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Milch ist nicht gleich Milch

02.10.2024, 12:15 Uhr

Muttermilch ist die beste Nahrung für ein Baby. Wenn eine Mutter nicht stillen kann oder will, sind Fomulanahrungen die Alternative. Kennen Sie sich hier aus? (Foto: evso / AdobeStock)

Muttermilch ist die beste Nahrung für ein Baby. Wenn eine Mutter nicht stillen kann oder will, sind Fomulanahrungen die Alternative. Kennen Sie sich hier aus? (Foto: evso / AdobeStock)


Stillen ist die beste Nahrung für ein Baby. Doch längst nicht alle Frauen, die stillen möchten, können dies über einen längeren Zeitraum. Neben Muttermilch spielt also auch Formulanahrung eine Rolle bei der Ernährung von Babys. Was verbirgt sich hinter dem Begriff, was bietet der Markt und wie kann man Mütter bestmöglich beraten?

Stillen ist die beste Nahrung für ein Baby. Die Zahlen in Deutschland zeigen jedoch: Obwohl 90 % der Frauen vor der Geburt angeben, dass sie ihr Baby stillen möchten, stillen nach Ende des vierten Monats nach der Geburt nur noch etwa 40 %, nach Ende des sechsten Monats nur noch 13 % aller Frauen [1]. Neben Muttermilch spielt also auch Formulanahrung eine Rolle bei der Ernährung von Babys. 

Formulanahrung, auch bekannt als Ersatzmilch für Muttermilch, umfasst die medizinischen Begriffe für Säuglingsnahrung, darunter Anfangsmilch, Folgemilch und die sogenannten Spezialnahrungen für Säuglinge und Kleinkinder.

Dank moderner Forschung und Technik ist es mittlerweile gelungen, Formulanahrung sehr weit an die Bedürfnisse von Säuglingen anzupassen.

Formulanahrung basiert auf der Milch von anderen Säugetieren, meistens Kuhmilch. Damit diese Milch für Säuglinge verträglich ist, wird sie einem aufwendigen industriellen Prozess unterzogen. Folgende Anpassungen werden dabei vorgenommen:

  • Senkung des Proteingehalts auf ein verträgliches Niveau (zwischen 3,3% auf 1,3%).
  • Hinzufügen von Lactose, die dem Säugling als Hauptkohlenhydratquelle dient.
  • Anpassung der Fette durch Zugabe von Ölen, um z. B. den Gehalt an Docosahexaensäure, Linolensäure und Arachidonsäure anzupassen.
  • Anpassung der Gehalte an Vitaminen und Mineralstoffen wie Vitamin C und Eisen.
  • Pasteurisierung, Sterilisation und Trocknung, um schädliche Bakterien abzutöten und die Haltbarkeit zu ver­längern.

Kein 100-prozentiger Ersatz

Trotz dieser Anpassungen und intensiven Bemühungen muss man allerdings bedenken: Muttermilch ist in ihrer Zusammensetzung einzigartig und unnachahmbar. In ihr sind zusätzlich viele wichtige Immunfaktoren und lebende Zellen enthalten, z. B. Leukozyten, IgA-Antikörper sowie Wachstumsfaktoren, Lactoferrin, Lysozym, Nukleotide und komplexe Oligosaccharide, die zu einem Aufbau einer gesunden Darmflora beitragen. Auch wenn Formulanahrung einige dieser Faktoren hinzugefügt werden, kann dadurch die Zusammensetzung und Bioaktivität der Muttermilch nicht erreicht werden. Studien haben klar gezeigt, dass Babys, die mit Muttermilch versorgt werden, stark profitieren [2]:

  • Weniger Klinikaufenthalte in den ersten sechs Lebens­monaten, da das Risiko für Otitis media, Atemwegs- und Magen-Darm-Infekte minimiert wird.
  • Schutz vor Übergewicht, Zahnfehlstellungen und chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.

