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Kongresse
Haut, Harnwege und Hormone
Traditioneller Fortbildungskongress in Meran gab vielfältige Ein- und Ausblicke
Bei keiner anderen Applikationsart sind Wirksamkeit und Verträglichkeit eines Arzneimittels so abhängig vom Trägersystem wie bei Dermatika, das zeigte Prof. Dr. Rolf Daniels vom pharmazeutischen Institut der Universität Tübingen. Bei der Pharmakotherapie von Hautkrankheiten stehen zwar Auswahl und Dosierung des Wirkstoffs sowie pathologische Veränderungen an der Applikationsstelle im Vordergrund. Doch auch die Grundlage muss essenzieller Bestandteil des therapeutischen Konzepts sein, sie entscheidet über die kutane Bioverfügbarkeit eines Arzneistoffs und seine Wirksamkeit.
Verwirrende Bezeichnungen
Einem Patienten mit seinem individuellen Hautzustand durch die Auswahl eines Arzneimittels gerecht zu werden, ist für den Dermatologen wie für den Apotheker gar nicht so einfach. Zwar steht eine Vielzahl an Grundlagen zur Verfügung, und mit modernen Hilfsstoffen lassen sich Wasser- und Lipidgehalt von dermatologischen Produkten fast unbegrenzt variabel einstellen, doch häufig ist bei Fertigprodukten der Formulierungstypus nicht erkennbar, die Namensgebung oft katastrophal, so Daniels. Nach den Vorgaben des European Directorate for the Quality of Medicines and HealthCare (EDQM) werden für neue Dermatika „Standardterms“ vorgegeben, die nur noch zwischen Salbe, Creme und Gel unterscheiden. Hersteller verwenden für ihre Produkte aber oft die unter Dermatologen üblichen Begriffe, die von den Bezeichnungen der europäischen Arzneibuchmonografien abweichen können. So kann eine Darreichungsform, die Dermatologen als Fettsalbe bezeichnen, nach dem Arzneibuch eine wasseraufnehmende Salbe, eine hydrophobe Salbe oder ein lipophiles Gel sein.
Vorsicht beim Austauschen
Damit kann eine auf Kosteneinsparung ausgerichtete Substitution, die sich nur an der Wirkstoffgleichheit und einer nach den Standardterms zwar formal gleichen Darreichungsform orientiert, für den Patienten von Nachteil sein. Ändern sich die dermato-pharmakokinetischen Eigenschaften einer halbfesten Zubereitung, ist auch die kutane Bioverfügbarkeit eines Wirkstoffs und damit der Therapieeffekt infrage gestellt. Hier ist der Apotheker gefordert, der einen Austausch aufgrund von Rabattverträgen gegebenenfalls durch pharmazeutische Bedenken verhindern sollte.
Kein Hydrocortison oder Neomycin auf Kinderhaut!
„Die Haut des Säuglings und Kleinkindes unterscheidet sich in vielfältiger Hinsicht von der älterer Kinder und Erwachsener“, erklärt der Kinderdermatologe Prof. Dr. Peter Höger aus Hamburg, denn „die Haut des Neugeborenen ist zwar komplett, aber funktionell noch unreif“. Auch die Körperoberfläche ist bei Säuglingen – bezogen auf das Körpergewicht – größer als bei Erwachsenen, und zwar etwa um den Faktor drei. Diese anatomischen Unterschiede begünstigen eine erhöhte transkutane Absorptionsrate beim Säugling. Kommt dann wie beim atopischen Ekzem zusätzlich ein Barrieredefekt hinzu, erhöht sich diese nochmals. „Manche topischen Wirkstoffe können aufgrund ihrer transkutanen Penetration unter Umständen gefährliche Nebenwirkungen auslösen“, erklärt Höger. Eine der „schlimmsten“ Substanzen sei Neomycin. Er wundere sich, dass sich das Aminoglykosid nach wie vor in der topischen Therapie auch bei Kindern behaupten kann – noch immer gebe es 16 Neomycin-haltige Zubereitungen. Neomycin ist ein Aminoglykosid, und alle unerwünschten Wirkungen dieser Antibiotikaklasse wie Nephro- oder Ototoxizität können bei Kindern wegen der erhöhten transkutanen Absorption auch bei alleiniger topischer Anwendung hervorgerufen werden. Eine klare Absage erteilte Höger auch Hydrocortison. „Als ,kleines Molekül‘ macht der Wirkstoff bei Kindern mehr Nebenwirkungen und Schaden, als es nutzt“. Bei Kindern mit atopischem Ekzem, die mit einer adaptierten Lokaltherapie antiinflammatorisch behandelt werden müssen, sollten besser Prednicarbat, Methylprednisolon, doppelt verestertes Hydrocortison oder in schweren Fällen Mometason eingesetzt werden.
