NEUE STIKO-Empfehlung

Passive RSV-Immunisierung für alle Säuglinge im Herbst

27.06.2024, 14:30 Uhr

Respiratorische Synzytial-Viren (RSV) sind die häufigsten Auslöser schwerwiegender Atemwegsinfektionen im Säuglingsalter. Die STIKO empfiehlt nun eine passive Immunisierung mit Nirsevimab für alle Kinder im ersten Lebensjahr. (Symbolfoto: comzeal/AdobeStock)

Respiratorische Synzytial-Viren (RSV) sind die häufigsten Auslöser schwerwiegender Atemwegsinfektionen im Säuglingsalter. Die STIKO empfiehlt nun eine passive Immunisierung mit Nirsevimab für alle Kinder im ersten Lebensjahr. (Symbolfoto: comzeal/AdobeStock)


Eltern von Säuglingen können aufatmen: Die STIKO hat eine Empfehlung zur passiven Immunisierung gegen RS-Viren mit dem monoklonalen Antikörper Nirsevimab (Beyfortus®für alle Säuglinge im ersten Lebensjahr ausgesprochen.

Infektionen mit RS-Viren (Respiratorische Synzytial-Viren) sind die häufigsten Ursachen für schwerwiegende Atemwegsinfektionen in den ersten zwei Lebensjahren. Wie Professor Dr. Johannes Liese, Leiter der pädiatrischen Infektiologie und Immunologie an der Kinderklinik und Poliklinik des Universitätsklinikums Würzburg, in einem Pressegespräch des Science Media Centers erläuterte, erkranken nahezu alle Kinder bis zum Alter von zwei Jahren an einer Infektion der oberen Atemwege mit RS-Viren, bei rund 10 % entsteht infolge eine Infektion der tiefen Atemwege mit einer Bronchitis oder Pneumonie, rund 2 % von ihnen werden hospitalisiert. In Deutschland lagen nach Angaben der STIKO die jährlichen Inzidenzen 2020 bei 14,9 von 1000 Säuglingen, 2021 bei 28,6 von 1000 Säuglingen, die wegen einer RSV-Infektion stationär behandelt wurden. Zwischen 2019 und 2022 sind 13 Säuglinge an den Folgen einer RSV-Infektion verstorben.

Einmalige Gabe von Nirsevimab schützt über die komplette RSV-Saison

Bislang stand mit Palivizumab (Synagis®) lediglich ein monoklonaler Antikörper als Prophylaktikum zur Verfügung, der monatlich appliziert werden muss und nur für Kinder mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf einer RSV-Infektion zugelassen ist. Hierzu zählen frühgeborene Kinder sowie Säuglinge im ersten Lebensjahr, die an bronchopulmonaler Dysplasie, hämodynamisch relevanten Herzfehlern oder Trisomie 21 leiden. Der im Oktober 2023 zugelassene monoklonale Antikörper Nirsevimab (Beyfortus®) hingegen hat eine Zulassung für alle Kinder, also sowohl reif geborene Säuglinge, als auch die bisher definierten Risikogruppen. Da für die RSV-Saison 2023/24 jedoch noch keine Impfempfehlung der STIKO sowie vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) lediglich eine Empfehlung zur Kostenübernahme bei pädiatrischen Risikopatienten vorlag, lag die Kostenübernahme für die Impfung gesunder Säuglinge im Ermessen der einzelnen Krankenkassen.

RSV-Immunisierung auch für gesunde Säuglinge empfohlen

Nun hat die STIKO ihre erstmalige Empfehlung zur RSV-Immunisierung von Säuglingen ausgesprochen und damit den Weg für die standardmäßige Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen geebnet. Demnach sollen alle Säuglinge in ihrer ersten RSV-Saison eine Prophylaxe mit Nirsevimab erhalten. Der Zeitpunkt der passiven Immunisierung hängt dabei vom Zeitpunkt der Geburt ab (s. Abb.): Kinder, die zwischen April und September geboren werden, sollen Nirsevimab im Herbst vor der folgenden RSV-Saison erhalten, konkret zwischen September und November. Neugeborene, die während der RSV-Saison geboren werden, sollen den monoklonalen Antikörper möglichst rasch nach der Geburt, möglichst noch vor der Entlassung aus der Geburtseinrichtung bekommen. Die STIKO schlägt vor, die Immunisierung im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung U2 durchzuführen, die zwischen dem 3. und 10. Lebenstag stattfindet. Wird die Gabe nach diesem Schema verpasst, soll sie schnellstmöglich nachgeholt werden.

