Medikationsanalyse Spezial

Ertragsbringend oder nur kostendeckend?

Die Medikationsanalyse aus betriebswirtschaftlicher Sicht

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Von Thomas Müller-Bohn | Medikationsanalyse und Medikationsmanagement sollen zu wesentlichen Aufgaben und damit auch zu neuen Ertragsquellen für die Apotheken werden. Doch wie sind diese Dienstleistungen betriebswirtschaftlich zu bewerten? Ergebnisse der Kostenrechnung zeigen, dass die Kalkulation der ABDA für ARMIN und andere Projekte ein berufspolitisch motivierter Kompromiss ist. Doch bei individuellen Angeboten sind in jeder Apotheke eigene unternehmerische Entscheidungen nötig, deren Grundlagen hier vorgestellt werden.

Ob ein Angebot für das leistende Unternehmen wirtschaftlich vorteilhaft ist, hängt davon ab, ob der erzielte Erlös die Kosten übersteigt und dann noch ein Gewinn verbleibt. Die schwierige Frage dabei ist, welche Kosten für diese Rechnung relevant sind. Die möglichen Betrachtungsweisen lassen sich grob in Teil- und Vollkostenrechnung unterscheiden. Teilkosten sind die Kosten, die unmittelbar durch die Erbringung der Leistung entstehen. Bei Dienstleistungen sind das typischerweise die Kosten für die aufgewendete Arbeitszeit. Die Vollkosten umfassen zusätzlich alle anderen Kosten, die in dem Unternehmen anfallen und nicht einer einzelnen Tätigkeit zugeordnet werden können, also die Gemeinkosten. Dazu zählen in Apotheken insbesondere die Kosten für Räume, Möbel, Geräte, Fahrzeuge, Heizung und Strom sowie für die Verwaltung, den Steuerberater und diverse Mitgliedsbeiträge.

Teil- oder Vollkosten?

In betriebswirtschaftlichen Lehrbüchern werden die Teilkosten als „kurzfristige Preisuntergrenze“ bezeichnet. Wenn der Preis nur etwas über den Teilkosten liegt, leistet das Geschäft immerhin einen kleinen Deckungsbeitrag für die übrigen Kosten. Das ist kurzfristig akzeptabel, aber ein Unternehmen, das nur oder überwiegend Leistungen zu Preisen unterhalb der Vollkosten erbringt, geht langfristig pleite, weil nicht alle Kosten gedeckt werden. Die Vollkosten bilden daher die „langfristige Preisuntergrenze“. Eine Leistung, die auf Dauer angeboten werden soll und zur positiven Entwicklung des Unternehmens beitragen soll, muss einen Preis oberhalb der Vollkosten haben. Zusätzlich muss ein Gewinn entstehen, der Investitionen ermöglicht und den Unternehmer motiviert, das Geschäft überhaupt zu betreiben. Für Apotheken lassen sich daraus zwei wichtige Konsequenzen ableiten:

1. Die Politik hat mit der Einführung der Notdienstpauschale das Signal vermittelt, dass Gemeinwohlpflichten der Apotheken nicht ruinös wirken sollen. Für Gemeinwohlpflichten wird ein Honorar gesucht, das nicht alle Kosten deckt, aber bei häufiger Inanspruchnahme dieser Leistung den Ruin der Apotheke verhindert. Betriebswirtschaftlich interpretiert sind dies die Teilkosten.

2. Neue Dienstleistungen, die auf Dauer angelegt sind und einen konstruktiven Beitrag zum Bestand der Apotheken leisten sollen, müssen mit einem Honorar abgegolten werden, das die Vollkosten deckt und zusätzlich einen Gewinnzuschlag enthält.

