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Aus den Ländern
Unablässiger Kampf gegen Infektionen
Fortbildungskongress der Apothekerkammer Niedersachsen
Bei der Verleihung des Preises der Dr. Hellmuth-Häussermann-Stiftung (siehe Bericht auf Seite 70) erinnerte Linz daran, dass die Apothekerkammer Niedersachsen seit 54 Jahren Fortbildung und seit 30 Jahren Weiterbildung anbietet. Bei der Zahl der Weiterzubildenden habe Niedersachsen 2015 bundesweit den Spitzenplatz eingenommen. Außerdem erklärte Linz, die Tarifpartner ADA und ADEXA hätten vereinbart, in der nächsten Tarifrunde über ein Vergütungsmodell für Mitarbeiter mit freiwilligem Fortbildungszertifikat und mit Weiterbildung zu sprechen. „Das wurde auch endlich Zeit“, so Linz.
Ausgetrocknete Pipeline
Prof. Dr. Ulrike Holzgrabe, Würzburg, erinnerte an Ereignisse, bei denen Seuchen die Geschichte beeinflusst haben. So habe der Typhus den Verlauf des preußisch-österreichischen Krieges (1866) und des Ersten Weltkriegs mitbestimmt, weil die erkrankten Soldaten zeitweilig kampfunfähig waren. Ein grundlegendes Problem beim Einsatz von Antibiotika bleibt, dass oft schon innerhalb eines Jahres nach ihrer Einführung die ersten Resistenzen auftreten. Daher würden immer wieder grundlegend neue Strukturen mit neuen Wirkprinzipien benötigt. Doch nach den ersten 20 Jahren der Antibiotikaentwicklung seien fast nur bekannte Prinzipien abgewandelt und damit Wirkungsspektren und Anwendungsmöglichkeiten variiert worden. Dies gehe so weiter, denn „wir haben nicht wirklich neue Antibiotika in der Pipeline, obwohl die Resistenzlage jedes Jahr schlechter wird“, beklagte Holzgrabe. Besonders die multiresistenten Klebsiellen seien ein aktuelles Beispiel für die weltweite Verbreitung solcher Probleme. Doch auch die derzeit angekündigten neuen Antibiotika böten letztlich keine grundlegend neuen Wirkprinzipien. Anhand von Beispielen demonstrierte Holzgrabe, dass die meisten Neuentwicklungen der jüngeren Zeit nur eher kleine Fortschritte darstellen.
Urologische Infektionen: Banales …
Dr. Tilman Weniger, Urologe in Oldenburg, gab einen Überblick über urologische Infektionen. Die häufigste davon ist die ambulant erworbene Zystitis, die als unkompliziert eingestuft wird, wenn sie nicht mit funktionellen Anomalien oder Begleiterkrankungen verbunden ist. Sie erfordere dann keine Antibiotikagabe, sondern könne „weggetrunken“ werden. Gegen Krämpfe seien lokale Wärme und N‑Butylscopolamin geeignet. Um die Schmerzen und den zwanghaften Harndrang schnell zu beenden, werden jedoch häufig Antibiotika eingesetzt. Gemäß Leitlinie sind Fosfomycin oder Nitrofurantoin Arzneistoffe der ersten Wahl. Die häufig angewendeten Chinolone sollten dagegen als Reservemittel nur die zweite Wahl sein.
Weniger betonte, dass eine labordiagnostisch nachgewiesene Bakteriurie ohne Symptome nur bei Schwangeren therapiert werden soll, weil ihnen sonst eine Präeklampsie oder ihrem Fötus ein vermindertes Geburtsgewicht drohe. In allen anderen Fällen solle keine antibiotische Therapie erfolgen und der Patient auch nicht durch laufende Kontrollen verunsichert werden.
… und Ernstes
Andere urologische Infektionen müssen dagegen unbedingt mit Antibiotika behandelt werden. Bei einer Pyelonephritis (Nierenbeckenentzündung) sind die Patienten meist schwer krank, haben Fieber, und es droht eine Vereiterung des Nierenbeckens. Mittel der ersten Wahl sind Fluorchinolone.
Die Häufigkeit sexuell übertragbarer Erkrankungen nehme zu, wobei Chlamydien und Neisseria gonorrhoeae die häufigsten Erreger sind. In Kulturen müsse stets nach beiden Keimen gesucht werden, zumal diese auch zusammen vorkommen können. Die Syphilis spreche erfreulicherweise noch immer auf Depot-Penicillin an, doch müsse unbedingt nach drei Monaten eine Kontrolle stattfinden, um die Entwicklung einer sehr problematischen Neurolues zu verhindern.
Insbesondere durch Keime aus der Harnblase können Entzündungen der Nebenhoden oder der Prostata entstehen. In beiden Fällen sind Antibiotika indiziert. Bei Prostatitis werden Fluorchinolone, in Kenntnis der Resistenzlage auch Co-trimoxazol, Amoxicillin-Clavulansäure oder Cephalosporine sowie ergänzend Antiphlogistika und α‑Blocker eingesetzt.
