Kundgebung in Hannover

Philippi: Reformgesetz ist „gut gemeint, aber schlecht gemacht“

Hannover - 06.11.2024, 20:15 Uhr

(Foto: DAZ/gbg)

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Rund 500 Menschen kamen am heutigen Mittwoch in Hannover zusammen, um für den Erhalt der flächendeckenden, wohnortsnahen Arzneimittelversorgung durch Apotheken zu protestieren. Unter anderem sprach der niedersächsische Landesgesundheitsminister Andreas Philippi (SPD) zu den Apothekenteams. Er berichtete, dass er bereits seinen Parteikollegen Bundesgesundheitsminister Lauterbach angeschrieben und um eine Anpassung der AMPreisV gebeten habe – also um eine Honorarerhöhung für die Apotheken.

Nach rund einem Jahr demonstrierten heute wieder die Apothekenteams in Hannover. Damals wie heute richtete der niedersächsische Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD) ein Grußwort an die Anwesenden. „Was ist seitdem passiert?“, fragte er. „Zu wenig! Deshalb sind Sie heute wieder hier – und ich auch!“

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Apothekenteams bleiben kämpferisch

Gerade in ländlichen Gebieten sei die Apotheke weit mehr als nur ein Ort für die Abgabe von Arzneimitteln. „Sie ist ein Ort, der Patientinnen und Patienten oftmals als erste Anlaufstelle in gesundheitlichen Fragen dient. Sie ist ein Ort, der niedrigschwelligen, schnellen Hilfe, ein Ort den Bürgerinnen und Bürger durch Nacht- und Notdienste rund um die Uhr an jedem Tag im Jahr aufsuchen können und nicht zuletzt ist die Apotheke auch ein Ort des persönlichen Kontakts und des Vertrauens.“ Damit leisteten Apotheken vor Ort etwas, das weit über die Gesundheitsversorgung hinaus geht.

Das ist auch der Markenkern, das Alleinstellungsmerkmal der Präsenzapotheken in Deutschland: „Gesundheit funktioniert von Mensch zu Mensch“, sagte Philippi. „Versandapotheken können all dies nicht leisten.“ Daher sei es von essentieller Bedeutung, dass das – noch – tragfähige Netz von Apotheken vor Ort in diesem Land erhalten bleibe.

Philippi: Arbeit in Apotheken angemessen vergüten

Der aktuelle Tarifabschluss, der hinter jenen anderer Branchen zurückbleibt, zeige, dass die wirtschaftlichen Kapazitäten der Apotheken ausgeschöpft seien. „Das macht es für junge Menschen natürlich unattraktiv, ins Apothekenwesen einzusteigen“, so der Minister. Es brauche jedoch dringend Nachwuchs im Apothekensystem. „Dazu gehört eben auch, dass die unverzichtbare Arbeit, die dort geleistet wird, angemessen vergütet wird.“

Sein Parteikollege Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach habe erkannt, dass diesbezüglich Handlungsbedarf besteht, und einen Entwurf für ein Apothekenreformgesetz vorgelegt. „Der ist gut gemeint, aber schlecht gemacht“, fasste Philippi zusammen. „Er gefährdet die bewährte Apothekenstruktur und die hochwertige Beratung und Arzneimittelversorgung. Vor allem brauchen wir keine „Apotheke light“, sondern eine schnelle Anpassung des Honorars.“ Um die Situation für die Apotheken kurzfristig zu verbessern, habe sich Philippi mit einem Schreiben an Lauterbach gewandt und ihn gebeten, schnellstmöglich eine Änderung der Arzneimittelpreisverordnung herbeizuführen. Er versprach: „Ich werde mich weiterhin für Sie einsetzen.“

Funke: Klare Worte des Ministers sind „erfreulich“

Seine Worte fanden Anklang unter den Anwesenden – Hessens Kammerpräsidentin Ursula Funke begrüßte gegenüber der DAZ die Haltung des Ministers. „Es war sehr erfreulich, dass Dr. Andreas Philippi sehr klare und eindeutige Worte sowohl zum Thema Honorierung wie auch zur absoluten Notwendigkeit des Apothekers in der Apotheke gefunden hat“, kommentierte Funke. Der Tag zeige, dass auch Kundgebungen ein wichtiges Instrument im politischen Raum seien. „Es ist wichtig, dass wir Apotheker neben den zahlreichen Gesprächen mit Politikern auch öffentlichkeitswirksam auf unsere gravierende Unterfinanzierung aufmerksam machen. Darüber hinaus müssen wir genauso vehement in die Öffentlichkeit tragen, dass Apotheke ohne Apotheker ein absolutes NoGo ist:  Apotheke ohne Apotheker ist wie Arztpraxis ohne Arzt, Flugzeug ohne Pilot, Parlament ohne Abgeordnete.“

