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Frankfurter Rundschau Ausgabe vom 20. März 2003
"Nichts liegt näher: Ihre Apotheke" steht groß auf der Stirnwand im fensterlosen Saal des Berliner Congress Centrums ICC. Wahrscheinlich ahnt Hans-Günter Friese nicht, wie zutreffend der Slogan hinter seinem Rednerpult im Wortsinn ist. Wer das Messegelände verlässt, findet im Umkreis von 2 km nicht weniger als 26 Apotheken. Wesentlich schwieriger als Pillen und Salben sind für die Bewohner rund um den Funkturm Penunzen und Scheine zu beschaffen. Nur zehn Geldautomaten haben Banken und Sparkassen in dem selben Areal aufgestellt.
Das kann Apothekerpräsident Friese in dem bunkerähnlichen Saal nicht sehen. Und so breitet er auf dem Verbandstag ein pathetisches Untergangsszenario aus, das die Herzen der 1000 Zuhörer gleichermaßen ängstigt und wärmt. Nicht nur ein ganzer Berufsstand ist demnach in seiner Existenz gefährdet. Nein: es droht das "Aus für die wohnortnahe Arzneiversorgung", die "gemeinwohlorientierte Tätigkeit" der Pharmazeuten, die "auf Dauer angelegte Vertrauensbeziehung zum Patienten" – kurz: der "Verlust von Menschlichkeit und direkter Zuwendung".
Süddeutsche Zeitung, Ausgabe vom 20. März 2003
Die Tomaten fehlen. Und die Eier auch. Dabei sah sie mancher schon fliegen. Auf Ulla Schmidt. Die Gesundheitsministerin hat sich auf dem Apothekertag in Berlin angesagt, und bei vielen dieser Zunft ist sie der Top-Hit unter den Feindbildern. Der Apotheken-Pressesprecher hatte Ruppigkeiten befürchtet, ohne aber genauer zu werden und kurz die engagierten Bodyguards erwähnt. Die Truppe muss später freilich nicht eingreifen, von Proteststimmung ist im Saal 2 des Berliner ICC zunächst wenig zu spüren. In der weitläufigen Halle hängt ein einzelnes Plakat an einer Balustrade; zwei rot-grüne Blitze schlagen in dieses Apothekerlogo ein, darunter glänzt ein Umriss Deutschlands, schwarz-rot-gold gestreift. Pop-Art auf pharmazeutisch. Als Ulla Schmidt zur Rednertribüne hinaufsteigt klatschen zaghaft einige der etwa 1000 Delegierten. ...
Die Zuhörer klatschen selten während ihrer Rede ... Nur beim CSU-Gesundheitsexperten Horst Seehofer ist das anders: ihm gewähren die Apotheker Standing Ovations, was wenig verwundert. Zuvor hat er sich als politischer Weihnachtsmann geoutet. Weg mit den rot-grünen Gesetzen und Erhalt der Apothekerprivilegien, war seine Botschaft. Nicht-Regieren kann so einfach sein.
Tagesspiegel, Ausgabe vom 20. März 2003
Es wird Zeit, dass die Apotheker sich entscheiden. Entweder sie betrachten sich als freie Unternehmer und setzen sich auch dann dem Wettbewerb aus; oder sie definieren sich – wie Beamte – als geschützter Berufsstand. Dann können sie von der Regierung fordern, vor dem Wettbewerb abgeschirmt zu werden, müssen aber auch bestimmte Regeln in Kauf nehmen. Darum passt es auch schlecht zusammen, dass die Apotheker, wie gestern auf ihrem "Krisengipfel" in Berlin geschehen, zum einen "mehr Luft zum Atmen" fordern – "auch im wirtschaftlichen Bereich" – und gleichzeitig die Gesundheitsministerin auffordern, sie vor dem Versandhandel mit Arzneimitteln zu bewahren, den Ulla Schmidt künftig in Deutschland zulassen will.
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