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AvP-Insolvenzverfahren
Nun doch Aussonderungsrecht – aber nur für einen sehr speziellen Fall
Zur Überraschung vieler Beobachter des AvP-Insolvenzverfahrens hat Insolvenzverwalter Dr. Jan-Philipp Hoos nun ein Aussonderungsrecht anerkannt, allerdings nur für eine eng begrenzte Fallkonstellation. Sie betrifft nur etwa 310 Offizin- und 150 Krankenhausapotheken und bei diesen Apotheken auch nur ausstehende Zahlungen von Krankenkassen für jüngere Rezeptabrechnungen. Die früheren Zahlungen der Krankenkassen an AvP, die nicht bei den Apotheken angekommen waren, bleiben davon unberührt. Beim Kern des Problems ergeben sich damit keine neuen Unterschiede zwischen den Apotheken.
Eine der wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit der Insolvenz des Rechenzentrums AvP ist, ob Apotheken Rechte auf die Aussonderung von Vermögenswerten bei AvP haben. Wenn solche Rechte bestehen, würden diese Vermögenswerte an die Apotheken übergeben und nicht Teil der Insolvenzmasse. Die Apotheken würden diese Werte also ohne Abzüge erhalten, unabhängig von einer Insolvenzquote. Insolvenzverwalter Dr. Jan-Philipp Hoos hat bei zahlreichen Gelegenheiten zu verstehen gegeben, dass solche Aussonderungsrechte vermutlich nicht bestehen. Er werde dies aber intensiv prüfen und dabei auch externe Sachverständige einbeziehen.
Aussonderungsrecht nur bei Zusatzvereinbarung und nur für ausstehende Zahlungen der Krankenkassen
Am gestrigen Mittwoch hat Hoos nun doch solche Aussonderungsrechte anerkannt, allerdings nur für einige Apotheken und auch nur für einen ganz bestimmten Teil der Forderungen dieser Apotheken. Hoos erklärte dazu am heutigen Donnerstag gegenüber DAZ.online: „Ich habe gestern nach abschließender Prüfung der Sach- und Rechtslage gegenüber zahlreichen Apotheken Aussonderungsrechte an noch nicht eingezogenen Rezeptforderungen anerkannt und die Apotheken sowie die Kostenträger entsprechend informiert.“ Weiter machte Hoos deutlich: „Es geht hier insgesamt nicht um bei der AvP vorgefundene oder eingegangene Gelder, sondern lediglich um noch nicht von den Kostenträgern bezahlte Forderungen.“
Gemeint sind damit offenbar ausstehende Zahlungen von Krankenkassen für Rezepte, die im Rahmen des Insolvenzverfahrens abgerechnet wurden, allerdings nur für einen Teil der Apotheken. Hoos erklärte, es gehe um etwa 310 Offizinapotheken, die die schon häufiger angesprochenen „Zusatzvereinbarungen“ mit AvP getroffen hätten. Außerdem seien etwa 150 Krankenhausapotheken mit bestimmten Fallkonstellationen betroffen. Auf die Frage, warum er diese Aussonderungsrechte nun anerkannt habe, erklärte Hoos, die Zusatzvereinbarungen mit den Offizinapotheken enthielten lediglich bedingte Abtretungen der Apotheken an die AvP. Hoos ergänzte: „Nach Prüfung des Sachverhalts ist die Lage hier eindeutig, dass die betreffenden Forderungen nicht Bestandteil der Masse sind.“ Außerdem bekräftigte Hoos, dass er kein Geld aus der Insolvenzmasse an die Apotheken ausschüttet. Er betonte: „Es wurden lediglich noch nicht eingezogene Forderungen ausgesondert.“
Apotheken müssen sich mit Krankenkassen auseinandersetzen
Damit werden nun offenbar Zahlungen der Krankenkassen an diese Apotheken möglich, aber dies ergibt sich nicht automatisch. Hoos erklärte dazu: „Die Apotheken müssen sich hier, gegebenenfalls über ihre neuen Abrechnungszentren, mit den Kostenträgern auseinandersetzen.“
Dies wirft für Beobachter des Verfahrens jedoch weitere Fragen auf. Die erwähnte Zusatzvereinbarung über eine bedingte Abtretung bedeutet, dass die Abtretung erst im Gegenzug zur Zahlung durch die Krankenkasse wirksam wird. Offenbar haben verschiedene Krankenkassen zu unterschiedlichen Zeitpunkten aufgrund der unklaren Rechtslage ihre Zahlungen an AvP eingestellt. Die einzelnen Apotheken haben jedoch keine Informationen darüber, inwieweit die verschiedenen Krankenkassen für die jeweiligen Rezepte bereits Zahlungen an AvP geleistet haben und inwieweit diese zurückgehalten wurden. Damit scheint derzeit unklar, wie viel Geld an welche Apotheken fließen kann und wie die Apotheken diese Forderungen geltend machen können. Für die nun begünstigten Apotheken ergeben sich damit neue Fragen.
Verfahren für keine Apotheke erledigt
Dagegen ist offensichtlich, dass die nun anerkannten Aussonderungsrechte nur einen Teil der Forderungen der betreffenden Apotheken umfassen. Damit bleiben auch die Apotheken, die nun Aussonderungsrechte erhalten, als Gläubiger an dem Insolvenzverfahren beteiligt. Ihre Forderungen bezüglich der Zahlungen, die AvP von Krankenkassen erhalten, aber nicht an die Apotheken weitergeleitet hatte, bleiben wie bei den anderen ehemaligen AvP-Kunden von dieser neuen Entscheidung unberührt. Das Insolvenzverfahren dürfte sich damit für keine der bisher betroffenen Apotheken erledigt haben. Auch die Auswirkungen auf die spätere Insolvenzquote dürften sich in Grenzen halten.
Bisher ist nicht bekannt, welchen Betrag die nun anerkannten Aussonderungsrechte umfassen. Das Bundesfinanzministerium hatte als Zahl der insgesamt betroffenen öffentlichen Apotheken zuletzt 2617 genannt. Die gesamten Forderungen aus noch ausstehenden Rezeptabrechnungen hatte Hoos in seinem Gutachten zur Insolvenzeröffnung auf 200 Millionen Euro beziffert. Es geht nun offenbar um den Anteil an diesen 200 Millionen Euro, der auf die 310 Offizin- und 150 Krankenhausapotheken mit besonderen Vertragsbedingungen entfällt und der zudem von den Krankenkassen noch nicht gezahlt wurde. Die gesamten angemeldeten Forderungen sollen nach Informationen aus der Gläubigerversammlung vom 15. Dezember 617,7 Millionen Euro betragen. Der weitaus größte Teil dieser Forderungen bleibt damit von der neuen Entwicklung unberührt. Allerdings ist zu erwarten, dass die Entscheidung weitere Diskussionen über Aussonderungsrechte in anderen Fallkonstellationen entfacht.
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