Vor allem Frühchen profitieren von der besonderen Zusammensetzung von Muttermilch. Menschliche Milch schützt Frühgeborene vor schweren Erkrankungen wie NEC (nekrotisierende Enterokolitis). Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass sich die Ernährung mit Muttermilch positiv auf die Hirnentwicklung auswirkt und in ihr enthaltene Abwehrstoffe vor Infektionen und der Frühgeborenenretinopathie schützen.

Muttermilch ist somit das Mittel der Wahl, um gesunde und auch kranke Kinder zu ernähren. Muttermilchersatzprodukte sollen folglich, wie z. B. im sogenannten WHO-Kodex gefordert, sachgemäß und nur dort, wo es medizinisch begründet ist, eingesetzt werden [3].

Wenn das Stillen nicht klappt

Schon im ersten Trimester der Schwangerschaft entwickelt und differenziert sich das Brustdrüsengewebe der Mutter, um später Milch produzieren zu können. Somit erfüllen 98% aller Frauen die anatomischen Voraussetzungen, um stillen zu können. Lediglich bei etwa 2% der Frauen ist aus genetischen Gründen zu wenig Brustdrüsengewebe angelegt, so dass ein (Voll-)Stillen nicht möglich ist.

Kurz nach der Geburt werden zunächst nur kleine Mengen Muttermilch (bzw. Kolostrum) gebildet. Die Milchmenge baut sich nach und nach auf. Damit die Milchproduktion erfolgreich startet und der Milchfluss zunimmt, ist es wichtig, dass das Baby häufig Kontakt mit der Brust hat, um dort durch Saugen die Milchbildung zu initiieren. Diese sensible Phase nach der Geburt wird jedoch häufig gestört: sei es durch gesundheitliche Gründe, räumliche Trennung von Mutter und Kind sowie fehlende Unterstützung im (medizinischen) Umfeld. Stillen kann dann schwierig oder sogar unmöglich werden.

Muttermilchbanken für Frühchen

Die Gabe von Muttermilch ist für Frühchen besonders wichtig. WHO, Unicef und die Europäische Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung (ESPGHAN) und die Amerikanische Akademie für Kinderheilkunde (AAP) empfehlen die Ernährung mit Spenderinnen-Milch, wenn die Milch der eigenen Mutter nicht ausreicht. Hierfür wurden an rund 50 Kliniken in Deutschland Frauenmilchbanken gegründet. Diese Banken sammeln, testen, pasteurisieren und verteilen gespendete Muttermilch an Babys, die darauf angewiesen sind. Muttermilchbanken sichern so das Überleben zahlreicher Frühgeborener und tragen zu ihrer optimalen Entwicklung bei.

Zufüttern, wenn das Baby nicht gut zunimmt

Manchmal muss in den ersten Tagen nach der Geburt zugefüttert werden, z. B. weil das Baby nicht genug zunimmt. Laut AWMF-Leitlinie zur Betreuung von Neugeborenen in der Geburtsklinik soll auch in solchen Fällen zuerst das Stillmanagement überprüft werden, parallel dazu soll die Mutter mithilfe einer elektrischen Milchpumpe die Milchproduktion ankurbeln [4]. Im ersten Schritt soll dann, wann immer möglich, ein Zufüttern mit der zuvor abgepumpten Muttermilch erfolgen. Als Zufütterungsmethode soll bei Stillwunsch nicht die Flasche zum Einsatz kommen, sondern eine alternative, stillfreundliche Zufütterungsmethoden gewählt werden, z. B. die Gabe von Milch mit Becher, Pipette, Spritze, Löffel, „Finger-feeder“ oder mithilfe eines Brusternährungssets. Erst wenn ein Zufüttern über Muttermilch nicht ausreicht, soll die Ernährung mit Formulanahrung ergänzt werden. Auch in der S3-Leitline zur Allergieprävention wird ausdrücklich erwähnt, dass eine Zufütterung von Kuhmilch-basierter Formulanahrung in den ersten Lebenstagen vermieden werden sollte [5]. Sollte weder Kolostrum der eigenen Mutter noch gespendete Frauenmilch zur Verfügung stehen, wird eine Zufütterung mit einer extensiv hochhydrolysierten Formulanahrung oder einer Formulanahrung auf Basis von reinen Aminosäuren empfohlen, um eine Sensibilisierung auf Kuhmilcheiweiß zu verhindern (z. B. Neocate infant, Aptamil Pregomin AS, Alfamino).