Für einige Fragestellungen reicht es allerdings nicht aus, nur zwischen Teil- und Vollkosten zu unterscheiden. Denn es gibt verschiedene Teilkosten für verschiedene Teilleistungen. Beispielsweise ist bei der Medikationsanalyse zwischen der Betreuung eines einzelnen Patienten und der Etablierung dieser neuen Dienstleistung insgesamt zu unterscheiden. Ersteres verursacht unmittelbar nur die Personalkosten für den Umgang mit dem Patienten und die folgende Ana­lyse. Letzteres umfasst dagegen auch die Kosten für einen besonderen Arbeitsplatz, zusätzliche Software und Datenbanken sowie die Fortbildung für die neuen Aufgaben. Beides sind verschiedene Konzepte von Teilkosten. Zu den Vollkosten gehört zusätzlich ein angemessener Beitrag zu allen Kosten, die die Apotheke insgesamt betreffen.

Wenn das Medikationsmanagement eine neue gesellschaft­liche Aufgabe für die Apotheken werden soll, muss es mit den Vollkosten plus einem Gewinnzuschlag honoriert werden. Bei einem geringeren Honorar könnten die neuen Leistungen allenfalls dem Marketing dienen. Der Gewinn entstünde beim Warenverkauf, aber dann könnten die neuen Leistungen kein neues wirtschaftliches Standbein der Apotheken werden, das von der Arzneimittelabgabe unabhängig wäre. So wäre eine strategische Chance für die Apotheken verpasst, und es würden nur solche Kunden profitieren, die gute Erträge versprechen.

Kalkulation der Arbeitskosten

Die Kostenrechnung für das Medikationsmanagement beginnt mit den Kosten für die Arbeit, die die wichtigste Kos­teneinflussgröße darstellt:

Der geltende Tarifvertrag für Apothekenmitarbeiter sieht 34 Urlaubstage (bei mindestens 5 Jahren Betriebszugehörigkeit) und drei Tage Bildungsurlaub vor. Der Fehlzeitenreport des Wissenschaftlichen Instituts der AOK hat zuletzt durchschnittlich 19 Fehltage für Arbeitnehmer in Deutschland ermittelt. Außerdem soll von neun Feiertagen pro Jahr ausgegangen werden. Dann fallen von 313 Arbeitstagen 65 Tage aus, und es verbleiben 248 Tage oder 41,33 Wochen mit je 40 Arbeitsstunden, also 1653 Arbeitsstunden pro Jahr.

Der geltende Gehaltstarif für Apothekenmitarbeiter sieht für Apotheker ab dem 11. Berufsjahr ein Gehalt von 3978 € pro Monat vor, für PTA vom 9. bis 14. Berufsjahr 2444 €. Die Arbeitgeberanteile für die Sozialversicherungen betragen derzeit 19,445 Prozent vom Bruttogehalt. Hinzu kommen Beiträge zur Berufsgenossenschaft und zu Versicherungen, die direkt oder indirekt von der Mitarbeiterzahl oder von deren Gehalt abhängen. Daher soll hier ein pauschaler Aufschlag von 22 Prozent auf das Bruttogehalt unterstellt werden. Dann ergeben sich bei 13 Monatsgehältern für die Arbeitgeber jährliche Zahlungen von 63.091 € für Apotheker in der höchsten Gehaltsstufe und 38.762 € für PTA in der zweithöchsten Stufe. Dividiert durch 1653 Arbeitsstunden ergibt dies Arbeitskosten von 38,16 € pro Stunde für Apotheker und 23,45 € pro Stunde für PTA in den genannten Gehaltsstufen. Multipliziert mit der aufgewendeten Arbeitszeit ergibt dies die Teilkosten (im engsten Sinne) für die jewei­lige Leistung.

Wenn nicht nur die Leistungen für einen einzelnen Patienten, sondern für das Medikationsmanagement insgesamt betrachtet werden sollen, müssen die anteiligen Kosten für die zusätzliche Soft- und Hardware, die Fortbildung und möglicherweise einen kleinen Umbau addiert werden. Praktisch relevant ist diese Rechnung allerdings nur für Apotheken, die das Medikationsmanagement anbieten wollen, um Stammkunden einen besonderen Service zu bieten und dann von den Arzneimittelumsätzen dieser Kunden zu profitieren.