Kuhle: FDP wird Apothekenreform weiter blockieren

Auch wenn die Parteien in Deutschland oftmals unterschiedlicher Meinung sind – eines eint sie doch: „Wir wollen eine flächendeckende, hochqualitative Versorgung mit Arzneimitteln“, sagte Konstantin Kuhle, Landesvorsitzender der FDP Niedersachsen, vor den Apothekenteams in Hannover. Doch die Zahl der Apotheken in Deutschland sei inzwischen auf dem niedrigsten Stand seit dem Ende der 1970er Jahre. „Da ist es legitim, die Frage zu stellen: Wie sollen eigentlich flächendeckende Versorgung und qualifizierte Beratung in Zukunft sichergestellt werden?“ Es gebe Bereiche, in denen die Politik durchaus Einfluss habe, und andere, auf die sie keinen Einfluss habe und auch keinen nehmen wolle. „Ein Bereich, in dem wir sehr wohl etwas verändern können, ist die Vergütung“, betonte Kuhle. „Man kann in vielen Punkten unterschiedlicher Meinung sein. Aber in einem hochregulierten Markt wie dem Apothekensystem muss klar sein, dass bei steigenden Kosten die Honorare nicht stagnieren dürfen.“ Daher sei die Politik jetzt in der Verantwortung, das Apothekenhonorar anzupassen, damit die Versorgung in der Fläche gewährleistet bleibe.

Zwar sollen nach dem Entwurf eines Apotheken-Reformgesetzes ab dem Jahr 2027 Deutscher Apothekerverband und GKV-Spitzenverband die Apothekenvergütung alljährlich verhandeln – eine Chance für die Branche, dass sich endlich was bewegt. Das allein reiche jedoch nicht aus, um die Nachteile der Apothekenreform aufzuwiegen. „Denn darin enthalten ist auch die Apotheke ohne Apotheker“, unterstrich Kuhle. Und in dieser Form sei der Entwurf nicht zustimmungsfähig. Daher werde die FDP das Vorhaben weiterhin blockieren. „Denn man kann nicht sagen, der Apotheker soll Freiberufler bleiben – was wir alle miteinander wollen –, und gleichzeitig die Charakteristika des freien Berufes eliminieren.“

Holsten: Es geht um anständige Gesundheitsversorgung

Auch der CDU-Landtagsabgeordnete Eike Holsten sieht die Apotheke ohne Apotheker als die größte Gefahr im Gesetzentwurf aus dem Hause Lauterbach. Aber auch die darin vorgesehene Umverteilung des Apothekenhonorars nannte er als Negativbeispiel für die Inhalte des Entwurfs.

Er warb dafür, die Öffentlichkeit in den Diskurs einzubeziehen. „Denn es geht nicht nur darum, dass Sie und Ihre Mitarbeitenden fair und anständig bezahlt werden, sondern um eine anständige Gesundheitsversorgung für die Menschen, die Sie leisten.“ Auch wenn die geplante Apothekenreform nun wohl nicht mehr kommen wird, animierte Holsten die Apothekenteams, ihre heimischen Bundestagsabgeordneten einzuladen und ihnen die alltäglichen Probleme aufzuzeigen. „Manche haben ja auch ein Interesse daran, in ihrem Wahlkreis ein Direktmandat zu gewinnen“, gab er zu bedenken. Zudem sprach er sich dafür aus, auch in Oldenburg den Studiengang Pharmazie zu etablieren, um dem Nachwuchsmangel in den öffentlichen Apotheken etwas entgegenzusetzen.

Groeneveld:„Man sieht, dass unsere Botschaft in der Politik angekommen ist“

Der Vorsitzende des Landesapothekerverbands Niedersachsen, Berend Groeneveld, zog im Gespräch mit der DAZ ein positives Fazit zum Protest: „Man sieht, dass unsere Botschaft in der Politik angekommen ist“, sagte er im Videointerview mit der Redaktion. „Wichtig für uns ist das Signal an die Bundespolitik, dass wir hier in Niedersachsen geschlossen für unseren Berufsstand kämpfen, mit allen Parteien und mit Unterstützung der Landesregierung.“ Zum Video gelangen Sie hier.


Christina Grünberg (gbg), Apothekerin, Betriebswirtin (IWW), DAZ-Redakteurin
cgruenberg@daz.online


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