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- DAZ 29/2002
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Die Seite 3
Kaum ein Thema in den letzten Jahren, das so viel für Diskussion unter Apothekerinnen und Apothekern und unter gesundheitspolitisch Interessierten gesorgt hat wie die Frage, ob ein Versandhandel mit Arzneimitteln in Deutschland eingeführt werden soll bzw. darf oder nicht. Während das Bundesgesundheitsministerium und die Krankenkassen sich deutlich für den Arzneiversand aussprechen, kämpfen die deutschen Apothekerinnen und Apotheker – mit Ausnahme einer Handvoll von "Abtrünnigen", die ihr Heil im Versandhandel sehen – vehement gegen das Versenden von Arzneimitteln.
Das Ministerium beruft sich darauf, dass der Versandhandel in Deutschland vermutlich zugelassen werden muss aufgrund eines erwarteten EuGH-Urteils und man daher darauf vorbereitet sein sollte, außerdem werden Vorteile für die Patienten erwartet, die Krankenkassen sehen dagegen ein Einsparpotenzial von etwa 250 Mio. Euro, wie AOK-Chef Ahrens vor kurzem in einem Interview mit dem AOK-Mediendienst prognostizierte.
Mittlerweile gibt es im Reigen der Pro- und Kontra-Statements eine neue Pro-Versandhandel-Stimme: Die Monopolkommission der Bundesregierung kommt in einem Gutachten zu dem Schluss, dass der Versandhandel mit Arzneimitteln aufgrund der E-Commerce-Richtlinie schon heute in Deutschland rechtmäßig sei. Ich meine, das Gutachten sollte nicht überschätzt werden, es ist eine weitere rechtliche Interpretation, nicht mehr und nicht weniger. Für alle gilt: Erst einmal das ausstehende EuGH-Urteil abwarten, dann wird man klarer sehen.
Unverständlich bei der Versandhandelsdiskussion ist für mich nach wie vor, warum weder Ministerium noch Krankenkassen noch Medien die Folgen der Einführung eines Versandhandels für die Arzneimittelversorgung unserer Bevölkerung sehen. Der Versandhandel wird zur Folge haben, dass letztendlich das Fremd- und Mehrbesitzverbot fällt, Apothekenketten entstehen und natürlich auch die Arzneimittelpreisverordnung keinen Bestand mehr haben kann, da nur bei einer freien Preisbildung Versandapotheken versuchen können, ihren Kunden, den Krankenkassen, niedrigere Preise anzubieten, in der Hoffnung, die Gewinne werden über den Verkauf von großen Arzneimittelmengen realisiert.
Die Folge eines solchen Szenarios wird sein, dass man den Apotheken nicht mehr solche Auflagen machen kann, wie sie heute die Apothekenbetriebsordnung vorschreibt, so zum Beispiel auch den Unterhalt eines Labors oder die Verpflichtung zum Nacht- und Notdienst. Außerdem werden die Apotheken, die sich dann mit Versandapotheken in Konkurrenz befinden, überlegen müssen, ob sie noch Serviceleistungen, die heute gratis angeboten werden, auch weiterhin zum Nulltarif leisten können.
Ich frage mich also, warum die Medien und die Öffentlichkeit nicht verstehen, dass es den Apothekerinnen und Apothekern nicht darum geht, auf Teufel komm raus die bestehenden Strukturen zu erhalten, es geht vielmehr darum, auch in Zukunft Beratung, Information und Dienstleistungen anbieten zu können. Selbstverständlich können sich viele Apotheken vorstellen, wenn es denn sein muss, Päckchen zu versenden oder die Herausforderung mit dem Versandhandel anzunehmen. Aber nur, wenn für Versandapotheken und Präsenzapotheken gleiche Bedingungen gelten und keine einseitige Bevorzugung von Versandapotheken stattfindet, also absolut keine Rosinenpickerei. Wer glaubt das? Ist das realistisch?
Sie finden in dieser Ausgabe verschiedene Beiträge zum Thema Versandhandel in unserer Rubrik "DAZ aktuell": einmal die Sicht des Ministeriums, dann einen Hinweis auf das aktuelle Gutachten der Monopolkommission der Bundesregierung zum Versandhandel und die Meinung des Vorstandsvorsitzenden des AOK-Bundesverbandes Hans-Jürgen Ahrens, außerdem veröffentlichen wir zahlreiche Leserbriefe, adressiert an die Bundesgesundheitsministerin, aus denen die Sorge und die Angst um das Apothekenwesen in Deutschland hervorgehen, wenn der Versandhandel kommt.
Ein weiteres Problem des Arzneiversandhandels, das nur schwer in den Griff zu bekommen ist, sind Arzneimittelfälschungen. Ein Beitrag zu diesem Thema macht auf die Probleme der Arzneimittelversorgung in den Ländern der Dritten Welt aufmerksam, auf Arzneimittelfälschungen, die in diesen Ländern gehandelt werden. Eine wasserdichte Kontrolle, dass solche Arzneimittel nicht auch auf den europäischen Markt gelangen, gibt es nicht.
Vorsicht vor Testkäufen! Reporter des Fernsehsenders SAT 1 wollen in öffentlichen Apotheken fingierte Rezepte vorlegen, um die Umsetzung der Aut-idem-Regelung zu testen. Die Reporter wollen überprüfen, ob sich Deutschlands Apothekerinnen und Apotheker exakt an die Bestimmungen des Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetzes in Sachen aut idem halten.
Zwei weitere interessante Beiträge in unserer Ausgabe: Kölner Wissenschaftler des Instituts für Biochemie an der Deutschen Sporthochschule in Köln haben hohe Dosen von Metandienon, einem Anabolikum, das zu Dopingzwecken missbraucht wird, in Nahrungsergänzungsmitteln gefunden. Die Präparate wurden per Versandhandel von England bestellt. Die Nahrungsergänzungsmittel, die das Anabolikum in hohen Dosen enthalten, können zahlreiche, auch schwerwiegende Nebenwirkungen bei den Anwendern auslösen.
Peter Ditzel
Er kommt, er kommt nicht, er kommt, ...
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