Kalkulation der Vollkosten

Wenn hingegen ein neues Standbein für die Apotheken­honorierung etabliert werden soll, müssen die Vollkosten betrachtet werden. Um die Gemeinkosten zu ermitteln, wären theoretisch alle Kosten zu addieren, die nicht unmittelbar einer Leistung zuzurechnen sind. Dann würde sich die Frage stellen, welchen Teil davon eine einzelne Medikationsanalyse für einen Patienten tragen sollte. Stattdessen bietet sich folgende pragmatische Vorgehensweise an: Auf die ­Arbeitskosten wird ein Zuschlag erhoben, der die übrigen Kosten repräsentiert. Auf den ersten Blick liegt es nahe, diesen Zuschlag aus dem Verhältnis der Personalkosten zu den übrigen Kosten zu ermitteln. Gemäß ABDA-Wirtschafts­bericht 2015 betrugen die Personalkosten 10,7 Prozent und die übrigen steuerlich abzugsfähigen Kosten 7,6 Prozent vom Nettoumsatz der Apotheken. Der Aufschlag müsste daher dem Verhältnis 7,6 zu 10,7 entsprechen, also 71 Prozent der Personalkosten betragen. Dann wären als Vollkosten für Apotheker 65,25 € pro Stunde und für PTA 40,10 € pro Stunde (bei den oben genannten Gehalts­stufen) anzusetzen. Dies entspricht

  • 1,09 € pro Minute für Apotheker und
  • 0,67 € pro Minute für PTA.

Aus der ABDA ist zu hören, dass dort Vollkosten von 1 € pro Minute für Apotheker und 0,75 € pro Minute für PTA als Kalkulationsgrundlage für das Modellprojekt ARMIN und ähnliche Projekte herangezogen werden. Offenbar hat sich die ABDA dabei an einer ähnlichen Rechnung orientiert, wie sie hier vorgestellt wurde, denn die Ergebnisse liegen nahe beieinander.

Für die Kalkulation auf der Ebene einzelner Apotheken bietet der Deutsche Apothekerverband in seinem Leistungs­katalog „LeiKa“ in der Rubrik „modellhafte Aufwands­ermittlung“ ein etwas anderes Verfahren zur Ermittlung der Vollkosten an. Dort werden die Gemeinkosten anhand der Öffnungszeiten der betrachteten Apotheke auf die Zeit umgelegt, die für die Dienstleistung benötigt wird. Dabei bleibt jedoch unberücksichtigt, dass andere Apothekenmitarbeiter in dieser Zeit ebenfalls ertragsbringende Tätigkeiten ausführen können, die auch einen Teil der Gemeinkosten tragen können. Je größer die Apotheke ist, umso mehr werden die Gemeinkosten damit überschätzt. Damit wird allerdings eine Unterschätzung an anderer Stelle kompensiert.

Lücken in der Rechnung

Denn die Grundidee aller dieser Rechnungen lässt drei wichtige Aspekte unbeachtet – die kalkulatorischen Kosten, den Anteil der Arbeitszeit, der nicht direkt einer ertragsbringenden Tätigkeit dient, und den Gewinnzuschlag:

  • Da Apotheken nur als Einzelunternehmen oder offene Handelsgesellschaften geführt werden dürfen, können für die Arbeitsleistung des Inhabers und für die Nutzung seiner eigenen Räume keine steuerabzugsfähigen Kosten geltend gemacht werden. Dennoch gehören diese kalkulatorischen Kosten in eine betriebswirtschaftliche Betrachtung, weil ihnen Leistungen gegenüberstehen. Ihr Umfang kann sehr stark schwanken. In kleinen Apotheken macht die Arbeit des Inhabers einen viel größeren Anteil der gesamten Arbeitsleistung aus als in einem großen Filialverbund.
  • Das zweite Problem bei der obigen Umlegung der „sonstigen“ Kosten auf die Personalkosten ist, dass auch ein Teil der Personalkosten Gemeinkosten darstellt. Dies gilt insbesondere für Teile der Warenwirtschaft, die meisten Verwaltungsaufgaben, Arzneimittelprüfungen und die Qualitätssicherung. Solange die Rezeptur nur als Gemeinwohlpflicht honoriert wird, müssen auch die nicht durch das Rezepturhonorar gedeckten Kosten als Gemeinkosten der Apotheke interpretiert werden. Vereinfacht ausgedrückt muss jede Arbeitszeit, die nicht einem bestimmten Kunden dient, auf die kundenbezogene Arbeitszeit umgelegt werden. Dann sind zumindest die kompletten Gehälter des nicht pharmazeutischen Personals als Gemeinkosten zu betrachten, praktisch aber noch viel mehr.
  • Außerdem ist ein Gewinnzuschlag nötig, denn eine langfristig tragfähige Honorierung muss einen Gewinn ermöglichen.

