Kongresse

Haut, Harnwege und Hormone - Teil 3

Traditioneller Fortbildungskongress in Meran gab vielfältige Ein- und Ausblicke 

Wann Estrogene in den Wechseljahren sinnvoll sind

Welches Hormon ist verantwortlich für ein erhöhtes Brustkrebsrisiko bei einer Hormontherapie in den Wechseljahren – Estrogen oder Gestagen? Ab welcher Therapiedauer steigt diese Gefahr überhaupt? Die Antworten lieferte – kompetent und kurzweilig – Prof. Dr. Kai Bühling, der als Gynäkologe mit den Schwerpunkten Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktions­medizin die Hormonsprechstunde des Universitätsklinikums Hamburg-­Eppendorf leitet. Er betonte, dass Wechseljahresbeschwerden tatsächlich einen Krankheitswert haben, häufig aber unterschätzt werden. Viele Frauen plagen – in unterschiedlicher Ausprägung – neben Wallungen und Schwitzen auch Schlafstörungen, Reizbarkeit und depressive Verstimmungen oder Herzbeschwerden. Eine Hormontherapie hilft, doch hat sie in den vergangenen Jahren wechselhafte Zeiten durchlebt, „Nutzen und Risiken wurden dabei wie die Pendel einer Wanduhr beurteilt“, sagt Bühling.

Foto: DAZ/ck
„Dick wird man vom Essen“, so der Gynäkologe Prof. Dr. Kai Bühling. Manche Patientinnen treibt die Sorge einer Gewichtszunahme durch eine Hormontherapie um, er könne aus seiner Praxis aber Entwarnung geben: „Eine Hormontherapie verringert sogar den Bauchumfang.“

Übergewicht erhöht Brustkrebsrisiko mehr als Hormonersatz

„Das Risiko für Brustkrebs unter einer Hormontherapie steigt erst nach fünf Behandlungsjahren signifikant“, erklärte Bühling. Ohne Hormontherapie erkranken innerhalb eines Jahres von 10.000 Frauen 46 an Brustkrebs, mit einer Hormontherapie sind es acht Frauen mehr. Das heißt auch: Die meisten Brustkrebspatientinnen hätten den Tumor auch ohne die Hormongabe entwickelt. Andere Faktoren spielten eine wesentlich größere Rolle bei der Risikoerhöhung als eine Hormontherapie, doch die Aufklärung läuft nach Einschätzung Bühlings hier sehr einseitig zu Ungunsten der Hormontherapie: „Lebensstilfaktoren wie Übergewicht, Alkohol oder sport­liche Inaktivität erhöhen das Brustkrebsrisiko viel dramatischer“, dennoch werde meist ausschließlich über die Hormontherapie-induzierte Krebs­gefahr gesprochen. „Bösewicht“ beim Brustkrebsrisiko unter Hormonersatz ist nicht das Estrogen. Die Erkenntnis brachte die große WHI-Studie (Women’s Health Initiative), die bereits 2002 publiziert wurde. In ihr wurden in einem extra Arm hysterektomierte Frauen untersucht, die eine Monotherapie mit konjugierten Estrogenen erhielten – und diese hatten ein geringeres Risiko für Mammakarzinome. „Das Gestagen ist ursächlich für den Anstieg des Brustkrebsrisikos!“, erinnert der Gynäkologe.

Finger weg von Progesteron-Creme!

Progesteron ist essenzieller Bestandteil einer Hormontherapie für Frauen, die noch ihren Uterus haben. Das Gestagen schützt vor Endometriumkarzinom, indem es der proliferierenden Wirkung der Estrogene auf die Gebärmutterschleimhaut entgegenwirkt. Progesteron werde „nur sehr unzureichend aufgenommen“, es fehlten Studien, die einen positiven Effekt belegten. „Transdermales Progesteron wirkt nicht zuverlässig als Endometriumschutz“, mahnt Bühling. Einen Tipp hat der Gynäkologe noch parat: „Progesteron oral eingenommen macht müde, da es in der Leber zu einem Prenolon-Derivat abgebaut wird.“ Frauen, die dies umgehen möchten, empfiehlt er die vaginale Anwendung. Diese sei zwar in der Hormontherapie nicht zugelassen – nur im Rahmen der Reproduktionsmedizin –, doch umgehe die vaginale Anwendung die Metabolisierung zu dem Prenolon-Derivat.