Klassische Babynahrungen

Natürlich gibt es aber auch Mütter, die sich ganz bewusst von Anfang an oder im Laufe der ersten (trubeligen) Wochen gegen das Stillen entscheiden oder bei denen das Stillmanagement nicht gelungen ist. In diesem Fall werden klassische Formulanahrungen eingesetzt. Auf dem Markt sind zahlreiche Babynahrungen für verschiedene Altersstufen und individuelle Bedürfnisse erhältlich. Die Rahmenbedingungen für Formulanahrung sind durch die delegierten Verordnungen (EU) 2016/127 (Anfangs- und Folgenahrungen) und (EU) 2016/128 (Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke) geregelt. Jede Anfangsnahrung muss spezifische Anforderungen bezüglich des Gehalts an Kalorien, Kohlenhydraten, Fetten, Proteinen und der Abwesenheit von Schadstoffen erfüllen. Dadurch wird sichergestellt, dass jede Anfangsnahrung ein Mindestmaß an Nährstoffen bietet und somit die gesunde Entwicklung des Kindes unterstützt. Darüber hinaus legt die Verordnung fest, welche zusätzlichen Inhaltsstoffe wie Pro- und Präbiotika, Arachidonsäure, Taurin oder Nukleotide enthalten sein dürfen. Dies führt dazu, dass nicht alle Formulanahrungen identisch sind und Hersteller innerhalb dieser Rahmenbedingungen Spielraum haben, um ihre Produkte zu differenzieren. Aktuell gibt es etwa 150 verschiedene Säuglingsnahrungen von mindestens 15 verschiedenen Herstellern. Was kann man ab welchem Alter empfehlen?

Säuglingsanfangsnahrung (Pre, 1er)
Säuglingsanfangsnahrung darf ab Geburt eingesetzt werden. Sie wird in die beiden Kategorien „Pre“ und „1er-Nahrung“ unterteilt. Dabei ist Pre-Nahrung der Muttermilch am ähnlichsten. Sie enthält genauso wie Muttermilch als einzige Kohlenhydratquelle Lactose. In „1er-Nahrungen“ dürfen hingegen weitere Kohlenhydrate wie Glucose, Maltose, Maltodextrin oder Stärke zugesetzt sein.

Folgenahrung (2er-/3er- und weitere Nahrung)
Folgenahrungen wie 2er- oder 3er-Nahrung sind in ihrer Zusammensetzung auf das Beikostalter abgestimmt und somit für Babys gedacht, die älter als sechs Monate sind. Im Unterschied zu den Anfangsnahrungen decken sie alleine den Nährstoffbedarf nicht mehr ab. Die Inhaltsstoffe unterscheiden sich deutlich zur natürlichen Muttermilch. Folge­nahrungen können z. B. Zusätze wie Glucose(-sirup), Fruchtpulver (Banane, Apfel, usw.) und Aromastoffe enthalten.

Empfehlung für gesunde Säuglinge

Pre-Nahrung ist die Anfangsnahrung, die dem Vorbild Muttermilch am ähnlichsten ist. Da sich die Zusammensetzung der Kohlenhydrate in der Muttermilch während der Stillzeit nicht ändert, wird auch kein Wechsel der Pre-Nahrung auf 1er- oder Folgenahrung empfohlen. Das Baby kann also von Geburt bis zum Ende der Milchzeit mit Pre-Nahrung ge­füttert werden.