Die oben dargestellte Rechnung lässt darauf schließen, dass diese drei Aspekte offenbar nicht in die Kalkulation der Vollkosten für das Modellprojekt ARMIN eingehen. Die für ­ARMIN kalkulierten Vollkosten sind damit als niedrig an­gesetzter Kompromiss zu betrachten.

Umfassende Vollkostenrechnung

Die drei oben genannten Aspekte sind allerdings nur schwer quantifizierbar. Um den Einfluss zumindest grob schätzen zu können, sollen hier zwei Annahmen getroffen werden: Der Anteil der Gemeinkosten an den Personalkosten soll mit zehn Prozent veranschlagt werden, und das steuerliche Betriebsergebnis in Höhe von 6,6 Prozent vom Nettoumsatz, das die ABDA im Jahreswirtschaftsbericht 2015 ausgewiesen hat, soll die kalkulatorischen Kosten und einen an­gemessenen Gewinnzuschlag darstellen. Dann würde sich das Verhältnis zur Umlage der Kosten auf (1,07 + 7,6 + 6,6 =) 15,27 zu 9,63 verschieben. Der Aufschlagssatz auf die Personalkosten wäre dann 158,5 Prozent. Als Vollkosten plus Gewinnzuschlag wären

  • 1,64 € pro Minute für Apotheker und
  • 1,01 € pro Minute für PTA

anzusetzen. Sogar unter den bewusst zurückhaltend ge­wählten Annahmen ergeben sich damit deutlich höhere Vollkosten. So wäre eine ertragsbringende Leistung zu kalkulieren. Dies lässt erahnen, wie die Stundensätze in Handwerker­rechnungen zustande kommen.

Welcher Ansatz passt?

Diese Ergebnisse führen zu der unternehmerischen und berufspolitischen Frage, ob neue Leistungen im Rahmen des Medikationsmanagements von Anfang an mit Vollkosten und Gewinnzuschlag kalkuliert werden sollen.

  • Dafür spricht, dass dem Markt kein falsches Signal gegeben werden sollte und Preiserhöhungen später vielleicht nicht mehr durchsetzbar sein werden.
  • Dagegen spricht, dass die Gemeinkosten derzeit noch durch die anderen Leistungen gedeckt werden (sollten) und das neue Angebot nicht durch zu hohe Preise behindert werden sollte.

Die ABDA hat bei ARMIN einen Kompromiss gewählt und eine Vollkostenrechnung mit einer eher niedrigen Kostenschätzung zugrunde gelegt. Doch fehlt dabei offenbar der Gewinnzuschlag, der die Medikationsanalyse zu einer stabilen Ertragsquelle machen würde. Vielmehr zielt die Kalkulation auf Kostendeckung. Doch für individuelle Angebote muss jeder Apothekenleiter einen passenden Preis finden, der auch von den Kosten der jeweiligen Apotheke abhängt.

Kalkulation der Arbeitszeit

Eine solche unternehmerische Entscheidung ist auch beim zweiten Teil der Kalkulation gefragt. Denn es gibt erst wenige Erfahrungswerte dazu, wie viel Zeit die verschiedenen Leistungen des Medikationsmanagements benötigen.

Nach den Erfahrungen aus der „WestGem“-Studie erfordert ein erweitertes Medikationsmanagement (Stufe 2 gemäß Definitionen der ABDA und des Pharmaceutical Care Network Europe, PCNE) pro Patient einen Aufwand von zweimal zwei Stunden im ersten Jahr und zwei Stunden pro Jahr in den Folgejahren. Dabei geht es um Patienten mit durchschnittlich neun Arzneimitteln. Diese Erkenntnis dürfte primär für die Gestaltung von Modellprojekten interessant sein, weil das Medikationsmanagement definitionsgemäß interdisziplinär, also gemeinsam mit Ärzten stattfindet.

