Arzneimittel- und Wirkstoffimporte in die EU

Wird die Abhängigkeit von ausländischen Lieferanten überschätzt?

Remagen - 24.06.2021, 16:45 Uhr

China spielt als maßgeblicher Wirkstoff-Lieferant eine immer größere Rolle. (Bild: Виталий Сова / AdobeStock)

China spielt als maßgeblicher Wirkstoff-Lieferant eine immer größere Rolle. (Bild: Виталий Сова / AdobeStock)


Importabhängigkeiten auf Produktebene EU27 sind sehr begrenzt

Für 87,5 Prozent aller EU-27-Einfuhren (nach Wert bzw. 82,6 Prozent nach Volumen) erachten die Studienautoren die Abhängigkeit der EU von Importen als gering. Das heißt, es wird wenig von außerhalb der EU importiert und es gibt eine diversifizierte Lieferantenbasis. Bei 6,4 Prozent (wertmäßig) erkennen sie eine begrenzte Abhängigkeit, entweder weil die EU-27 einen erheblichen Anteil aus Drittländern importieren oder die Anzahl von Lieferanten begrenzt ist. Lediglich bei 6,1 Prozent (wertmäßig, 14 Produkte, davon zwölf APIs) stammen mehr als 75 Prozent aus Ländern außerhalb der EU und es gibt nur wenige Lieferanten. Bei diesen Produkten könnte die EU prüfen, wie die Zahl der Lieferanten diversifiziert werden könnte, so ihr Ratschlag, und/oder den Anteil der Extra-EU-Einfuhren verringern, indem sie Anreize für die Produktion in der EU schafft und/oder bilateral oder vertraglich sicherstellt, dass ein Teil des weltweiten Angebots weiterhin für die EU bestimmt ist.

Hohes Maß an Resilienz

Zwischen 2010 und 2019 sind die Einfuhren von Arzneimitteln aus anderen EU-27- und Drittländern in die EU-27 um 71 Prozent gestiegen. Sie nahmen jedoch langsamer zu als die Ausfuhren, was für die Studienautoren darauf hindeutet, dass die EU-27 in den vergangenen zehn Jahren mehr im Inland produziert und/oder einen höheren Exportwert erzielt haben. Außerdem bescheinigt ECIPE der europäischen Arzneimittel- und Wirkstoffproduktion ein hohes Maß an Gesamtresilienz. Auch die COVID-19-Pandemie habe keine wesentlichen Auswirkungen auf den Handel der EU-27 mit Arzneimitteln innerhalb und außerhalb der EU-27 gehabt, so ihre Feststellung. Im Jahr 2020 seien die Einfuhren innerhalb der EU in den akutesten Monaten der Pandemie (März bis Juni 2020) höher als 2019 gewesen, aber danach sei der Handel mit pharmazeutischen Erzeugnissen wieder auf das frühere Niveau zurückgekehrt.

EU hat eine starke und diversifizierte Exportleistung

Die ECIPE-Studie analysiert neben den Import- auch die Exportschwachstellen. Als „Spiegelbild von Importabhängigkeiten“ würden diese häufig ignoriert, schreiben die Autoren, obwohl sie gleichermaßen wichtig seien.

Die EU weist für alle pharmazeutischen Kategorien eine sehr starke Exportleistung auf. Im Jahr 2019 exportierten die EU-27 Erzeugnisse im Wert von 366 Milliarden Euro, von denen 49 Prozent innerhalb der EU gehandelt wurden. Zwischen 2010 und 2019 stieg der Wert der EU-27-Ausfuhren von Arzneimitteln in andere EU-27- und Drittländer um 78 Prozent. Auf letztere entfallen nach Menge 16 Prozent der Ausfuhren. Die EU exportiert hauptsächlich Humanarzneimittel, bei denen sie einen hohen Handelsüberschuss aufweist, aber auch APIs, von denen sie jedoch mengenmäßig mehr ein- als ausführt.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Keine Aussagekraft

von Jan Oesterwalbesloh am 28.06.2021 um 9:15 Uhr

Ich schließe mich Herrn Becker an, da dieses Papier keine relevante Aussagekraft hat. Zum einen ist das ECIPE ein Lobby-Organisation, die sich auf den internationalen -und damit barrierefreien internationalen Handel- beschränkt, zum anderen werden nur zwei wenig aussagekräftige Kennzahlen in dieses Papier aufgenommen. Weder die Marktrelevanz einzelner APIs oder FPPs werden betrachtet, noch die Herstellungsstätten dieser, da nur Importvolumen und -wert betrachtet werden. Auch der Herfindahl-Hirschman-Index mit ausschließlichem Blick auf die Anzahl der Länder, von denen importiert wird, beleidigt jeden intellektuell, der sich mit dem Thema auskennt.

Kurz gesagt, hat diese Lobbyorganisation hier Zahlen schöngerechnet und eine Aussage aufgrund einer Datenbasis getroffen, auf der diese gar hätte getroffen werden können, um damit mit blumiger Formulierung den status quo zu verteidigen. Abgesehen davon können auch bei ausreichender Versorgung des europäischen Marktes natürlich aufgrund verschiedener Preisgestaltungen durch Reimporte oder Parallelhandel nationale Versorgungsausfälle auftreten.

Von der DAZ hätte ich mir eine differenziertere Berichterstattung gewünscht und nicht das mehr oder minder unkritische Abschreiben eines Positionspapiers einer Lobbyorganisation.

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Wert und Volumen - toll

von David Becker am 28.06.2021 um 8:48 Uhr

Nettes Positionspapier, nur sind weder Wert noch Volumen wirklich aussagekräftige Kennzahlen sind um hier eine Abhängigkeit zu untersuchen... Wenn das L-Thyrox nicht mehr lieferbar ist hilft es wenig, dass das nur 1/1000 von dem teuren neuen Biologikum kostet oder nur 1/10000 so viel groß ist.
Da muss für eine echte Bewertung mehr Arbeit reingesteckt werden - ich fühle mich so informiert wie vorher.

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