Checkliste für eine gute Formulanahrung

  • Proteingehalt möglichst gering: max. 1,3 g je 100 ml trinkfertiger Anfangsmilch
  • nur Lactose als Kohlenhydrat (keine Stärke und/oder Maltodextrin)
  • mit mittelkettigen, mehrfach ungesättigten Fetten (LC-PUFAs): Docosahexaensäure (DHA) ist vorgeschrieben, Arach­idonsäure (ARA) kann als freiwilliger Zusatz enthalten sein, z. B. in Öl aus Mortierella alpina
  • GOS/FOS/HMO (unverdauliche Ballaststoffe) wahrscheinlich von Vorteil
  • Nukleotide wahrscheinlich von Vorteil

Wenn die Formulanahrung nicht gut vertragen wird

Wenn Eltern das Gefühl haben, dass ihr Baby die Formulanahrung nicht gut verträgt, sollte im ersten Schritt immer die Zubereitung besprochen werden. Durch das korrekte Herstellen kann die Verträglichkeit der Formulanahrung enorm gesteigert werden.

Formulanahrung sollte stets frisch zubereitet und umgehend verwendet werden. Auf jeder Packung Säuglingsmilchnahrung findet sich eine präzise Anleitung für die richtige Zubereitung, die zwingend eingehalten werden muss.

  • Richtig abmessen: Zum Abmessen des Milchpulvers muss der mitgelieferte Messlöffel verwendet werden, der dann entsprechend den Vorgaben auf der Verpackung mit einem Messerrücken abgestrichen wird. Auch die Anzahl der Messlöffel muss eingehalten werden. Eine Überdosierung, z. B. durch Verwendung von einem „Extra-Löffel“ führt zu einem zu hohen Nährstoffgehalt, was den Wasserhaushalt und die Nierenfunktion des Babys beeinträchtigen und zu einer Überfütterung führen kann. Umgekehrt kann die Verwendung von zu wenig Pulver („Sparlöffel“) oder zu viel Wasser dazu führen, dass das Baby nicht ausreichend Kalorien und Nährstoffe erhält.
  • Das richtige Wasser verwenden: Für die Zubereitung sollte ausschließlich frisches Trinkwasser verwendet werden. Um das Standwasser aus der Leitung abfließen zu lassen, soll so lange gewartet werden, bis das Wasser kalt aus dem Hahn kommt. Leitungswasser aus Kupferrohren oder aus Wasserfiltern soll nicht verwendet werden. Ein möglichst kalkarmes Wasser ist von Vorteil, um Verdauungsproblemen vorzubeugen. Alternativ kann abgepacktes Wasser mit dem Hinweis „geeignet zur Zubereitung von Säuglingsnahrung“ verwendet werden.
  • Die richtige Temperatur wählen: Während der Zubereitung der Flasche sollte die Wassertemperatur kontrolliert und auf die Angaben des Etiketts eingestellt werden. Zu hohe Temperaturen können die in der Säuglingsnahrung enthaltenen Nährstoffe schädigen. Zu geringe Temperaturen beeinflussen das Löslichkeitsvermögen der Proteine.
  • Richtig schütteln: Um das feste Milchpulver in eine leicht verdauliche Emulsion zu überführen, muss diese geschüttelt werden. Wie genau und wie oft geschüttelt wird, unterscheidet sich je nach Hersteller und steht auf dem Etikett. Falls beim Schütteln Schaum entsteht, löst sich dieser normalerweise so schnell auf oder verlässt gar nicht erst den Sauger, dass er in der Regel nicht als Ursache für Blähungen bei Babys gilt.
  • Milchmenge beachten: Neugeborene trinken der Magengröße entsprechend nur sehr kleine Mengen. In den ersten Tagen kann der Magen nur etwa 10-30 ml Milch fassen. Nach einem Monat sind es etwa 100 ml und erst nach vier Monaten 170 ml. Entsprechend vertragen Babys viele kleine Portionen (6-10 Mahlzeiten und mehr) besonders gut.