Quälender Juckreiz
Während die Pathophysiologie von Juckreiz infolge eines Mückenstichs oder Kontakt mit Brennnesseln gut verstanden ist, ist die des chronischen Pruritus beispielsweise im Kontext einer chronischen Lebererkrankung immer noch weitgehend unklar. Darauf wies Priv.-Doz. Dr. Dr. Andreas E. Kremer, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, hin. Allerdings sind inzwischen auf Juckreiz spezialisierte nicht histaminerge Neuronen identifiziert worden, die unter anderem mit T-Zellen, Mastzellen und Neutrophilen interagieren und über das Rückenmark mit bestimmten Regionen des Gehirns in Verbindung stehen. Juckreiz selbst ist ein Symptom, dem vielfältige Erkrankungen zugrunde liegen können. Doch lässt die Art des Juckreizes kaum auf die ursächliche Erkrankung schließen. Nächtliches Jucken könnte eventuell ein Indiz für Skabies sein, reibt sich der Patient, könnte dies auf Nesselsucht hindeuten, richtiges Kratzen eher auf eine Neurodermitis, so Kremer. Trockene Haut verursacht nicht per se Juckreiz, aber sie verschlechtert bestehende Hauterkrankungen. Denn bei trockener Haut ist die Hautbarriere gestört, exogene Substanzen können leichter eindringen und Mastzellen aktivieren, erklärte Kremer. Nervenzellen wachsen ein, Entzündung und Juckreiz verstärken sich gegenseitig. Es entsteht ein Teufelskreis durch Kratzen und Jucken. Deshalb der eindringliche Rat von Kremer: „Eincremen, eincremen, eincremen“! Wenn es um das Stillen des Juckreizes bei chronischem Pruritus geht, dann sind Antihistaminika eine Option. Sie können bis zur vierfachen Tagesdosis erhöht werden. Ist diese Strategie nicht erfolgreich, kann auf den IgE-Antikörper Omalizumab zurückgegriffen werden, unter dem bis zur Hälfte der Patienten beschwerdefrei werden sollen. Als letzte Option sind Immunsuppressiva wie Ciclosporin indiziert. Nationale und internationale Leitlinien zu chronischem Pruritus empfehlen darüber hinaus je nach zugrunde liegender Erkrankung Gabapentin oder Pregabalin, Antidepressiva und Opioid-Antagonisten. Eine wichtige Rolle in der Pathophysiologie der atopischen Dermatitis spielt Interleukin (IL) 31. Es kommt zu einer Überexpression, die mit einer verstärkten Bildung von für den Juckreiz verantwortlichen sensorischen Nerven einhergeht. IL-31 wird als einer der Trigger angesehen, der den Juckreiz eskalieren lässt. Dem kann mit dem IL-31-Antikörper Nemolizumab entgegengewirkt werden. Er ist jedoch noch nicht zugelassen ist.
