Arzneimittel und Therapie

Rezidivprophylaxe der Schizophrenie: Atypika vermeiden sekundäre Negativ-Sympto

Die meisten Patienten mit einer Schizophrenie benötigen langfristig eine medikamentöse Rezidivprophylaxe. Typische Neuroleptika können durch komplette Blockade der Dopaminwirkung eine Negativ-Symptomatik induzieren, nicht dagegen Atypika: Sie zeigen besonders in der Rezidivprophylaxe ein günstiges Wirkprofil.

Schizophrenie ist keine seltene Erkrankung: Die Prävalenz liegt bei etwa 1%, die Inzidenz bei 15 bis 20 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner im Jahr. Männer erkranken in der Regel zwischen dem 18. und 35. Lebensjahr, Frauen eher etwas später. Neuroleptika und Benzodiazepine werden in der Akutsituation meist mit Erfolg eingesetzt. Doch das Rezidivrisiko ist hoch. Ohne medikamentöse Prävention wird die Ein-Jahres-Rezidivrate nach der ersten schizophrenen Psychose mit 60 bis 80% angegeben. Die Folgen sind weitreichend, denn ein Rezidiv beeinträchtigt die Lebensqualität nicht nur in der Akutsituation. Vielmehr gilt die Zahl der Rezidive als direkter Prädiktor für die Prognose. Die Zeit, bis der Patient sich wieder erholt, wird nach jedem weiteren Rezidiv länger. Auch die Gesamtprognose verschlechtert sich mit jedem Rezidiv. Mit einer effektiven Rezidivprophylaxe lässt sich dieses Risiko deutlich reduzieren. Grundsätzlich möglich ist der Einsatz typischer und atypischer Neuroleptika. In den aktuellen S3-Leitlinien zur Behandlung der Schizophrenie werden jedoch die atypischen Neuroleptika, wie beispielsweise Risperidon als besonders günstig bewertet. Hervorgehoben werden die überlegene rezidivprophylaktische Wirkung sowie der günstigere Einfluss auf Kognition und Negativ-Symptomatik. Als weiterer entscheidender Vorteil von Atypika gilt zudem das geringere Risiko für Spätdyskinesien.

Hypodopaminergen Zustand vermeiden

Genauer unter die Lupe genommen wurde der Effekt von Typika und Atypika auf die Negativ-Symptomatik der Schizophrenie, also auf das Ausmaß an Depression, Apathie und Anhedonie. Denn typische Neuroleptika verstärken bei schizophrenen Patienten die Negativ-Symptomatik, während Aypika sich eher günstig auswirken. Einfach erklären lässt sich dieser Unterschied durch den Blick auf das hirn–eigene Reward- oder Belohnungssystem: Bei schizophrenen Patienten liegt eine Dysfunktion der striären dopaminergen Neurotransmission vor, die zu einem phasischen hyperdopaminergen Zustand führt. Das Rewardsystem, dessen Kernbereich im ventralen Striatum liegt, wird davon besonders beeinflusst. Sind die Dopaminkonzentrationen pathologisch erhöht, kommt es zu einer Überflutung des Systems.

Schließlich bricht es zusammen, es kommt zur Psychose. Umgekehrt entwickeln schizophrene Patienten die typische Negativ-Symptomatik, wenn es an Dopamin mangelt. Genau das aber ist die Problematik typischer Neuroleptika: Sie blockieren die Dopamin-2-Rezeptoren komplett und induzieren so einen hypodopaminergen Zustand. Das Rewardsystem wird Schach matt gesetzt. Entsprechend sind die Konsequenzen: Depressionen bei bis zu 60% der Patienten sowie Verlust von Antrieb und Motivation. Unter der Therapie mit einem Atypikum, das die Dopaminwirkung nicht komplett inhibiert, bleibt dagegen ein Grundtonus des Belohnungssystems erhalten. Eine Negativ-Symptomatik wird nicht induziert. Als besonders günstig gilt hier die Depotform des Atypikums Risperidon (Risperdal® Consta®), da die konstanten Plasmaspiegel für einen kontinuierlichen stabilen Grundtonus sorgen. Untersuchungen, die die Aktivierbarkeit des Rewardsystems unter Typika und Atypika prüften, zeigten nachweislich, dass typische Neuroleptika das Belohnungssystem lahm legen, nicht dagegen atypische Neuroleptika. Bei Patienten, die von einem Typikum auf Risperidon umgestellt wurden, war das Rewardsystems nach einigen Wochen ähnlich aktivierbar wie bei gesunden Kontrollpersonen.

Atypikum in Depotform: Kontinuität der Langzeittherapie gesichert

Risperidon steht derzeit als einziges Atypikum in Depotform zur Verfügung. Durch die intramuskuläre Injektion und die kontinuierliche Freisetzung des Wirkstoffs über zwei Wochen wird der hepatische First-pass-Metabolismus vermieden, ebenso wie starke Spiegelschwankungen. Als besonders günstig bewerten die S3-Leitlinien bei Depotformen die gesicherte Applikation, die eine Kontinuität der Langzeittherapie garantiert. Besonders empfohlen wird die Depottherapie deshalb bei Patienten, bei denen eine regelmäßige orale antipsychotische Medikation nicht sichergestellt ist, oder wenn die Depotapplikation vom Patienten gewünscht wird.

40% der Patienten offen für die Depottherapie

Dass die Depottherapie bei schizophrenen Patienten durchaus Akzeptanz findet, zeigte die FAME-I-Studie, eine prospektive longitudinale Untersuchung, die unter anderem die Einstellung von 300 schizophrenen Patienten zur Pharmakotherapie untersuchte. Für immerhin ein Viertel der schizophrenen Patienten war die Depottherapie erste Wahl, weitere 16% standen ihr offen gegenüber. Besonders günstig bewerteten diejenigen Patienten die Depottherapie, die bereits Erfahrungen damit hatten. 55% sprachen sich hier für diese Form der Behandlung aus.

Apothekerin Dr. Beate Fessler

Kompetente Hilfe

Umfassende Informationen zum Thema Schizophrenie für Betroffenen, ihre Angehörigen und auch für Fachpersonal findet sich auf den Seiten des Kompetenznetzes Schizophrenie, dessen Anliegen die Schaffung der wissenschaftlichen Voraussetzungen zur Optimierung der Prävention, Akut- und Langzeitbehandlung sowie der Rehabilitation schizophrener Erkrankungen ist. www.kompetenznetz-schizophrenie.de

"Über 40% der schizophrenen Patienten stehen einer Depottherapie grundsätzlich positiv gegenüber. " Priv.-Doz. Dr. Frank-Gerald, Bernhard Pajonk, Homburg

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