Hoffen und Bangen bei Malaria
In seinem Vortrag zur Reisemedizin verbreitete Prof. Dr. Thomas Weinke, Potsdam, vorsichtigen Optimismus bezüglich der Malaria. Die Zahl der Toten in Afrika sei zwar noch immer erschreckend hoch, aber die Todesrate sei seit 2000 weltweit um 60 Prozent gesunken. Insbesondere mit Repellenzien imprägnierte Moskitonetze über den Betten bringen gute Erfolge.
Die Prophylaxe für Reisende konzentriere sich immer mehr auf die Kombination von Atovaquon und Proguanil. Insbesondere in großen Teilen von West- und Ostafrika sei dies dringend erforderlich. In anderen Ländern wie Indien und großen Teilen Lateinamerikas sei dagegen die Mitnahme von Notfallmitteln eher angemessen.
Wegen der großen Zahl von Arzneimittelfälschungen in Schwellenländern warnte Weinke vor dem Kauf in solchen Ländern. „Touristisch reisende Schwangere und Kleinkinder haben in Malaria-Gebieten nichts zu suchen“, erklärte Weinke deutlich. Auch in Zika-Gebiete sollten Schwangere nicht reisen. Für Mitteleuropa sei derzeit jedoch kein Zika-Risiko anzunehmen, denn es gebe keine Hinweise, dass die hier vorkommende Asiatische Tigermücke (Aëdes albopictus) den Erreger übertragen könnte.
Das wirksamste und wichtigste Mittel zur Therapie der verbreiteten Reisediarrhö ist für Weinke die orale Rehydratation. Loperamid sei allenfalls kurz bei unkomplizierten Erregern angebracht, könne aber das Ausspülen der Keime verzögern. Bei einer Antibiotikabehandlung bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit, resistente Erreger zu erwerben.
Antibiotika im Krankenhaus
Edith Bennack, Köln, beschrieb die Anwendung von Antibiotika aus der Perspektive einer Krankenhausapothekerin. Als Folge des 2011 neu gefassten Infektionsschutzgesetzes werde der Antibiotikaverbrauch in Krankenhäusern fortlaufend erfasst und bewertet. Dies zeige erstaunlich große Unterschiede zwischen verschiedenen Krankenhäusern in der Wahl der Antibiotika. Bennack kritisierte insbesondere, dass Ceftriaxon seit Jahren zu den sehr häufig eingesetzten Antibiotika gehört, obwohl es als Reservemittel gedacht ist. Den häufigen Einsatz von Fluorchinolonen und Cephalosporinen der dritten Generation sieht sie als wesentliche Ursache für Infektionen mit Clostridium difficile. Die Erklärung für solche Verordnungen liege vielfach in der verständlichen Furcht der Ärzte, etwas zu übersehen oder zu spät zu handeln und sich dann rechtfertigen zu müssen.
Außerdem riet Bennack, bei Antibiotikaverordnungen stets die Dosierungen zu prüfen, denn häufig würden zu geringe Dosen verordnet, oft aber für zu lange Zeit. Antibiotikatherapien sollten daher öfter reevaluiert werden. Die Niederlande seien in der Bekämpfung von Resistenzen so erfolgreich, weil sie Antibiotikaverordnungen im Krankenhaus nach 48 Stunden in einem Team hinterfragen. Auch für Deutschland empfahl Bennack dringend einen solchen interdisziplinären Ansatz.
Vielfältiges Programm
So vielfältig wie die Infektionskrankheiten war das inhaltliche Spektrum der weiteren Vorträge. Prof. Dr. Matthias Stoll, Hannover, gab ein Update zur HIV-Infektion und ging dabei besonders auf die Epidemiologie und die Frühdiagnostik ein. Dr. Jörg Herrmann, Oldenburg, setzte sich mit der ambulanten Versorgung von MRSA-Patienten auseinander, die er als „Katastrophe“ betitelte. Dr. Christian Ude, Darmstadt, gab einen kritischen Überblick über den Einsatz von Phytopharmaka bei Atemwegsinfektionen. Schließlich beschrieb Prof. Dr. Carl-Peter Criée, Bovenden, aus der Sicht eines Leitlinienautors die leitliniengerechte Therapie von Infektionen der Atemwege.
Zum Rahmenprogramm gehörten neben dem gemütlichen „Feierabend am Meer“ ein Sport- und Bewegungsprogramm mit Nordic Walking rund um das Zwischenahner Meer, Pilates und ein Bewegungstraining ohne Geräte. Wie schon bei früheren Fortbildungen in Bad Zwischenahn wurde diese Abwechslung nach dem langen Sitzen im Vortragsraum gern angenommen. Damit bot der Kongress wieder ein insgesamt gelungenes Tagungswochenende. |
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