Schema der STIKO zur passiven RSV-Immunisierung von Säuglingen: Kinder, die zwischen April und September geboren werden, sollen Nirsevimab im darauffolgenden Herbst zwischen September und November erhalten. Neugeborene, die während der RSV-Saison auf die Welt kommen, sollen möglichst rasch nach der Geburt immunisiert werden [1]. 

Hintergrund dieses ungewöhnlichen Impfschemas ist die Pharmakokinetik von Nirsevimab: Mit einer Halbwertszeit von 96 Tagen wird eine Wirksamkeit von rund 5 Monaten erreicht. Durch die passive Immunisierung aller Säuglinge in den Monaten September bis April wird somit im ersten Lebensjahr ein höchstmöglicher Schutz für jedes Kind in der üblicherweise von Oktober bis April dauernden RSV-Saison erreicht. 

Nirsevimab ist gut verträglich und verhindert Hospitalisierungen

Nirsevimab wird in zwei Dosierungen verabreicht: Kinder unter 5 kg Körpergewicht erhalten 50 mg, Kinder über 5 kg 100 mg des Antikörpers intramuskulär. Außer lokalen Reaktionen wie Schmerzen, Rötung und Schwellung an der Injektionsstelle sind keine relevanten Nebenwirkungen aufgetreten, der Antikörper wird von der STIKO als sehr sicher eingestuft. Nach Daten aus Frankreich, einigen Regionen Spaniens und den USA, wo bereits vor der letzten RSV-Saison eine breite Immunisierung von Säuglingen mit Nirsevimab erfolgte, ist mit einem Rückgang der Hospitalisierungsrate um 70 bis 80 % zu rechnen, kündigte Prof. Liese im Pressegespräch an. 

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Keine Impfempfehlung für Schwangere

2023 wurden auch zwei Impfstoffe zur aktiven Immunisierung gegen RSV-Infektionen zugelassen: Arexvy®, zugelassen für Personen ab 60 Jahren, sowie Abrysvo® mit einer Zulassung für Personen ab 60 Jahren sowie Schwangeren zwischen der 24. und 36. Schwangerschaftswoche. Die maternale Impfung führt zu einem passiven Schutz des Säuglings ab der Geburt.

Dr. Julia Tabatabai, Kinderärztin und STIKO-Mitglied, erläuterte, dass in den Zulassungsstudien zu Abrysvo® ein gehäuftes Auftreten von Frühgeburten bei geimpften Müttern beobachtet worden sei und die Anzahl der Studienteilnehmer aus Sicht der STIKO zu gering war, um dieses Risiko abschließend zu beurteilen. Aufgrund dieser Sicherheitssignale werde die Impfung der Schwangeren zum jetzigen Zeitpunkt nicht von der STIKO empfohlen, zumal es mit mit Beyfortus® bei Säuglingen eine gute und sichere Alternative gebe. Zur Impfung von Senioren über 60 Jahren stellte Tabatabei eine gesonderte Stellungnahme der STIKO in Aussicht.

Literatur: 

[1] Beschluss zur Empfehlung der STIKO zur spezifischen Prophylaxe von RSV-Erkrankungen mit Nirsevimab bei Neugeborenen und Säuglingen in ihrer 1. RSV-Saison. Epidemiologisches Bulletin 26/2024 des Robert-Koch-Instituts, 27. Juni 2024

[2] Empfehlung der Ständigen Impfkommission zur RSV-Immunisierung. Pressegespräch des Science Media Centers, 26. Juni 2024


Dr. Sabine Werner, Apothekerin und Redakteurin
readktion@daz.online


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