Dihydrotachysterol vom Markt genommen

Bei Unterfunktion der Nebenschilddrüsen Arzttermin vereinbaren!

Stuttgart - 02.08.2021, 09:15 Uhr

Die DGE erklärt: „Die Nebenschilddrüsen bestehen aus vier linsengroßen Drüsen, die außen an der Schilddrüse liegen. Sie produzieren das Parathormon (PTH).“ (s / Foto: shidlovski / AdobeStock)

Die DGE erklärt: „Die Nebenschilddrüsen bestehen aus vier linsengroßen Drüsen, die außen an der Schilddrüse liegen. Sie produzieren das Parathormon (PTH).“ (s / Foto: shidlovski / AdobeStock)


Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) rät aktuell allen Patient:innen, die an Hypoparathyreoidismus leiden, umgehend einen Termin mit ihrem Hausarzt oder Endokrinologen auszumachen. Der Grund: Das Vitamin-D-Derivat Dihydrotachysterol (Handelsname AT10 oder Tachystin) wurde im Juli 2021 vom Markt genommen. Es gibt zwar alternative Präparate, bei der Umstellung gilt es jedoch einiges zu beachten. 

Die Nebenschilddrüsen produzieren das Parathormon (PTH), das den Calciumstoffwechsel im Körper reguliert. Leichtes Zittern, Gefühlsstörungen bis hin zu Muskelkrämpfen (Tetanie) können auf eine Unterfunktion hindeuten. In Deutschland kommt es in etwa 1 bis 6 Prozent der Fälle nach einer operativen Schilddrüsenentfernung zu einem solchen dauerhaften Hypoparathyreoidismus. Aber auch Autoimmunerkrankungen gehören zu den Auslösern der Störung, heißt es in einer aktuellen Pressemitteilung der DGE (Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie).


Die Behandlung der Nebenschilddrüsenunterfunktion besteht in der Normalisierung des Calciumspiegels, etwa durch die Gabe von Calcium- und Vitamin-D-Präparaten.“

Professor Heide Siggelkow, Ärztliche Leiterin MVZ Endokrinologikum Göttingen, Zentrum für Hormon- und Stoffwechselerkrankungen, Nuklearmedizin und Humangenetik


Bei Nebenschilddrüsenunterfunktion werden häufig Vitamin-D-Derivate wie Dihydrotachysterol eingesetzt, die lange im Körper wirken. Doch nun ist der Calciumregulator Dihydrotachysterol (Handelsname AT10® oder Tachystin®) – obwohl bewährt und preiswert – im Juli 2021 vom Markt genommen worden und nicht mehr erhältlich. Die Umstellung auf andere Medikamente ist anspruchsvoll, warnt die DGE, da die Dosierung, der Wirkungsbeginn und die Wirkungsdauer der Alternativen sehr unterschiedlich zu Dihydrotachysterol sind. Dihydrotachysterol wirke lange im Körper und eigne sich deshalb für eine stabile Einstellung des Vitamin-D-Spiegels. Bei etwaigen Störungen der Nierenfunktion könne es aber zu Komplikationen führen. 

Wörtlich heißt es: „Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) rät deshalb allen betroffenen Patientinnen und Patienten, umgehend einen Termin mit ihrem Hausarzt oder Endokrinologen zur rechtzeitigen Umstellung der Therapie zu vereinbaren. Damit soll ein sanfter Übergang ermöglicht und Komplikationen vermieden werden.“ Weiter heißt es in der Pressemitteilung der DGE:

Alternativsubstanzen: Calcitriol und Alfacalcidol

„Als Alternativsubstanzen kommen Calcitriol – 1,25 Vitamin D beziehungsweise Vitamin D3 – sowie Alfacalcidol infrage“, so Endokrinologin Siggelkow. Doch die Wirkdauer dieser Pharmazeutika sei deutlich kürzer: „Während Dihydrotachysterol 21 Tage wirksam ist, sind es bei den anderen Medikamenten nur drei bis sieben Tage.“ Auch könne die Umstellung bei jedem Betroffenen unterschiedlich verlaufen. Sie empfiehlt,

  • zunächst das Dihydrotachysterol abzusetzen und für eine Woche keine neue Medikation zu geben.
  • Nach Ablauf dieser Woche könne dann auf das entsprechende Ersatz-Präparat gewechselt werden.
  • Messungen von Parathormon, Vitamin D und 1,25 Vitamin D seien in dieser Phase nicht notwendig. Es sollten jedoch in jedem Fall Calcium, Calcium adaptiert für Albumin, Phosphat, Kreatinin und Magnesium überprüft werden.
  • „Eine ausführliche Kontrolle nach Umstellung der Medikation ist dann im weiteren Verlauf erforderlich: Hier sollte dann die Calciumausscheidung unter der geänderten Medikation überprüft und die entsprechende Medikation gegebenenfalls angepasst werden.“

Die Medikamentendosis müsse individuell für jeden Patienten durch Kontrolle des Calciumsspiegels im Blut ermittelt werden.

Gentechnologisch hergestelltes Parathormon

DGE-Mediensprecher Professor Stephan Petersenn von der ENDOC Praxis für Endokrinologie und Andrologie in Hamburg ergänzt außerdem: „Bei Patienten, die mit einem hochdosierten Vitamin-D-Präparat nicht komplikationslos einstellbar sind, besteht zudem die Möglichkeit, gentechnologisch hergestelltes Parathormon zu verabreichen.“

Die DGE stellt zudem im Internet ein PDF für Ärztinnen und Ärzte zur Verfügung, in dem in einer Tabelle die Vitamin-D-Dosierungen der verschiedenen Präparate verglichen werden: Vigantol®/Dekristol® (Vitamin D3), Bondiol®/Doss®/Eins-Alpha® (Alfacalcidol), Rocaltrol®/Calcitriol® (Calcitriol) und AT 10® (Dihydrotachysterol). In dem PDF heißt es auch, dass internationale Empfehlungen nicht vorliegen, da in vielen anderen Ländern die Medikation mit Dihydrotachysterol nicht zur Verfügung steht.

Eine entsprechende Information für Patient:innen lässt sich hier abrufen. 


Deutsche Apotheker Zeitung
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Dihydrotachysterol vom Markt genommen

von Martin Haendeler am 02.08.2021 um 23:00 Uhr

Zwar benötige ich dieses Medikament nicht, mich würde aber trotzdem interessieren, weshalb dieses sehr wirksame und preiswerte Medikament vom Markt genommen wird. Über die Gründe wird leider in den verschiedenen Bekanntmachungen nirgendwo etwas gesagt.

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