor-Antagonist, in einer Phase-II-Studie kombiniert, um die peripheren parasympathomimetischen Wirkungen abzufedern und damit die Verträglichkeit zu erhöhen [3]. In der Studie mit 182 Patienten wurde diese Kombinationsbehandlung bei Patienten mit Schizophrenie über einen Zeitraum von fünf Wochen getestet. Die Liste der Exklusionskriterien ist lang – durch die erwarteten parasympathomimetischen und parasympatholytischen Wirkungen und Nebenwirkungen wurden viele Patienten mit somatischen Komorbiditäten ausgeschlossen. Auch Patienten, die auf mehr als zwei Anti­psychotika nicht angesprochen haben bzw. Clozapin erhalten hatten, wurden ausgeschlossen.

In der Verumgruppe sank der PANSS- Wert (Positive and Negative Syndrome Scale: bewertet den psychischen Zustand des Patienten mit minimal 30 und maximal 210 Punkten) in der Studie um 17 Punkte – eine Reduktion um 18% und vergleichbar mit der Wirkung von Antipsychotika wie Risperidon oder Cariprazin [4].

Gegenüber Placebo zeigte sich Xanomelin/Trospium hoch signifikant überlegen (p < 0,001). Sowohl die Positiv- wie auch die Negativ-Symptomatik verbesserte sich in der Xanomelin/Trospium-Gruppe signifikant gegenüber Placebo (p < 0,001).

Interessant ist dieser neue Wirkansatz besonders, da keine der sonst für ­Antipsychotika typischen Neben­wirkungen wie Gewichtszunahme, Hyperlipidämien oder extrapyramidale Störungen in dieser Studie beobachtet wurden. Das Nebenwirkungsprofil entsprach dem cholinergen und anticholinergen Wirkspektrum des Präparats: Obstipation, Mundtrockenheit, Dyspepsie, Übelkeit und Erbrechen traten auf. Allerdings gab es keine Studienabbrüche aufgrund dieser Nebenwirkungen, und die Gesamtrate an Abbrüchen lag sogar minimal unter der Rate in der Placebogruppe (20 versus 21%).

Fazit

Mit Xanomelin besteht eine interessante Alternative zu den klassischen D2-Rezeptorantagonisten. Durch ein gänzlich unterschiedliches Nebenwirkungsprofil könnte dieser Ansatz auch eine neue Therapieoption für Patienten darstellen, die Antipsychotika schlecht vertragen haben bzw. bei ­denen eine schlechte Wirksamkeit bestand. Es bleibt zu hoffen, dass Xanomelin/Trospium genau diesen Patienten helfen kann, die bislang schlecht oder gar nicht auf antidopaminerge Wirkstoffe ansprechen oder diese nicht vertragen. Dazu müssen jedoch weitere Studien folgen, da genau diese aus der hier vorgestellten Studie exkludiert wurden.

Weitere Muskarin­rezeptor-Agonisten werden derzeit in Phase II zur Behandlung der Schizophrenie, Morbus Parkinson und Lewy-Body-Demenz geprüft, so dass ver­mutlich bald mehrere neue Vertreter dieser Wirkstoffgruppe auf den Markt kommen. |

Literatur

[1] van Rossum JM. The significance of dopamine-receptor blockade for the mechanism of action of neuroleptic drugs. Arch Int Pharmacodyn Ther. 1966;160(2):492-4

[2] Janowsky DS, El-Yousef MK, Davis JM et al. Antagonistic effects of physostigmine and methylphenidate in man. Am J Psychiatry. 1973;12:1370–1376

[3] Brannan S, Swachak S, Miller A et al. Muscarinic colinergic receptor agonist and peripheral antagonist für schizophrenia. N Engl J Med 2021;384:717-26. DOI: 10.1056/NEJMoa2017015

[4] Durgam S, Starace A, Li D et al. An evaluation of the safety and efficacy of cariprazine in patients with acute exacerbation of schizophrenia: a phase II, randomized clinical trial. Schizophr Res. 2014;152(2-3):450-7. doi: 10.1016/j.schres.2013.11.041

Prof. Dr. Martina Hahn, Fachapothekerin für klinische Pharmazie

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