Nach diesem Aufschlag diskutierten ABDA-Vize Matthias Arnold, Ute Leonhardt vom Ersatzkassenverband vdek und Marijke Ehlers aus der für Arzneimittel zuständigen Abteilung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) mit Elmar Kroth, Geschäftsführer Wissenschaft des BAH und BAH-Hauptgeschäftsführer Hubertus Cranz. Und sie waren sich weitgehend einig: Die EU-Kommission hat sich mit ihrem Vorschlag zur Rezeptpflicht wirklich sehr weit vorgewagt. Ehlers drückte sich allerdings noch vorsichtig aus. In dem umfangreichen Paket der EU-Kommission sei dies eine der kritisch zu hinterfragenden Regelungen, die derzeit noch geprüft werde. Vom Tisch sei sie noch nicht, so Ehlers, aber man könne zumindest darüber nachdenken, ob man möglicherweise nur systemisch Arzneimittel erfassen will – und keine für die topische Anwendung. Cranz erinnerte daran, dass Karl Broich, Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, bereits deutlichere Worte gefunden hatte. Auch er hatte im Juni gesagt, aus seiner Sicht schieße die Regelung über das Ziel, Antibiotikaresistenzen zu bekämpfen, hinaus.
Leider nicht nur verschrieben
Für Cranz ist es jedenfalls völlig unverständlich, was die Kommission sich bei dieser Regelung dachte. Anfänglich hätten viele gemeint, es handele sich um ein Versehen – man habe statt „antibiotischer“ „antimikrobieller“ Wirkstoff geschrieben. Arnold konnte das nur bestätigen: Sowohl bei der ABDA als auch beim europäischen Apothekerverband PGEU sei man zunächst davon ausgegangen, jemand habe sich verschrieben. Doch so ist es nicht. Auch wenn es im EU-Pharmapaket Vorschläge gibt, die die Apotheken noch mehr drücken: Für diesen speziellen Ansatz hat die ABDA auch kein Verständnis. Arnold zeigte sich überzeugt, dass in Apotheken gut und verantwortungsbewusst beraten wird. Resistenzen seien auch nicht erst seit zwei Jahren ein wichtiges Thema in Fortbildungen für Pharmazeutinnen und Pharmazeuten. Wie groß der Einfluss der Apotheke auf die Kundinnen und Kunden letztlich sei, hänge auch vom jeweiligen Kiez und der persönlichen Bindung ab, sagte der ABDA-Vize. Es gebe auch Kunden, denen nicht leicht zu vermitteln sei, dass sie ein verordnetes Antibiotikum einnehmen sollten - und zwar vollständig – und keine Zuckerkügelchen.
PoC-Tests kein Allheilmittel
Selbst Kassenvertreterin Leonhardt räumte ein, dass die EU-Pläne in dieser Art medizinisch nicht sinnvoll seien. Eine 2-Gramm-Tube unter Rezeptpflicht zu stellen, helfe nicht, Resistenzen zu vermeiden. Sie stellt aber auch klar, dass eine Erstattung von PoC-Tests aus ihrer Sicht kein Allheilmittel ist, das die Kehrtwende einleiten kann. Zum einen seien diese nicht so aussagesicher – anders als Labortests, die schon jetzt auf Kassenkosten möglich seien. Zudem lasse sich aus verschiedenen Projekten zum Thema Antibiotikaresistenzen eher ableiten, dass es helfe, den Patienten etwas „in die Hand“ zu geben. Das könnten konkrete Verhaltenstipps sein, auch der, Geduld mit der Erkrankung zu haben. Kroth räumte ein: Die eine Maßnahme zur Lösung aller Probleme gebe es sicher nicht, aber sinnvoll sei es, an verschiedenen Fäden gleichzeitig zu ziehen. Auf das Ergebnis eines Labortests zu warten, sieht er kritisch – in der Wartezeit werde oft schon mit Antibiotika „antherapiert“. Arnold erklärte zwar, dass die Apotheken sich sicher nicht wehren würden, die PoC-Tests durchzuführen. „Wenn uns jemand sagt, wir sollen das machen, werden wir das auch machen.“ Allerdings sei ein Schnelltest auf Streptokokken nicht so eindeutig wie zum Beispiel ein Coronatest. Es müsse daher in Leitlinien klargestellt werden, wie Apothekerinnen und Apotheker agieren sollen, wenn es zu einem positiven Testergebnis kommen.
Und was ist mit den Engpässen?
Letztlich kam die Runde auch noch auf die Lieferengpässe bei Antibiotika zu sprechen. Leonhardt war bemüht, die Sache mit weniger Aufregung zu sehen. Sie verwies darauf, dass über 99 Prozent der Arzneimittel nicht von einem Engpass betroffen seien. Und es seien in der Regel gerade nicht die Arzneimittel mit Rabattvertrag, die nicht verfügbar seien. Leonhardt zeigte sich keinesfalls überzeugt, dass sich die Probleme automatisch lösen lassen, wenn man die Festbeträge für diese Präparate aufhebt und die Preise erhöht. Arnold wiederum betonte, dass sich fehlende Antibiotika nicht so leicht austauschen ließen wie möglicherweise andere Arzneimittel. Apotheken müssten daher die ganze Palette da haben. Gewisse Hoffnung hatte man angesichts der mit dem Engpassgesetz verankerten flexibleren Austauschregeln. Doch nachdem das Bundesgesundheitsministerium nunmehr im Sinne der Kassen klargestellt hat, dass Apotheken wieder die gesamte Rahmenvertragsabgaberangfolge zu beachten haben, ist für den ABDA-Vize klar: „Das ALBVVG können wir so, wie es ist, in den Mülleimer stecken. Es wird in den Apotheken gar nichts ändern“. Überdies betonte er an die Adresse der Kassen nochmals, dass Antibiotika schließlich keine Dauermedikation sind. Er sei in einer Glaubenskrise, sagte Arnold, wenn er sehe, dass man gerade hier die Sparzitrone noch weiter auspressen wolle. Im Sinne der Patienten sei das wohl kaum - eine nicht behandelte Infektion läuft schließlich weiter.
3 Kommentare
Lüge oder Inkompetenz ?
von ratatosk am 23.11.2023 um 17:47 Uhr
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AW: Lüge oder Inkompetenz
von Kirsten Sucker am 24.11.2023 um 14:38 Uhr
Da ist er wieder ...
von Rainer W. am 17.11.2023 um 14:48 Uhr
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