Achtsames Nähren mit der Flasche

Des Weiteren hat es einen großen Einfluss auf die Verträglichkeit, WIE ein Baby gefüttert wird. Das Baby soll beim Füttern mit der Flasche die gleiche Position einnehmen wie beim Stillen: in gemütlicher, aufrechter Position soll das Baby Körperkontakt erfahren. Die Flasche soll waagerecht gehalten und die Oberlippe des Babys mit dem Sauger berührt werden. Das Baby kann dann den Mund selbst öffnen und bestimmen, wann das Füttern startet – und wann es eine Pause braucht. Außerdem sollten Babys nicht weiter gefüttert werden, wenn sie satt sind und den Kopf zur Seite drehen – auch wenn dann Milchreste in der Flasche verworfen werden müssen. Wenn das Baby auf diese zugewandte Art und Weise gefüttert wird, kann es sich entspannen. Der Parasympathikus wird aktiviert, was wiederum die Ver­dauung fördert.

HA-Nahrung – ein Paradigmenwechsel

Die Bezeichnung HA steht für hypo-allergene Nahrung. Durch ein spezielles Herstellungsverfahren werden in diesen Formulanahrungen die Proteine hydrolysierte, also in kleine Eiweißbausteine aufgespalten, die weniger allergen sind. Bei Kindern mit einem erhöhten Allergierisiko aufgrund familiärer Vorbelastung kann eine HA-Formulanahrung verwendet werden. In der Praxis wurde diese Empfehlung oft auf alle Kinder – auch ohne Allergierisiko – übertragen, dafür gibt es jedoch keine Evidenz, wie die neue S3-Leitlinie zur Allergie heraushebt.

Bei Unverträglichkeiten: Fachkraft für mit Formula ernährte Säuglinge hinzuziehen

Wenn Verdauungsprobleme trotz korrekter Zubereitung und Fütterung weiter bestehen bleiben, kann ein Wechsel zu einer anderen Formulanahrung helfen, die mit ihren Zusätzen wie Ballaststoffen und Probiotika die Verdauung des Kindes besser unterstützt. Bei der Auswahl kann eine Fachkraft für Formula ernährte Säuglinge helfen, die einen Überblick über die Vor- und Nachteile der vielen verschiedenen Formulanahrungen hat. Geht es dem Kind weiterhin nicht besser, ist eine detaillierte Diagnostik nötig. Wird eine Lebensmittelunverträglichkeit oder Erkrankung diagnostiziert, kann die Ärztin oder der Arzt eine Spezialnahrung empfehlen.

Spezialnahrungen und ihre Indikationen 

Folgende Probleme kommen bei Formula ernährten Säuglingen häufig vor:

Spucken und Reflux
Wenn Babys nach dem Trinken regelmäßig spucken und dabei weinen, kann es helfen, wenn Formulanahrung verdickt wird. Dazu kann Reisschleim (z. B. Töpfer Bio Trockenreisschleim) oder Johannisbrotkernmehl (z. B. Aptamil Anti-Reflux Andickungsmittel) zum Andicken der bereits verwendeten Formulanahrung verwendet oder eine Spezialnahrung mit dem Zusatz AR (Anti-Reflux) eingesetzt werden (z. B. Beba AR, Bimbosan AR, Hipp AR). Die Verdickung der Nahrung bewirkt eine längere Verweilzeit im Magen-Darm-Trakt und verhindert ungewolltes Aufstoßen und Reizen der Speiseröhre.

Blähung und Verstopfung
Sogenannte Komfortnahrungen sind Spezialnahrungen für Kinder, die nach Verwendung von Formulanahrung unter Koliken, Blähungen und/oder Verstopfung leiden. Häufig enthalten diese Komfortnahrungen wenig oder gar keine Lactose, sondern nutzen leicht verdauliche und resorbier­bare Glucose-Polymere, um eine Lactoseüberladung des Darms zu vermeiden. Auch enthalten sie leicht verdauliche hydrolysierte Proteine. Beispiele sind Aptamil Comfort, Beba Comfort oder Humana Expert AC.

