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Antidepressiva gegen prämenstruelle Beschwerden in Cochrane-Analyse untersucht

15.10.2024, 07:00 Uhr

Anders als z. B. in Schweden ist hierzulande kein Escitalopram-Präparat für die Behandlung prämenstrueller Störungen zugelassen. (Symbolfoto: walterericsy/AdobeStock)

Anders als z. B. in Schweden ist hierzulande kein Escitalopram-Präparat für die Behandlung prämenstrueller Störungen zugelassen. (Symbolfoto: walterericsy/AdobeStock)


Für die Therapie des prämenstruellen Syndroms (PMS) und dessen schwerer Ausprägung prämenstruelle dysphorische Störung (PMDS) existiert kein etablierter Behandlungsstandard – zu heterogen ist die mögliche Bandbreite an Symptomen und zu unverstanden die zugrunde liegenden Pathomechanismen. Ein aktualisierter Cochrane Review untersuchte nun die Wirksamkeit und Sicherheit von Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI), die bei beiden Erkrankungsformen immer häufiger eingesetzt werden.

Das prämenstruelle Syndrom (PMS) ist ein Symptomkomplex aus inter­individuell variierenden körperlichen und psychischen Beschwerden, die zyklusabhängig innerhalb von 14 Tagen vor der Menstruation auftreten und mit Beginn der Blutung nachlassen.

Eine schwere Form des Syndroms wird als prämenstruelle dysphorische Störung (PMDS) bezeichnet. Diese ist durch eine besonders ausgeprägte psychische Symptomatik gekennzeichnet und geht mit erheblicher Beeinträchtigung im Alltag einher.

Während etwa 15 bis 20% der Frauen im reproduktiven Alter unter einem PMS leiden, sind von einer PMDS rund 3 bis 8% betroffen [1]. Zu den möglichen Symptomen zählen unter anderem Brustspannen, Migräne, Blähbauch, Heißhunger, Reizbarkeit, Schlafstörungen und depressive Verstimmung [2].

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Aufgrund der unklaren Pathogenese (siehe Kasten „Tückisches Progesteron?“), der Heterogenität der Symptome und mangels einer zugelassenen Medikation kann die Behandlung prämenstrueller Störungen nicht nach einem festgelegten Schema erfolgen. Anders als z. B. in Schweden, wo ein Escitalopram-Präparat für die Indikation zugelassen ist, kommen hierzulande verschiedene Therapieoptionen im Off-Label-Use zum Einsatz (siehe Kasten „Probieren, was hilft“).

Tückisches Progesteron?

Als wahrscheinlicher Auslöser für das prämenstruelle Syndrom galt lange Zeit das Sexualhormon Progesteron, das in der zweiten Zyklushälfte, der sogenannten Lutealphase, in steigender Menge vom Gelbkörper (Corpus luteum) produziert wird.

Die Pathomechanismen scheinen jedoch weit komplexer zu sein und auf einem multifaktoriellen Geschehen zu beruhen. Eine maßgebliche Rolle wird dem hormonellen Einfluss auf die serotonerge Aktivität im Gehirn zu­geschrieben. Verringerte Serotonin-Serumkonzentrationen in der Lutealphase konnten bei betroffenen Frauen nachgewiesen werden. Ein episodisch auftretender Serotonin-Mangel könnte in direktem Zusammenhang mit depressionsähnlichen Symptomen und Heißhungerattacken stehen.

Daneben wird auch eine Beteiligung der beiden Progesteron-Metabolite Allo­pregnanolon und Pregnanolon diskutiert. Eine anhaltend hohe Exposition moduliert die Konformation des GABAA-Rezeptors und verringert dadurch seine endogene Ligandensensitivität. Die reduzierte GABA-Wirkung könnte ein wichtiger Faktor bei der Entwicklung von Ängstlichkeit und depressiver Verstimmung sein [2, 3].

