Recht

Nicht immer Schmerzensgeld bei Mobbing, vor allem keine 893.000 Euro

Überzogene Forderung schlägt mit 30.000 Euro Gebühren zu Buche

(bü). Rund 30.000 Euro an Gerichts- und Anwaltskosten kostet eine Diplom-Ökonomin im öffentlichen Dienst die Klage gegen ihren Arbeitgeber (eine Stadtverwaltung) auf Schmerzensgeld, die sie wegen "Mobbings" angestrengt hatte. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf wies ihre Forderung zurück. (Az.: 17 Sa 602/12)

Die Frau forderte knapp 893.000 Euro für erlittene Schmach während ihres Dienstes und wollte mit der Höhe der Forderung "ein Zeichen setzen". Nach Ansicht der Richter habe die Frau aber nichts dazu beigetragen, den von ihr als sehr belastend empfundenen Konflikt im Betrieb zu entschärfen. Es wertete die von der Angestellten eingebrachten Fälle nicht als "systematisches Mobbing".

Sie behauptete, durch ihre Vorgesetzten jahrelang schikaniert worden zu sein; etwa dadurch, dass ihr Schulungen verweigert worden seien und sie mit einem Sonderauftrag an eine neun Kilometer weit entfernte Einsatzstelle "entsorgt" werden sollte. Das Gericht entschied jedoch, dass es sich bei dem Arbeitsverhältnis um eine im Arbeitsleben übliche Konfliktsituation gehandelt habe. So habe der Arbeitgeber beispielsweise schlüssig argumentiert, dass die geforderten Schulungen das Fortbildungsbudget erheblich überschritten hätten und weitere Anforderungen an die Mitarbeiterin – wie das Führen eines Abwesenheitsbuches – auch andere Mitarbeiter in der Revision betrafen. Negativ für die angeblich Gemobbte sei auch die Tatsache gewesen, dass sie nicht an einer Mediation habe teilnehmen wollen.

Eine Auswahl weiterer Entscheidungen:


Mobbing muss der Arbeitnehmer schon eindeutig definieren. Grundsätzlich muss ein Arbeitgeber seine Beschäftigten vor "Mobbing" durch Vorgesetzte oder andere Personen schützen, auf die der Brötchengeber Einfluss nehmen kann. Verletzt er diese Möglichkeit, so kann ein Arbeitnehmer, der sich von seinem Chef diesbezüglich nicht ausreichend geschützt fühlt, seine Arbeitsleistung zurückbehalten – ohne, dass ihm Sanktionen drohen. Allerdings muss er dazu "klar und eindeutig mitteilen", welchen konkreten Anfeindungen, Drohungen oder Beleidigungen er sich ausgesetzt sieht. Denn nur dann könne ihn sein Arbeitgeber erfolgreich "abschirmen". Pauschale Behauptungen dagegen bringen weder ein Zurückbehaltungsrecht der Arbeit – noch einen wirksamen Schutz. (BAG, 2 AZR 88/07)


Wer den Arbeitgeber bei den Arbeitsstunden betrügt, darf sich nicht auf Mobbing berufen. Schreibt ein Mitarbeiter seinem Arbeitgeber mehrfach Arbeitsstunden auf, die er nicht geleistet hat, so kann ihm fristlos gekündigt werden. Der Chef muss auch in diesem Punkt darauf vertrauen können, nicht betrogen zu werden. Hier verfügte die Abteilung eines Großbetriebes nicht über eine Stempeluhr – die Arbeitnehmer dokumentierten handschriftlich ihre Arbeitszeit. Einer Mitarbeiterin konnte nachgewiesen werden, dass sie an mehreren Tagen Zeiten notiert hatte, obwohl sie gar nicht am Arbeitsplatz war, an anderen erschienen Arbeitszeiten, die um jeweils 30 Minuten unterschritten worden waren. Vor Gericht trug sie unter anderem vor, dass sie nicht bewusst geschummelt habe; sie sei wegen Mobbings unkonzentriert gewesen. (LAG Rheinland-Pfalz, 10 Sa 270/12)


Mobbing geht die Berufsgenossenschaft nichts an. Ein Arbeitnehmer, der wegen Mobbings am Arbeitsplatz erkrankt, hat keinen Anspruch auf Zahlungen durch die Berufsgenossenschaft. Das hat das Hessische Landessozialgericht in einem Fall entschieden, in dem sich eine Arbeitnehmerin an ihrem Arbeitsplatz gemobbt fühlte, weil über ihre Person negative Gerüchte verbreitet wurden. Sie musste in therapeutische Behandlung und beantragte Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Schließlich seien die Gesundheitsstörungen im Rahmen ihrer Berufstätigkeit aufgetreten. Weder die Unfallkasse noch das Gericht sahen das ebenso. Gesundheitliche Beeinträchtigungen, die auf Mobbing im Arbeitsverhältnis zurückzuführen sind, seien keine anerkannten Berufskrankheiten. Weil keine Erkenntnisse darüber vorliegen, dass eine bestimmte Berufsgruppe bei ihrer Tätigkeit in weitaus höherem Maße als die übrige Bevölkerung dem Mobbing ausgesetzt ist, können die Folgen auch nicht "wie eine Berufskrankheit" anerkannt werden. (Hessisches LSG, L 3 U 199/11)