Durchfall
Formula ernährte Babys haben einen sehr weichen, breiigen Stuhl. Kommt es zu einem Infekt, kann aber auch Durchfall auftreten. Dieser ist vor allem an seinem üblen Geruch erkennbar. Die Stuhlkonsistenz kann bei Durchfall wässrig oder schleimig sein. Wird ein Baby mit Formulanahrung ernährt, muss bei Durchfall im Rahmen eines viralen Infekts die Formulanahrung nicht gewechselt werden. Auch das Wasser-Pulver-Verhältnis sollte unbedingt gleich bleiben, um das Baby ausreichend mit Elektrolyten zu versorgen. Parallel dazu kann die Gabe einer Elektrolytlösung (z. B. Oralpädon, Elotrans) in Rücksprache mit dem Kinderarzt erfolgen. Es gibt auch Spezialnahrungen, die für Durchfallerkrankungen gedacht sind, z. B. Humana Reisschleim, Töpfer Reisschleim oder Humana Karottenreisschleim, sowie sogenannte Heilnahrungen, z. B. Humana HN. Diese Nahrungen sind jedoch umstritten. Sie weichen stark von der Zusammensetzung einer Anfangsnahrung ab und enthalten Zusatzstoffe wie Karotten- oder Bananenpulver, die somit ausgerechnet dann eingeführt werden, wenn der Magen-Darm-Trakt ohnehin besonders empfindlich und gereizt ist.

Kuhmilcheiweiß-Allergie
Babys, die an einer Kuhmilcheiweiß-Allergie [6] leiden, können eine Vielzahl von Symptomen aufweisen, die von Bauchschmerzen, Blähungen und Erbrechen bis hin zu blutigen Stühlen reichen, häufig begleitet von einem Hautausschlag. Die Diagnosestellung mithilfe eines allergologisch spezialisierten Kinderarztes kann langwierig sein, da Haut- und Bluttest nicht immer eindeutige Ergebnisse liefern. Gleichzeitig ist schnelles Handeln bei Verdacht auf eine Allergie erforderlich:

In einem ersten Schritt wird stillenden Müttern empfohlen, auf den Verzehr von Milch und Milchprodukten zu verzichten, da die allergieauslösenden Proteine über die Muttermilch übertragen werden können. Oftmals kommt es innerhalb einer Woche zu einer Besserung der Symptome beim Kind. Wenn sie trotz dieser Maßnahme fortbestehen, kann die Ernährung des Säuglings auf eine extensiv hydrolysierte Formulanahrung oder eine Formulanahrung auf reiner Aminosäure-Basis umgestellt werden (z. B. Althera, Aptamil Pepti Syneo, Aptamil Pregomin, Neocate Infant). Durch die Aufspaltung der Proteine in Einzelstücke oder reine Aminosäuren wird das allergische Potenzial stark reduziert, allerdings ändert sich auch der Geschmack deutlich. Formulanahrung mit hydrolysiertem Eiweiß ist oft sehr bitter und wird von Babys nur schwer akzeptiert. Wenn sich die Symptome trotz einer sorgfältigen Eliminationsdiät nicht verbessern, ist eine Allergie gegenüber Kuhmilcheiweiß höchst unwahrscheinlich und es sollte in Absprache mit dem Kinderarzt bzw. der Kinderärztin eine weitere Diagnostik er­folgen.

Gedeihstörungen
Wenn Säuglinge in den ersten Tagen nach der Geburt nicht gut zunehmen, soll wie bereits beschrieben zuerst eine Zufütterung mit Muttermilch erfolgen. Entwickeln Babys darüber hinaus eine Gedeihstörung, kann Milchpulver zur Energiegewinnung mit Maltodextrin (z. B. Nutricia Fantomalt) oder mit extra Fetten (Duocal) angereichert werden. Alternativ kann Infantrini Peptisorb als Trink- oder Sondennahrung zum Aufholen bei Gedeihstörungen verwendet werden. Müssen Frühchen besonders gepäppelt werden, stehen Nährstoffsupplemente zur Verfügung, wie FM 85 oder FMS. Diese werden der (gespendeten) Muttermilch zugegeben. Steht keine Muttermilch zu Verfügung, kann Frühgeborenennahrung verwendet werden, wie Beba oder Alete Frühgeborenennahrung und Aptamil Prematil.

