Nach Schnelltest

Apotheken in Frankreich dürfen Antibiotika ohne Rezept abgeben

12.07.2024, 14:29 Uhr

Französische Apotheken dürfen bestimmte Antibiotika ohne Rezept abgeben. (Foto: IMAGO / IP3press)

Französische Apotheken dürfen bestimmte Antibiotika ohne Rezept abgeben. (Foto: IMAGO / IP3press)


Antibiotika unterliegen auch in Frankreich eigentlich der Verschreibungspflicht. Doch in Zukunft gibt es dabei Ausnahmen. Zur Behandlung einer Blasenentzündung oder einer Angina dürfen die Apotheken seit Ende Juni künftig auch ohne Rezept vom Arzt Antibiotika abgeben. Voraussetzung ist, dass Patienten zuvor in der Apotheke einen Schnelltest durchführen, der eine bakterielle Infektion nachweist.

Bei Verdacht auf eine Angina dürfen französische Apotheken schon seit 2021 zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse und ohne ärztliche Verschreibung Schnelltests anbieten, bei Verdacht auf eine unkomplizierte Blasenentzündung seit Beginn diesen Jahres. Die Tests sind in Frankreich als „Trod” bekannt (tests rapides d’orientation diagnostique). Die „Trod” sollen dabei helfen, Kosten zu sparen, Ärzte zu entlasten und die unnötige Verschreibung von Antibiotika zu verhindern, um der Entwicklung von Resistenzen vorzubeugen.

Sucht ein Patient mit Halsschmerzen in Frankreich die Apotheke auf, darf diese bei Patienten ab dem Alter von zehn Jahren einen Schnelltest zum Nachweis von A-Streptokokken durchführen. Für den Test wird ein Rachenabstrich genommen und in eine Reaktionsflüssigkeit gegeben. Nach 5 bis 10 Minuten zeigt ein Teststreifen das Ergebnis an. Besteht der Verdacht auf eine Blasenentzündung, dürfen die Apotheken Frauen im Alter zwischen 16 und 65 Jahren eine Urinuntersuchung als Schnelltest anbieten. Der Test schlägt positiv an, wenn Nitrite oder Leukozyten im Urin auf eine bakterielle Infektion hinweisen.

Im Fall eines negativen Testergebnis wird in beiden Fällen von Infektionen ausgegangen, die keiner antibiotischen Behandlung bedürfen und die Apotheke kann Arzneimittel zur symptomatischen Behandlung empfehlen. Bei einem positiven Test konnten Apotheken auch bisher schon ein Antibiotikum abgeben. Aber nur dann, wenn ein Arzt die Patienten zuvor gesehen und ihnen eine „ordonnance conditionnelle” ausgestellt hatte: Ein Art Blanko-Rezept, das bei einem positiven Test automatisch gültig wurde. Ansonsten mussten diese trotz positivem Test zusätzlich einen Arzt aufsuchen, um sich die Arzneimittel verschreiben zu lassen. Dieser Schritt entfällt nun – auch ganz ohne Arztkontakt können Patienten jetzt ein Antibiotikum erhalten.

Welche Antibiotika dürfen abgegeben werden?

Im Fall einer Streptokokken-Angina sind das entweder Amoxicillin, Cefpodoxim, Azithromycin, Clarithromycin, Josamycin oder, bei Erwachsenen, auch Cefuroxim. Bei einer Blasenentzündung dürfen französische Apotheker Fosfomycin trometamol oder Pivmecillinam abgeben. Die Kosten werden von der französischen Krankenkasse übernommen. Das Honorar für die Apotheker beträgt dabei 10 Euro für einen Test ohne anschließende Antibiotika-Abgabe, und 15 Euro für einen Test mit Antibiotika-Abgabe. Wenn ein Apotheker ohne Rezept ein Antibiotikum abgibt, muss er die Testergebnisse und alle Informationen zur Behandlung in die elektronische Patientenakte eintragen. Oder sie, wenn dies nicht möglich ist, an den behandelnden Arzt weiterleiten.

Es gelten einige Einschränkungen. In einer kurzen Anamnese müssen die Apotheker klären, ob die Tests mit anschließender Behandlung für die Patienten wirklich in Frage kommen. So gilt unter anderem eine Schwangerschaft als Ausschlusskriterium, es sollte kein Verdacht auf eine Niereninsuffizienz bestehen, auch bei immunsupprimierten Patienten sollen die Tests nicht durchgeführt werden. Bei einer Angina soll der Test zum Beispiel nicht gemacht werden, wenn die Symptome bereits länger als acht Tage anhalten, bei einer Cystitis sollen Patientinnen mit Rezidiven keine Antibiotika ohne Rezept bekommen.

Zusätzliche Schulungen notwendig

Um die Antibiotika abgeben zu dürfen, müssen Apotheker bereits in der Durchführung der Schnelltests geschult worden sein und eine zusätzliche Schulung von jeweils 4 Stunden Dauer pro Krankheitsbild absolvieren, die ganz oder teilweise online möglich ist. Darin lernen sie auch, in welchen Fällen sie die Diagnostik selbstständig durchführen dürfen und wann sie Patienten zum Arzt schicken sollten.

Im Vorfeld war in Frankreich bereits seit fünf Jahren über die Regelung diskutiert worden, die nun in Kraft getreten ist. Französische Mediziner hatten sich stets dagegen ausgesprochen, Antibiotika zumindest bei Blasen- oder Halsentzündungen ohne Rezept abzugeben. Eine Blasenentzündung könne „alles Mögliche sein, auch ein Krankheitsbild, hinter dem sich etwas Ernstes verbirgt”, hatte zum Beispiel ein Ärztevertreter in einer Parlamentsdebatte argumentiert. Der Apotheker wüssten das jedoch nicht.

Apotheker erwarten Reduktion des Antibiotikaverbrauchs

Philippe Besset, Präsident der Apothekergewerkschaft Fédération des pharmaciens d’officine FSPF, begrüßte im Interview mit „France Info“ hingegen die Neuregelung. Man werde damit dem Bedarf der Patienten gerecht. Diese hätten oft nicht verstanden, warum sie trotz positivem Test erst wieder ins Krankenhaus oder in die Notaufnahme gehen mussten, um die Medikamente zu erhalten die sie brauchten.

Besset sagte auch, er glaube, dass der Test den Antibiotika -Gebrauch reduzieren könne: „Die Tatsache, dass wir einen Test machen müssen, um das Antibiotikum zu erhalten, wird den Verbrauch senken, weil unsere Freunde, die Ärzte nicht immer einen Test machen. Leider gibt es in vielen Fällen virale Halsentzündungen, die mit Antibiotika behandelt werden. Der Test dagegen wird den Verbrauch reduzieren.”


Irene Habich, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Deutschland?

von Stefan Haydn am 12.07.2024 um 18:54 Uhr

In D wird bei Atemwegsinfekten auch gerne kein CRP bestimmt sondern gleich ein Antibiotikum verschrieben.
Gleicht dem Zitat des französischen Kollegen:

"Besset sagte auch, er glaube, dass der Test den Antibiotika -Gebrauch reduzieren könne: „Die Tatsache, dass wir einen Test machen müssen, um das Antibiotikum zu erhalten, wird den Verbrauch senken, weil unsere Freunde, die Ärzte nicht immer einen Test machen. Leider gibt es in vielen Fällen virale Halsentzündungen, die mit Antibiotika behandelt werden. Der Test dagegen wird den Verbrauch reduzieren.”

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