Bei den von Apotheken zu erbringenden Leistungen unterscheidet der „LeiKa“ das Medikationsgespräch und die Medikationsanalyse. Zum Medikationsgespräch gehören insbesondere die Ermittlung der Gesamtmedikation, die Identifizierung arzneimittelbezogener Probleme, die Ableitung von Maßnahmen und die Dokumentation. Für dieses einmalige Gespräch sieht der „LeiKa“ ein Regelzeitvolumen von 30 Minuten vor. Die Medikationsanalyse umfasst zusätzlich insbesondere eine AMTS-Prüfung, im Bedarfsfall Rücksprachen mit dem Arzt und ein Abschlussgespräch mit dem Patienten. Es geht hier also typischerweise um einen Vorgang, der sich über mehrere Termine erstreckt. Insgesamt veranschlagt der „LeiKa“ dafür 90 Minuten als Regelzeitvolumen. Im „LeiKa“ wird jedoch darauf hingewiesen, dass der tatsächliche Zeitbedarf vom Patientenfall und von der Erfahrung des Apothekers abhängt.

Angesichts dieser Orientierungswerte dürfte der Zeitbedarf für ein brown-bag-review mit dem dazugehörigen Patientengespräch und Empfehlungen an den Patienten etwa 30 bis 60 Minuten pro Patient einschließlich der unverzichtbaren Vor- und Nachbereitungszeiten betragen. Als Dienstleistung eines Apothekers wäre dies nach der Orientierungsgröße der ABDA mit 30 bis 60 € zu honorieren, bei einer umfassenden Vollkostenrechnung einschließlich Gewinnzuschlag mit 50 bis 100 €.

Varianten für die Honorierung

Der Zeitbedarf dürfte insbesondere davon abhängen, wie viele Arzneimittel der Patient einnimmt und welche kognitiven Fähigkeiten der Patient einbringen kann. Für die Kalkulation wäre es elegant, die Leistung nach der aufgewendeten Zeit abzurechnen, aber dies dürfte schwer durchsetzbar sein. Krankenkassen als Kostenträger würden vermutlich einer solchen Regelung mit großem Kontrollaufwand begegnen, und selbstzahlende Patienten würden angesichts eines vorab unbekannten Preises die Leistung kaum in Anspruch nehmen, oder sie würden stets zur Eile mahnen. Umgekehrt bewirkt ein pauschaler Preis, dass die Apotheke allein das Risiko für komplizierte Fälle mit großem Aufwand trägt. Bei Selbstzahlern dürfte ein Pauschalpreis die eher unproblematischen Fälle abschrecken, sodass die „Rosinen“ in der Preiskalkulation fehlen würden.

Als fairer Kompromiss erscheint ein gestaffelter Preis, der sich nach der Anzahl der regelmäßig verordneten Arzneimittel richtet. Der Zeitaufwand dürfte wesentlich von dieser Zahl abhängen. Außerdem ist sie durch die ärztliche Verordnung vorgegeben und kann weder durch den Apotheker noch durch den Patienten beeinflusst werden.

Die Gesamtzahl aller Arzneimittel in der brown bag wäre dagegen ein schlechtes Kriterium für die Preisgestaltung bei Selbstzahlern, weil diese dann möglicherweise nicht alle Arzneimittel mitbringen würden, sodass die Analyse ihren Zweck verfehlen würde.

Unternehmerische Entscheidungen

So bleibt viel Raum für unternehmerische Entscheidungen

  • zur Wahl eines angemessenen Stundensatzes,
  • zur Gestaltung einer Preisstaffel für verschiedene ­Leistungsumfänge und
  • zur Schätzung des realistischen Zeitaufwandes für ­verschiedene Leistungen.

