Bundestagsdebatte

Union: Ende der epidemischen Lage ist das falsche Signal

Berlin - 11.11.2021, 15:15 Uhr

Der Bundestag beriet heute in erster Lesung den Gesetzentwurf von SPD, Grünen und Linken zu Änderungen im Infektionsschutzgesetz und weiteren Gesetzen. (c / Foto: IMAGO / Jens Schicke)

Der Bundestag beriet heute in erster Lesung den Gesetzentwurf von SPD, Grünen und Linken zu Änderungen im Infektionsschutzgesetz und weiteren Gesetzen. (c / Foto: IMAGO / Jens Schicke)


Die Infiziertenzahlen steigen stetig, ebenso die Zahl der von COVID-19-Patienten belegten Intensivbetten. Die voraussichtlichen Ampelkoalitionäre wollen die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“, an deren Feststellung weitreichende Ermächtigungen geknüpft sind, dennoch auslaufen lassen. Die Länder sollen aber weiterhin Schutzmaßnahmen ergreifen können. Auch der geschäftsführende Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte sich kürzlich für ein Ende der epidemischen Lage ausgesprochen – doch bei der heutigen Bundestagsdebatte schlug seine Fraktion ganz andere Töne an. 

Am heutigen Donnerstag hat der Bundestag in erster Lesung den Gesetzentwurf von SPD, Grünen und FDP „zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ beraten.

Statt die epidemische Lage erneut zu verlängern, ist ein neuer Katalog möglicher Schutzvorkehrungen in § 28a Infektionsschutzgesetz (IfSG) geplant. Dieser soll es den Ländern bis zum 19. März 2022 weiterhin ermöglichen, je nach Entwicklung der Lage erforderliche Maßnahmen zu ergreifen – und zwar unabhängig von der festgestellten epidemischen Notlage. Es geht etwa um Anordnung eines Abstandsgebots, die Maskenpflicht, die Vorlage von Impf-, Genesenen- oder Testnachweisen, verpflichtende Hygienekonzepte, Auflagen für den Betrieb von Gemeinschaftseinrichtungen wie Hochschulen oder Einrichtungen der Erwachsenenbildung sowie die Verarbeitung von Kontaktdaten von Kunden, Gästen oder Teilnehmern einer Veranstaltung. Zudem sollen mit dem Gesetzentwurf Strafbarkeitslücken bei der Impfpassfälschung geschlossen und verschiedene Pandemie-Sonderregeln verlängert werden. Nicht zuletzt sollen über eine begleitende Verordnung die kostenlosen Bürgertests wieder eingeführt werden.

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„Wir müssen unser Land winterfest machen“, erklärte Olaf Scholz (SPD) zu Beginn der Debatte. Der voraussichtlich künftige Bundeskanzler hatte lange zur Coronakrise geschwiegen – nun warb er für den Gesetzentwurf der Koalitionäre in spe. Er betonte: „Das Virus ist noch unter uns und bedroht die Gesundheit unserer Bürger.“ Nicht nachlassen dürfe man beim Impfen, es müsse jetzt alles getan werden, damit die Bürger:innen ihre Auffrischimpfungen erhalten. Scholz warnte eindringlich davor, den Schutz der Pflegeheime zu vernachlässigen. Dort müssten Mitarbeiter:innen und Besucher:innen regelmäßig getestet werden. Um für mehr Sicherheit an den Arbeitsplätzen zu sorgen, sei eine 3G-Regelung zusätzlich nötig. Zudem würden mit dem Gesetzentwurf den Ländern alle Möglichkeiten an die Hand gegeben, um differenziert in der Pandemie vorzugehen – sowohl mit 3G oder 2G. Die Regeln müssten aber auch umgesetzt werden, mahnte Scholz. Er warb dafür, in dieser Gesundheitskrise parteiübergreifend zusammenzuarbeiten. Der voraussichtlich künftige Kanzler kündigte für kommende Woche außerdem ein neues Spitzentreffen der Bundesregierung mit den Länderchefs und -chefinnen an, um das weitere Vorgehen in der Pandemie zu besprechen. 

Grüne und FDP: Neue Regeln bringen Rechtssicherheit

Der Chef der CDU/CSU-Fraktion, Ralph Brinkhaus, zeigte sich allerdings wenig kooperativ. Die Feststellung der epidemischen Notlage sei in der Vergangenheit eine verlässliche Grundlage für die Pandemiepolitik gewesen. Sie trotz der weiterhin bedrohlichen und sich dynamisch entwickelnden Lage auslaufen zu lassen, sei „Realitätsverweigerung“. Anders als kürzlich noch Jens Spahn (CDU) sprach sich Brinkhaus für eine Verlängerung der epidemischen Lage aus. Der Gesetzentwurf der künftigen Ampel sei „dünn“, den Ländern würden Handlungsoptionen genommen. Überdies sende er ein kommunikativ falsches Signal an die Bürger:innen. Ihnen werde vermittelt, die Lage sei „nicht mehr so schlimm“, dabei müssten die Menschen jetzt noch achtsamer sein.

Grüne: Abschaffung der kostenlosen Bürgertests war krasser Fehler

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt verteidigte die Pläne. Notwendig seien Maßnahmen, die wirksam und rechtssicher seien. Sie warb für eine offene Diskussion im Parlament und gab sich kompromissbereit. Die Vorschläge seien „nicht in Stein gemeißelt“. Der ausgearbeitete Katalog könne auch erweitert werden. Auch einer Diskussion über eine Impfpflicht in bestimmten Einrichtungen, wie sie der Ethikrat und die Leopoldina empfehlen, will sich Göring-Eckardt nicht verschließen. Sie betonte zudem, es sei ein krasser Fehler der alten Regierung gewesen, die kostenlosen Bürgertests abzuschaffen.

Auch FDP-Fraktionsgeschäftsführer Marco Buschmann wies die Kritik der Union scharf zurück. Es werde bewusst das Missverständnis geschürt, dass irgendjemand behauptete, mit dem geplanten Auslaufen der gesetzlichen Sonderlage sei Corona vorbei. Das alte Paket zur Bekämpfung der Pandemie könne aber nicht so bleiben. So habe der bayerische Verfassungsgerichtshof unlängst die Ausgangssperre als Auflage gekippt, weil sie nicht verhältnismäßig sei. Buschmann betonte: „Wir müssen auch in der Krise unser Grundgesetz respektieren.“ 

AfD beklagt „unanständigen“ Impfdruck durch 2G

Sebastian Münzenmaier von der AfD-Fraktion sprach von einem Etikettenschwindel. Viele Menschen hätten darauf gewartet, dass die epidemische Notlage abgeschafft werde und damit auch die Freiheitseinschränkungen ein Ende hätten. Die Ausweitung der 2G-Regel sorge zudem für „massiven, unanständigen Impfdruck“. Die Impfung müsse eine freiwillige Entscheidung bleiben. Überdies sei 2G sinnlos, da auch Genesene und Geimpfte sich anstecken könnten.

Marco Luczak (CDU) warb für den Gesetzentwurf seiner Fraktion zur Verbesserung des Schutzes vor Impfpassfälschungen. Die Pläne von SPD, Grünen und FDP seien in diesem Punkt „absolut unzureichend“. Die bestehenden Strafbarkeitslücken würden nicht zweifelsfrei geschlossen.

Sowohl der Gesetzentwurf von SPD, Grünen und FDP als auch der Union wurden nach der Beratung in den zuvor eingesetzten Hauptausschuss überwiesen. Bereits nächste Woche soll die 2./3. Lesung im Bundestag stattfinden. 



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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