PZ-Innovationspreis verliehen

Beim Pharmacon in Meran wurde zum 25. Mal der PZ-Innovationspreis verliehen. Er ging an Tisagenlecleucel (Kymriah®), das erste CAR-T-Zelltherapeutikum, das in Deutschland für die Behandlung von akuter lymphatischer B-Zell-Leukämie und von diffus großzelligem B-Zell-Lymphom zugelassen ist.

Foto: DAZ/ck
Dr. Katja Schmidt von Novartis Pharma und PZ-Chefredakteur Sven Siebenand bei der Übergabe des PZ-Innovationspreises.

Aus insgesamt 33 neuen Arzneistoffen, die 2018 auf den Markt gekommen sind, hatte die Jury die Qual der Wahl. Sie fiel auf das CAR-T-Zelltherapeutikum Tisagenlecleucel, das zu den Arzneimitteln für neuartige Therapien (advanced therapy medicinal products) zählt. Die Abkürzung CAR steht für den chimären Antigen-Rezeptor. Bei der individualisierten Therapie mit CAR-T-Zellen werden einem Patienten T-Zellen entnommen. Diese werden dann ex vivo mit einem lentiviralen Vektor genetisch verändert, der für einen chimären Antigen-Rezeptor kodiert, der gegen CD19 gerichtet ist. Die mit dem neuen Genkonstrukt ausgestatteten Zellen werden dem Patienten wieder zurückinfundiert. Im Körper der Patienten vermittelt der CAR eine spezifische Bindung an das Oberflächenantigen CD19, welches sich unter anderem auf den malignen Zellen des Patienten findet. Diese Bindung geht einher mit einer Aktivierung der jeweiligen CAR-T-Zelle. So können die CAR-T-Zellen die malignen Zellen des Patienten erkennen und eliminieren. Bei der Verleihung betonte PZ-Chefredakteur Sven Siebenand, dass Tisagenlecleucel drei innovative Therapieformen vereint: Immun-, Zell- und Gentherapie. Vor allem für junge Patienten mit akuter lymphatischer B-Zell-Leukämie bedeute die Therapie einen großen Fortschritt. Gleichzeitig ist das gesamte Konzept richtungsweisend für die Therapie von Autoimmunerkrankungen und weiteren soliden Tumorarten. Damit einher geht auch der Beginn einer Diskussion um eine erfolgsgebundene Vergütung innovativer und teurer Therapieformen.