Dies alles betrifft sowohl Apothekerverbände, die mit Krankenkassen als Leistungserbringer verhandeln, als auch einzelne Apotheken, die Medikationsanalysen für Selbstzahler anbieten. Bei Kalkulationen für einzelne Apotheken wird sich die Kostenrechnung eher auf die Kostendaten der je­weiligen Apotheke stützen, aber dies ändert nichts an den Rechenwegen. Als Unterstützung bietet der „LeiKa“ Kalkulationshilfen an. Dort kann das individuelle Gehalt des jeweiligen Apothekenmitarbeiters berücksichtigt werden. Um ein langfristig gültiges Angebot zu kalkulieren, erscheint es allerdings sinnvoller, einen Durchschnittswert für alle entsprechend qualifizierten Mitarbeiter heranzuziehen.

Auf jeden Fall werden Apothekenleiter zunehmend vor der Frage stehen, welche Leistungen sie im Themenfeld Medikationsanalyse anbieten wollen. Denn bei der Bearbeitung der nun gesetzlich vorgeschriebenen Medikationspläne dürfte vielfach weiterer Handlungsbedarf offensichtlich werden. Einige Patienten dürften dann für kostenpflichtige Zusatzleistungen zu gewinnen sein. Doch zuvor muss sich jeder Apothekenleiter bewusst machen, mit welcher Strategie solche Leistungen angeboten werden sollen. Für eine Marketingmaßnahme zur Bindung ertragsbringender Stammkunden wären schon die Teilkosten in Höhe von etwa 40 € pro Stunde eine erfreuliche „Schutzgebühr“. Dies würde allerdings die berufspolitischen Bemühungen um die Etablierung einer neuen Ertragsquelle untergraben. Die „ABDA-Variante“ mit 60 € pro Stunde erscheint als diskutabler Kompromiss, der allerdings einen beträchtlichen „Krankenkassenrabatt“ und einen „Erprobungsbonus“ enthält. Wer von Anfang an eine neue Ertragsquelle sucht, wird eher mit 100 € pro Stunde kalkulieren.

Medikationsplan und Apothekenhonorar

Die Einführung des bundeseinheitlichen Medikationsplans wirft außerdem die Frage auf, was dieser wirtschaftlich für die Apotheken bedeutet. Auch wenn die Politik die Apotheker dort nicht als honorierte Leistungserbringer vorgesehen hat, wird Arbeit auf die Apotheken zukommen. Der Arbeitsaufwand hängt von den jeweiligen Umständen ab:

  • In einem vorhandenen Plan Abgabehinweise zu ergänzen, dürfte nicht mehr Arbeit machen, als diese mit einem Aufkleber auf der Arzneimittelpackung anzubringen. Dies ist also mit der bisherigen Honorierung abgegolten.
  • Die Selbstmedikation mit einem OTC-Arzneimittel nachzutragen, stellt eine zusätzliche Leistung dar. Diese wirft allerdings eine vermutlich kaum lösbare politische Grundsatzfrage auf. Denn es geht einerseits um einen gesetzlich vorgeschriebenen Medikationsplan, andererseits um die Selbstmedikation, die der Patient aus eigenem Antrieb ­außerhalb seiner Beziehung zur GKV auslöst. Die Aussicht auf eine Honorierung erscheint daher gering.
  • Wirklich interessant und ökonomisch relevant dürfte hingegen der Fall werden, dass ein Arzt einen unvollständigen Plan erstellt und der Apotheker dort weitere Verordnungen anderer Ärzte ergänzt. Dies würde nennenswerte Zeit erfordern. Bisher ist vorgesehen, den Patienten in diesem Fall an den Arzt zu verweisen. Sollte diese Aufgabe künftig jedoch den Apothekern zugewiesen werden, müsste ein neues Honorar eingeführt werden, das zumindest die Teilkosten deckt, oder dies müsste bei der Honorierung des Versorgungsauftrags berücksichtigt werden. Auf der langen Liste der Gründe für die Erhöhung des Festzuschlags wäre dies ein weiterer Punkt. Für das geplante Gutachten zur Honorierung der Apotheken wäre es ein weiteres Argument, den Versorgungsauftrag mit einer Pauschale umfassend zu honorieren. |

Autor

Dr. Thomas Müller-Bohn ist Apotheker und Diplom-Kaufmann. Er ist externes Redaktionsmitglied der DAZ.

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