Galactosämie
Eine Galactosämie wird meist im Rahmen des sogenannten Neugeborenen-Screenings innerhalb der ersten 72 Stunden nach der Geburt erkannt. Zur Geburt erscheinen die Babys völlig unauffällig und gesund. Sobald sie jedoch Muttermilch oder Formulanahrung erhalten, können erste Anzeichen auftreten z. B. eine Verfärbung von Haut und Augen, Trinkschwäche oder Erbrechen. Die in Milch enthaltene Lactose ist ein Zweifachzucker, der aus Galactose und Glucose entsteht. Betroffene Kinder können die bei der Aufspaltung von Lactose entstehende Galactose nicht abbauen, so dass sie sich in den Zellen anreichert und Leber und Nieren schädigt. Ohne Behandlung würden viele Säuglinge in den ersten Lebenswochen sterben. Eine frühzeitige Eliminationsdiät von lactose- und galactosehaltigen Lebensmitteln ist die einzige Therapiemöglichkeit. Betroffene Babys müssen unverzüglich abgestillt werden und mit einer galalaktosefreien Säuglingsnahrung auf Sojabasis (z. B. Humana SL oder Töpfer Lactopriv) oder einer hydrolysierten Formulanahrung, z. B. Nutricia Neocate Infant oder Pregomin Milupa, ernährt werden [7].

Spezialnahrungen auf Rezept:

Trink- und Sondennahrungen (medizinische enterale Ernährung) sind Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diäten) und können somit auf Rezept verordnet werden. Nach derzeit gültiger Arzneimittel-Richtlinie werden Trinknahrungen wie ein Arzneimittel verordnet. Sie gelten also nicht als Hilfsmittel und benötigen keine Diagnose auf dem Rezept. Je nach Kasse muss jedoch eine Genehmigung eingeholt werden. Eine Abrechnung mittels E-Rezept ist aktuell noch nicht möglich.

Fazit

Die Ernährung von Säuglingen im ersten Lebensjahr ist ein komplexes Thema, das eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit von Kinderärzten, Geburtshelfern, Stillberaterinnen und Fachkräften für Formula ernährte Säuglinge erfordert. Das gemeinsame Ziel ist, dass Babys optimalerweise mit Muttermilch versorgt werden. Eine verbesserte Betreuung von Müttern in den frühen Tagen nach der Geburt kann dazu beitragen, die Stillquote zu erhöhen. Zugleich ermöglicht fundiertes Wissen rund um Formulanahrungen die adäquate Beratung von Frauen, die nicht (mehr) stillen, sowie von Babys mit besonderen Ernährungsanforderungen. So wird sichergestellt, dass Babys alle notwendigen Nährstoffe für ein gesundes Wachstum erhalten.

Literatur
[1] Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft: Nationale Strategie zur Stillförderung
[2] Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Nationale Stillkommission, Gesund ins Leben https://www.bmel.de/DE/themen/ernaehrung/gesunde-ernaehrung/schwangerschaft-und-baby/stillen.html 3 [3] World Health Organization Geneva, International Code of Marketing of Breast-milk Substitutes, 1981
[4] AWMF-Leitlinie 024-005: Betreuung von Neugeborenen in der Geburtsklinik, 2021
[5] S3-Leitlinie Allergieprävention AWMF-Registernr. 061-016, 2022
[6] Update Leitlinie zum Management IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergien; S2k-Leitline der DGAKI (2021)
[7] Wellin L et al: International clinical guideline for the management of classical galactosemia: diagnosis, treatment, and follow-up (2016)

Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel wurde zuerst am 20. Juni 2024 auf DAZ.online veröffentlicht. 


Clara Steinbrück, Apothekerin


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