Arzneimittel und Therapie

HIV-Wirkstoff gegen Erblindung?

Reverse-Transkriptase-Hemmer könnten vor trockener Makuladegeneration schützen

mab | In Deutschland leiden etwa 7,4 Millionen Menschen unter einer trockenen Form der altersbedingten Makuladegeneration. Anders als bei der feuchten Variante existieren bisher keine Therapiemöglichkeiten. Das könnte sich vielleicht bald ändern. Forschern des Paul-Ehrlich-Instituts ist es in Zusammenarbeit mit internationalen Kollegen gelungen, dem Mechanismus hinter der Augenkrankheit auf die Schliche zu kommen. Sie haben im Zytoplasma der zugrundegegangenen retinalen Pigmentepithelzellen angereicherte DNA gefunden. Jedoch deutete nichts darauf hin, dass diese im Zellkern das Genom verändert hatte. Ursächlich für die DNA sind transponierbare Alu-Elemente. Darunter versteht man bewegliche DNA-Abschnitte, die sich in Zellen ausbreiten können. Die Forscher fanden heraus, dass die Alu-RNA in den retinalen Epithelzellen mithilfe des Enzyms Reverse Transkriptase in Alu-DNA umgeschrieben worden war und sich dann im Zytoplasma abgelagert hat. Könnte dieses Enzym ein möglicher Angriffspunkt für Therapeutika darstellen? Reverse Transkriptase-Inhibitoren werden bereits bei der Therapie gegen das humane Immundefizienz-Virus (HIV) eingesetzt. Und tatsächlich: In einer Metaanalyse, in der die Forscher die Krankenversicherungsdaten von über 100Millionen Amerikanern über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren auswerteten, zeigte sich, dass 40% weniger Patienten, die mit nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren therapiert wurden, unter einer trockenen Form der altersbedingten Makuladegeneration litten als Personen, die nicht mit dieser Wirkstoffklasse behandelt worden waren (Hazard Ratio = 0,62; 95%-Konfidenzintervall: 0,49 bis 0,77). Im nächsten Schritt sollen erste klinische Prüfungen mit nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Hemmern bzw. deren besser verträglicheren Derivaten, den Kamuvudinen, an Makulapatienten gestartet werden. |

Literatur

Fukuda S et al. Cytoplasmic synthesis of endogenous Alu complementary DNA via reverse transcription and implications in age-related macular degeneration. PNAS 2021. doi: 10.1073/pnas.2022751118

DNA transponierbarer Elemente als Ursache für AMD identifiziert, Pressemitteilung des PEI, 2. Februar 2021

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