Dauerstreit unter Kollegen ist kein Mobbing. Nachdem es mit der Stelle als Chefarzt nicht geklappt hatte und sein Kollege die Stelle bekam, stimmte zwischen den Medizinern die "Chemie" nicht mehr. In der Folgezeit kam es regelmäßig zu Konflikten – mit der Folge, dass sich der Ex-Bewerber in psychiatrische Behandlung begab. In seiner Klage vor dem Landesarbeitsgericht Hamm gab er an, dass er von seinem neuen Vorgesetzten gemobbt worden sei, und er verlangte von ihm für die erlittenen Einkommenseinbußen Schadenersatz in Höhe von 500.000 Euro. Die Richter kamen hingegen in ihrer Beweisaufnahme zu dem Ergebnis, dass in keinem von dem "Mobbing-Opfer" genannten Fällen die Grenzen eines sozial- und rechtsadäquaten Verhaltens überschritten worden seien. Die Zahlung eines Schmerzensgeldes sei jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn die Würde eines Menschen durch Anfeindung, Einschüchterung, Erniedrigung oder Beleidigung verletzt werde, in diesem Falle sei der Rahmen der am Arbeitsplatz üblichen Auseinandersetzungen aber nicht überschritten worden. (LAG Hamm, 11 Sa 722/10)


Auch viele Abmahnungen sind (noch) kein Mobbing. Auch wenn ein Arbeitgeber einen Mitarbeiter immer wieder wegen verschiedener "Delikte" abmahnt, ist das noch kein Beweis für Mobbing. Der Arbeitnehmer kann kein Schmerzensgeld verlangen, wenn er dem Brötchengeber nicht nachweist, dass die Motive für die jeweiligen Abmahnungen verwerflich waren. Das gelte auch dann, wenn sich einzelne Abmahnungen im Nachhinein als unwirksam erweisen. Im Prinzip hat der Arbeitgeber lediglich "ihm zustehende Rechte" ausgeübt. (LAG Schleswig-Holstein, 6 Sa 256/09)


"Mobbing" nur behaupten genügt nicht – Details müssen auf den Tisch. Eine Arbeitnehmerin hat zwar das Recht, per Klage gerichtlich prüfen zu lassen, ob sie berechtigt ist, ihre Arbeitsleistung zurückzubehalten, weil sie sich im Betrieb ihres Arbeitgebers "gemobbt" fühlt. Doch genügen dafür nicht pauschale Angaben. Das Bundesarbeitsgericht fordert, dass die Frau "konkrete Tatsachen" angeben muss, aus denen sie die Mobbingsituation ableitet, "das heißt, welche Umstände ihrer Arbeit oder welche Handlungen oder Äußerungen ihrer Vorgesetzten oder Arbeitskollegen sie als ‚Mobbing‘ betrachtet". So hätte sie angeben müssen, "mit welchen Vorgesetzten oder Mitarbeitern sie nicht mehr zusammenarbeiten" könne oder mit welchen Tätigkeiten sie nicht mehr betraut werden dürfe. (BAG, 9 AZR 557/06)


"Verbale Entgleisungen" sind (noch) kein "Mobbing". Wird ein Arbeitnehmer durch "verbale Entgleisungen" seines Vorgesetzten insofern gestresst, als seine Arbeitsergebnisse beanstandet oder er zu "schnellerer Arbeit" animiert werden soll, so heißt das nicht, dass er in der Firma "gemobbt" wird. Dies dann nicht, wenn er keinen konkreten Fall vortragen kann, der eine "Schikane durch bestimmte Arbeitsanweisungen" belegt hätte. Das Landesarbeitsgericht Köln: "Die Grenze von einem sozialadäquaten Arbeitsplatzkonflikt zu einem Mobbingverhalten wird durch arbeitsbezogene Äußerungen noch nicht überschritten. Kennzeichen für ein Mobbing, das einen Schadenersatz begründen kann, ist vielmehr ein ‚systematisches Verhalten des Schädigers, bei dem eine bestimmte Person fortgesetzt, bewusst und zielgerichtet angefeindet oder schikaniert wird‘". Dem Gericht genügte die einzige konkrete Beanstandung nicht, nach der ihm anlässlich einer amtlichen Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten angedroht worden sei "Ich mach dich fertig, dass du von selber gehst!". (Az.: 7 Sa 857/08)



AZ 2013, Nr. 15, S. 7

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