Um das Nutzen-Risiko-Profil einer SSRI-Behandlung im Kontext prämenstrueller Symptomatik zu klären, werteten dänische Wissenschaftler nun in einer Metaanalyse 34 randomisierte kontrollierte Studien mit insgesamt 4563 Teilnehmerinnen aus. Diese ergab, dass SSRI die zyklusabhängigen Beschwerden sowohl beim prämen­struellen Syndrom als auch bei der prämenstruellen dysphorischen Störung reduzieren können (Standardized Mean Difference [SMD] = -0,57; 95%-Konfidenzintervall [KI] = -0,72 bis -0,42). Die Evidenzqualität wurde als moderat eingestuft. Dabei erwies sich eine kontinuierliche Einnahme über den gesamten Zyklus als wahrscheinlich wirksamer als eine Gabe, die sich auf die Lutealphase zwischen Eisprung und Menstruationsblutung beschränkt (kontinuierliche Gruppe: SMD = -0,69; 95%-KI = -0,88 bis -0,51, Lutealphasengruppe: SMD = -0,39; 95%-KI = -0,58 bis -0,21). Zu den untersuchten Antidepressiva zählten Fluoxetin, Paroxetin, Sertralin, Citalopram und Escitalopram.

Probieren, was hilft

Während bei milden Symptomen Maßnahmen zur Änderung des Lebensstils wie Sport und Raucherentwöhnung sowie pflanzliche Wirkstoffe wie Vitex agnus-castus zum Einsatz kommen, werden stärkere prämenstruelle Beschwerden mit oralen Kontrazeptiva oder selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern behandelt [2, 3].

Anders als bei der Therapie von Depressionen setzt die Wirksamkeit von SSRI bei prämenstrueller Symptomatik schneller ein. Dies ermöglicht alternativ zur kontinuierlichen Gabe ein zyklisches Dosierschema, das sich z. B. nur auf die Lutealphase beschränkt [1]. Sehr schweren Fällen sind Gonadotropin-Releasing-­Hormon(GnRH)-Analoga vorbehalten. Diese sind gut wirksam. Die verminderte Sekretion hypophysärer Gonado­tropine und die damit einhergehende Unterdrückung der ovariellen Hormonbildung erzeugt jedoch eine iatrogene Menopause. Diese ist mit typischen Wechseljahresbeschwerden und der Entwicklung einer Osteo­porose verbunden und erfordert daher eine zusätzliche prophylaktische Estrogen-Substitution [2, 3].

Unerwünschte Wirkungen traten unter SSRI häufig auf, führten jedoch nicht häufiger zu einem Therapieabbruch. Ein dreifach erhöhtes Risiko konnte für die Nebenwirkungen Übelkeit und Ermüdbarkeit mit moderater Evidenzqualität gezeigt werden.

Die Wissenschaftler halten ein aufklärendes Patientengespräch vor Therapiebeginn für sinnvoll. Die betroffenen Frauen könnten so selbstständig beurteilen, ob mögliche Risiken den individuellen Nutzen überwiegen. Zudem könnten patientenspezifische Dosisanpassungen eine Option sein, um einen Mittelweg aus maximalen erwünschten und minimalen unerwünschten Effekten zu finden. Zukünftige Forschung müsse weiterhin die langfristige Wirksamkeit und Sicherheit von SSRI beim PMS bzw. PMDS klären und sinnvollerweise zwischen den beiden Krankheitsbildern unterscheiden.

Die Autoren empfehlen abschließend, die Ergebnisse des Reviews mit Vorsicht zu interpretieren, da 68% der eingeschlossenen Studien von Pharma­unternehmen finanziert wurden [1].

Literatur

[1] Jespersen C et al. Selective serotonin reuptake inhibitors for premenstrual syndrome and premenstrual dysphoric disorder. Cochrane Database Syst Rev 2024;8(8):CD001396, doi: 10.1002/14651858.CD001396

[2] Nuriyeva R, Bachmann A. Prämenstruelles Syndrom (PMS) und prämenstruelle dysphorische Störung (PMDS). J Gynäkol Endokrinol 2022;25:13-18, doi: 10.1007/s41975-022-00232-4

[3] Haußmann J et al. Prämenstruelles Syndrom und prämenstruelle dysphorische Störung – Übersicht zu Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie. Nervenarzt 2024;95(3):268-274, doi: 10.1007/s00115-024-01625-5


Apothekerin Judith Esch, DAZ-Autorin
redaktion@daz.online


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