Selektiver Estrogenrezeptor-­Modulator Tamoxifen

Prof. Dr. Ulrike Holzgrabe, Universität Würzburg, führte in die komplexen Vorgänge um die selektiven Estrogenrezeptor-Modulatoren (SERM) ein. Die Definition dieser Wirkstoffklasse ist einfach, ihre Wirkungen im Organismus sehr komplex. Selektive Estrogenrezeptor-Modulatoren sind synthetische, nicht-steroidale Substanzen, die ihre sowohl agonistische als auch antagonistische Wirkung über Estrogen-Rezeptoren zielgewebespezifisch vermitteln. Der Estrogen-Rezeptor ist ein Transkriptionsregulator. Der Ligand Estradiol diffundiert in den Zellkern und kann über einen Transkriptionsfaktor mit der DNA interagieren und so seinen Effekt vermitteln, oder der Ligand bindet an den Estrogen-Rezeptor, führt zu Konformationsänderungen (Transformation) und gelangt in den Zellkern (Translokation), dort dimerisiert der Rezeptor mit dem Liganden und bindet an Estrogen-responsive Elemente (HRE). Je nach Konformation wird dann eine Vielzahl an Ko-Aktivatoren und Ko-Repressoren rekrutiert, es kommt zum Ablesen der DNA und zum Exprimieren von Proteinen, wenn ein Agonist gebunden hat, oder zur Nicht-Expression (Antagonist). Es gibt zwei verschiedene Estrogenrezeptoren (ER-α und ER-β) und zwei Transkriptionsaktivierungsfunktionen (AF-1 und AF-2). Jeder Ligand erzeugt eine andere Rezeptorkonformation und damit die Möglichkeit, mit anderen Proteinen zu interagieren. Liganden können sich in ihrer Affinität zu beiden Rezeptorformen unterscheiden. Selektive Estrogenrezeptor-Modulatoren binden vorzugsweise entweder an den α- oder β-Subtyp des Rezeptors. Estron und Raloxifen binden vorzugsweise an ER-α, Estriol und Genistein binden an ER-β. Estradiol bindet an beide Rezeptoren. Da in vielen Zellen beide Sub­typen gleichzeitig exprimiert werden, sind sehr komplexe Wirkungen die Folge und das Indikationsspektrum ist vielfältig: Bei Osteoporose können die SERM der zweiten und dritten Generation Raloxifen, Bazedoxifen oder Lasofoxifen eingesetzt werden, beim Mammakarzinom Tamoxifen und Toremifen. Ospemifen ist bei vulvovaginaler Atrophie indiziert, es wird auch in der entsprechenden S3-Leitlinie genannt. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) und das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) haben aber in ihrer Bewertung keinen Zusatznutzen gesehen, die Firma hat daraufhin Ospemifen 2017 vom Markt genommen. Alle diese SERM sind nur zum Einsatz nach der letzten Regelblutung zugelassen, so Holzgrabe.

Tamoxifen nur nach CYP2D6-Genotypisierung?

Der erste selektive Estrogenrezeptor-Modulator, der entwickelt wurde, und auch der bekannteste ist Tamoxifen, ein gemischter Agonist/Antagonist. Es erhöht Estrogen-artig die Knochendichte, gilt aber zur Prophylaxe der postmenopausalen Osteoporose nicht als erste Wahl. Tamoxifen wirkt als Estrogen-Partialagonist am Endome­trium, fördert das Endometrium-Wachstum und kann zur Hyperplasie und Tumoren führen. Im Brustgewebe wirkt es aber antiestrogen. Daher wird es eingesetzt zur adjuvanten Therapie nach der Primärbehandlung eines Mammakarzinoms und zur Rezidivprophylaxe bei Hochrisikopatientinnen. Ebenso wird es off label bei der Gynäkomastie des Mannes eingesetzt. Tamoxifen wird über das Cytochrom-P450-Enzymsystem, insbesondere über die Isoenzyme CYP3A4 und CYP2D6, zu den aktiven Metaboliten Hydroxy-Tamoxifen und Endoxifen verstoffwechselt. Diese sind äquipotent und bis zu 100-mal aktiver als die Ausgangssubstanz. Hemmstoffe von CYP2D6, z. B. zahlreiche Antidepressiva aus der Gruppe der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer wie Paroxetin und Fluoxetin können die Bildung des aktiven Metaboliten und somit die Wirksamkeit von Tamoxifen verringern. Vor der Therapie sollte eine Genotypisierung durchgeführt werden, so Holzgrabe, denn eventuell müssten dann bei CYP2D6-Poor-Metabolizer höhere Dosierungen eingesetzt werden. Allerdings gibt es aktuelle Studien, die die Datenlage zur CYP2D6-Genotypisierung anzweifeln. Frauen unter Tamoxifen-Therapie sollten jedenfalls keine CYP2D6-Inhibitoren nehmen. Zudem können CYP3A4-Induktoren wie Rifampicin die Plasmaspiegel von Tamoxifen senken, unklar ist, wie relevant dieser Interaktion ist. |

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