Wider die trockene Haut
Hauttrockenheit spielt auch beim atopischen Ekzem eine entscheidende Rolle, wie Prof. Dr. Jens Malte Baron, Leitender Oberarzt an der Klinik für Dermatologie und Allergologie in Aachen, zeigte. Eine regelmäßige konsequente Basistherapie bildet hier den Grundpfeiler. Mit der täglichen Hautpflege – im Idealfall zweimal täglich – soll die gestörte Hautbarriere so stabilisiert werden, dass Krankheitsschübe hinausgezögert, gemildert oder sogar verhindert werden. Mit einer stadiengerechten Basistherapie die Hauttrockenheit symptomatisch zu behandeln, sei umso wichtiger, da sie direkt zu Entzündung und Juckreiz führt und die allergische Sensibilisierung begünstigen kann. In vielen Fällen lässt sich durch eine konsequente stadiengerechten Basistherapie eine medikamentöse Therapie vermeiden bzw. der Einsatz von Arzneimitteln deutlich reduzieren. Problematisch ist, dass Produkte einer Basistherapie nicht als Arzneimittel zugelassen sind, die Effekte werden nicht systematisch durch randomisierte, kontrollierte klinische Studien erfasst. Baron hat selbst ein standardisiertes Hautmodell entwickelt, mit dem die Wirkung einer topischen Basistherapie untersucht werden kann. Seine Versuchen belegen, dass ein wichtiger Faktor Ceramide sind, von denen die menschliche Haut ca. 2000 verschiedene enthält. Die einmal tägliche Applikation einer Ceramid-haltigen Zubereitung senkte bereits nach einer Woche die Allergenpenetration und die Zellteilung, wie mit verschiedenen Färbemethoden gezeigt wurde. Der zugrunde liegende Mechanismus ist noch nicht geklärt. Welche Ceramide genau aufgetragen werden, scheint dabei keine Rolle zu spielen.
Hauttumore: Hoffnungsträger zielgerichtete Therapie
Therapiefortschritte in der Behandlung von aktinischen Keratosen, Basaliom und Melanom standen im Mittelpunkt des Vortrags von Prof. Dr. Dorothée Nashan, Hautklinik des Klinikums Dortmund. Bei allen Formen nimmt die Mutationshäufikeit zu, alle sprechen auf Immuntherapien an, so die Botschaft von Nashan. Im Hinblick auf die Behandlung aktinischer Keratosen wies sie auf die kurz bevorstehende Veröffentlichung der S3-Leitlinie „Aktinische Keratosen und Plattenepithelzellkarzinom der Haut“ hin. Sie wird der Erkenntnis Rechnung tragen, dass der Übergang der aktinischen Keratose in ein invasives Karzinom nicht zwingend ein kontinuierlicher Prozess ist, sondern als eine direkte Invasion basaler Keratinozyten zu verstehen ist, die sich nach oben oder nach unten entwickeln können. Viele aktinische Keratosen männlicher Glatzen werden zu Spinaliomen, das könne ein explosiver Vorgang sein. Entsprechend neuerer Erkenntnisse ändere sich auch das therapeutische Vorgehen. Kryotherapien müsse man nicht machen, sie würden auch kein so schönes Hautbild ergeben, so Nashan. Auch die topische Therapie mit Diclofenac 3% in Hyaluronsäure sei „nicht der Brüller“. Weitere Optionen sind die topische Behandlung mit 5-Fluorouracil-Creme (5%), Ingenolmebutat-Gel und Imiquimod-Gel. Ziel ist die Vermeidung eines invasiven Plattenepithelkarzinoms. In der Behandlung invasiver Plattenzellkarzinome konnten mit dem PD-1-Antikörper Cemiplimab gute Erfolge erzielt werden, die Zulassung wird deshalb erwartet. PD-1-Inhibitoren sind ebenfalls Hoffnungsträger für die Therapie des Basalioms und des Melanoms. In der Therapie des Basalioms lassen sich mit dem Hedgehog-Signalweg-Inhibitor Vismodegib (Erivedge®) gute Erfolge erzielen, die Patienten sprechen sehr schnell an, der Tumor kann auch schrumpfen, so dass der Weg für eng lokalisierte Operationen gebahnt werden kann. Therapiepausen sind möglich. Ein großer therapeutischer Fortschritt konnte beim malignen Melanom erzielt werden. Zu verdanken ist er dem CTLA-4-Antikörper Ipililumab (Yervoy®) und den PD-1-Antikörpern Nivolumab und Pembrolizumab, aber auch dem kombinierten Einsatz von BRAF- und MEK-Inhibitoren (Dabrafenib plus Trametinib) bei entsprechend mutierten Melanomen.
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