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Impfen in der Apotheke
Positive Erfahrungen mit niederschwelligem Angebot
In zahlreichen europäischen Ländern gibt es bereits seit vielen Jahren Impfungen in Apotheken. In Deutschland können Apotheker dagegen erst seit vergangenem Jahr gegen Influenza und das Coronavirus impfen. Die ersten Erfahrungen damit sind überwiegend positiv, wie in einer Vortrags- und Diskussionsrunde auf dem 22. Europäischen Gesundheitskongress vergangen Freitag in München deutlich wurde.
Wer hat beim Impfen eigentlich den Hut auf – der Arzt oder der Apotheker? Mit dieser leicht provokanten Frage leitet der Moderator und ehemalige Chefredakteur sowie Herausgeber der Ärzte Zeitung, Wolfgang van den Bergh, auf dem Europäischen Gesundheitskongress in München in die Diskussionsrunde zum Thema „Impfen in der Apotheke“ ein.
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Uwe May, Studiendekan an der Hochschule Fresenius, hat sich zusammen mit seiner Geschäftspartnerin Cosima Bauer dem Thema aus gesundheitsökonomischer Sicht genähert. Im Mittelpunkt der Untersuchung ihrer Unternehmensberatung stand dabei die Frage: Ist Impfen in der Apotheke effizient? Zur Klärung richteten die Beiden den Blick über die deutschen Landesgrenzen und stellten fest, dass in zwölf europäischen Ländern Apotheken bereits seit vielen Jahren mindestens in einer Indikation impfen. In Litauen, Portugal, Großbritannien oder Dänemark dürfen Apotheker sogar gegen drei Indikationen, nämlich Influenza, Pneumokokken und FSME, impfen. Die Zufriedenheit der Patienten, so May, sei dabei meist sehr hoch. Außerdem seien die Impfraten in diesen Ländern überwiegend deutlich angestiegen.
Niederschwelliges Angebot überzeugt
Seit einiger Zeit sind auch hierzulande Apothekenimpfungen gegen Influenza und das Coronavirus möglich. So machte der Deutsche Bundestag im Mai 2022 den Weg frei für Grippeimpfungen in der Apotheke – diese wurde damit Teil der Regelversorgung. Einige Monate zuvor, im Dezember 2021, gab es grünes Licht für Corona-Impfungen in der Apotheke; Bundestag und Bundesrat stimmten für die dafür notwendigen Änderungen des Infektionsschutzgesetzes. Ulrich Grau, Rechtsanwalt der Kanzlei D+B Rechtsanwälte, weist darauf hin, dass impfende Apotheker entsprechend geschult sein müssen und die Impfung nur in der Apotheke durchführen dürfen. Zudem müssen geeignete Räumlichkeiten vorhanden sein.
Die Unternehmensberater Mayr und Bauer haben erste Impf-Erfahrungen in deutschen Apotheken zusammengetragen. So habe sich bei einem Modellprojekt der AOK Rheinland Hamburg und des Apothekerverbandes Nordrhein gezeigt, dass jede fünfte Person erstmalig gegen Grippe geimpft wurde. Von diesen Menschen, so May, hätte sich rund die Hälfte ohne das Apothekenangebot wahrscheinlich nicht impfen lassen. „Da tut sich ein weiterer Pfad für Patienten auf“, so der Gesundheitsökonom.
Die Gründe, warum sich Patienten in der Apotheke impfen ließen, könnten unter dem Überbegriff „niederschwelliges Angebot“ zusammengefasst werden. Konkret schätzten die Kunden die leichte Erreichbarkeit der Apotheke, geringe Wartezeiten und die günstigen Öffnungszeiten. Zudem hätten viele Patienten Vertrauen in die Kompetenz des Apothekers.
Apotheker Hartmann: „Wir laufen über“
Wie Impfen in der Apotheke konkret aussieht, erläutert Stefan Hartmann, selbst impfender Apotheker. Er habe in diesem Jahr damit begonnen und innerhalb von sechs Wochen 106 Grippe- und 155 Covid-Impfungen vorgenommen. Termine würden nur online und im 10-Minuten-Takt vergeben. Hartmann: „Wir sind komplett überlaufen. Das Angebot ist niedrigschwellig, die Leute haben Vertrauen, die kennen mich.“ Mit Blick auf die Ärzteschaft fügt er hinzu: „Wir nehmen ihnen nichts weg, sondern ergänzen deren Leistungsangebot.“
Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Bayerischen Apothekerverbandes, weist allerdings darauf hin, dass bislang zwar nur etwa fünf Prozent der Apotheker impfen. Er räumt auch ein, dass die Apothekerschaft anfangs zurückhaltend mit dem Thema umgegangen sei, um keinen Ärger mit den Ärzten zu provozieren.
Die mittlerweile vorliegenden Erfahrungen sind jedoch auch aus seiner Perspektive durchweg positiv: So führe die durch Apothekenimpfungen hervorgerufene größere Wahrnehmung der Thematik dazu, dass teilweise auch bei Hausärzten mehr geimpft werde. Zudem stelle die Apothekenimpfung eine sinnvolle Ergänzung zu den vielfach personell knapp besetzten Arztpraxen dar. Hubmann verweist auf Ärzte, die ihre Patienten für Standardimpfungen mittlerweile in Apotheken schickten.
7,5 Millionen zusätzliche Impfungen durch Apotheken möglich
Gesundheitsökonom May kommt in seiner Untersuchung zu dem Ergebnis, dass Apotheken durch ein niedrigschwelliges Impfangebot dazu beitragen, die Impflücke in den Indikationen Influenza, Pneumokokken und FSME zu verringern. Nach seinen Worten gab es hierzulande im vergangenen Jahr 20 Millionen Impfungen. Würden die Apotheken stärker einsteigen, könnten es 7,5 Millionen mehr sein. Der Bedarf sei auf jeden Fall vorhanden, denn die Impfquoten bei Influenza, FSME und Pneumokokken weichen laut May deutlich von den angestrebten Zielwerten der Ständigen Impfkommission (STIKO) ab.
Während der Coronapandemie hätten die Apothekenimpfungen zudem die ärztlichen Impfkapazitäten entlastet. Die europäischen Erfahrungen, ergänzt um nationale Daten aus den Modellprojekten zur Grippeschutzimpfung sowie der Demoskopie, zeigten außerdem die hohe Akzeptanz der Apothekenimpfung in der Bevölkerung. Für jeden Dritten sei die Impfung in der Apotheke die erste Grippeimpfung überhaupt gewesen. Viele geimpfte Personen hätten sich ohne dieses Angebot nicht impfen lassen. Nicht zuletzt gebe es neben den positiven Versorgungseffekten auch eine „sehr positive Nutzen-Risiko-Bilanz“ der Apothekenimpfungen. Die würden somit einen „wichtigen Beitrag zur Gesundheitsprävention und Ressourcenoptimierung im Gesundheitssystem“ leisten. May: „Wenn ich diese Fakten betrachte, tue ich mir mit den standespolitischen Diskussionen zu dem Thema schwer.“
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