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- DAZ 29/2002
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Rechtsprechung aktuell
Keine generelle Fahruntüchtigkeit bei gelegentlichem Cannabiskonsum
Zwei Fälle lagen den Bundesverfassungsrichtern vor: In einer der beiden am 12. Juli veröffentlichten Entscheidungen kam das Gericht zu dem Schluss, dass der Führerscheinentzug nicht mit dem Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit, die auch die Freiheit des Führens von Kraftfahrzeugen einschließt, vereinbar sei.
In diesem Fall wurden beim Beschwerdeführer 1994 bei einer Polizeikontrolle an der niederländisch-deutschen Grenze fünf Gramm Haschisch gefunden. In der Folge gab die Heimatstadt des Beschwerdeführers diesem auf, sich innerhalb von drei Tagen einem Drogentest zu unterziehen – im Falle der Weigerung wurde der Entzug der Fahrerlaubnis angedroht. Der Beschwerdeführer kam der Aufforderung nicht nach. Die Behörde entzog ihm daraufhin die Fahrerlaubnis mit der Begründung, das bei ihm gefundene Haschisch gebe Anlass zu erheblichen Bedenken gegen seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen.
Seine Weigerung, das von ihm geforderte fachärztliche Gutachten beizubringen, lasse darauf schließen, dass er Drogenkonsum verbergen wolle und rechtfertige bereits für sich allein den Schluss auf die mangelnde Kraftfahreignung. Die vom Betroffenen eingelegten Rechtsmittel blieben erfolglos. Erst das Bundesverfassungsgericht gab ihm recht und hob die Entziehung der Fahrerlaubnis bezogenen Behörden- und Gerichtsentscheidungen auf.
Dazu führten die Bundesverfassungsrichter aus: Nach dem Straßenverkehrsgesetz ist eine Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Erlaubnisinhaber zum Führen von Kraftfahrzeugen als ungeeignet erweist. Bei hinreichendem Verdacht des Vorliegens erheblicher Eignungsmängel ist die zuständige Behörde ermächtigt, dem Erlaubnisinhaber aufzugeben, bestimmte Gutachten über seine Kraftfahreignung beizubringen. Die Missachtung dieser Anordnung hat regelmäßig die Entziehung der Fahrerlaubnis zur Folge.
Gelegenheitskonsum außerhalb des Straßenverkehrs nicht ausreichend
Im vorliegenden Fall sei der Fahrerlaubnisentzug jedoch als Eingriff in die Handlungsfreiheit verfassungswidrig gewesen, weil er in keinem angemessenen Verhältnis zum Ausmaß der Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs stand, so die Richter. Es fehlte nämlich als Grundlage der Überprüfung der Fahreignung ein hinreichender Tatverdacht, der einen Eignungsmangel nahe legte. Die Kammer gehe vielmehr davon aus, dass der einmalige oder nur gelegentliche Cannabiskonsum ohne Bezug zum Straßenverkehr für sich allein kein hinreichendes Verdachtselement bilde.
Grundlage für diese Einschätzung waren eine Reihe fachlicher Stellungnahmen und gutachtlicher Äußerungen zu den Wirkungen des Konsums von Cannabis, Alkohol und anderen bewusstseinsverändernder Substanzen, die das Gericht eingeholt hatte. Diese kamen zu dem Schluss, dass der Konsum von Cannabis die Fahreignung grundsätzlich ausschließen könne.
Nach heutiger Erkenntnis sei aber regelmäßig nicht zu befürchten, dass der einmalige oder gelegentliche Konsum von Haschisch die körperlich-geistige Leistungsfähigkeit der Betroffenen anhaltend und in fahreignungsrelevanter Weise absenke. In diesen Fällen sei es auch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Cannabis-Konsument eine drogenbedingte zeitweilige Fahruntüchtigkeit nicht rechtzeitig erkennen könne.
Aber bei konkretem Verdacht des Konsums im Straßenverkehr ...
Bei einer solchen Sachlage dürfe die Fahrerlaubnis nicht allein auf der Grundlage des einmalig festgestellten Haschischbesitzes und der Weigerung, am Drogenscreening teilzunehmen, entzogen werden, so die Richter. Sie betonten aber, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken an einer Fahreignungsprüfung bestehen, wenn über den bloßen Besitz von Cannabis hinaus konkrete Verdachtsmomente dafür ermittelt worden sind, dass der Betroffene den Konsum von Cannabis und die aktive Teilnahme am Straßenverkehr nicht zuverlässig zu trennen vermag oder zu trennen bereit ist.
Dann könne weiterhin die aktive Mitwirkung des Fahrerlaubnisinhabers verlangt und dürfe die Weigerung zum Nachteil des Betroffenen gewürdigt werden. So verhielt es sich in dem anderen den Bundesverfassungsrichtern vorliegenden Fall: Hier hatte die Polizei nicht nur Cannabisbesitz festgestellt, sondern auch die Reste eines mit Haschisch versetzten Joints im Aschenbecher des Fahrzeugs gefunden. Dieser Fall wurde nicht zur Entscheidung angenommen.
Drogenbeauftragte: Rechtslage inzwischen verändert
Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marion Caspers-Merk, erklärte zu den höchstrichterlichen Entscheidungen, dass nun noch näher geprüft werden müsse, ob die stattgegebene Entscheidung, die sich noch auf die alte Rechtslage beziehe, Auswirkungen auf die neue zum 1. Januar 1999 in Kraft getretene Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) habe.
Nach dieser Verordnung seien die Anlässe für eine Untersuchung im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln nunmehr ausdrücklich geregelt. So könne die Behörde die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens anordnen, wenn der Fahrerlaubnisinhaber Betäubungsmittel widerrechtlich besitzt oder besessen hat, unabhängig davon, ob er dabei am Straßenverkehr teilgenommen hat. Die Anordnung einer Untersuchung werde aber nicht zwingend vorgeschrieben, sodass im Einzelfall dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung getragen werden könne.
Weiterhin, so Caspers-Merk, habe sich das Bundesverfassungsgericht ausführlich mit den Gefahren des Cannabiskonsums und der gleichzeitigen Teilnahme am Straßenverkehr auseinandergesetzt und damit die Haltung der Bundesregierung bestätigt: "Cannabiskonsum beeinträchtigt erheblich die körperlich-geistigen Fähigkeiten. Wir wollen weder alkoholisierte noch bekiffte Autofahrer auf unseren Straßen", so die Drogenbeauftragte.
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