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Täglich leiden 900.000 Menschen in Deutschland unter Migräne. Laut Professor Gerd Bendas zählt die neurologische Erkrankung mit zu den am stärksten unterschätzten Erkrankungen. Bei den Ursachen stochert die Forschung noch im Dunkeln. Hoffnung für die Migräneprophylaxe machen vor allem die neuen Antikörper Erenumab, Galcanezumab und Fremanezumab.
Migräne ist eine anfallsartige, chronisch rezidivierende Kopfschmerzform. Sie tritt meist unilateral auf, die Schmerzen äußern sich stark pochend, charakteristisch ist außerdem, dass insbesondere Belastung und Bewegung die Migränekopfschmerzen verschlimmern. Häufig leiden die Patienten neben den Kopfschmerzen zusätzlich unter unangenehmen Begleitsymptomen wie Übelkeit, Erbrechen oder Geruchsempfindlichkeit, Photo- und Phonophobie. In Deutschland sind rund 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung von Migräne betroffen, vor allem Frauen leiden unter der neurologischen Erkrankung, und zwar etwa dreimal so häufig wie Männer. Migräne als lebenslange Erkrankung manifestiert sich am stärksten im aktiven Erwachsenenalter, zwischen dem 20. und 50 Lebensjahr.
Jeden Tag leiden 900.000 Menschen in Deutschland an Migräne
Im Mittel dauert eine schubförmige Schmerzattacke 16 Stunden, allerdings können auch Attacken kürzer oder wesentlich länger andauern. Bei etwa 15 bis 20 Prozent der Migräniker beginnt der Schmerzanfall mit fokal-neurologischen Symptomen. Die Attacke kündigt sich durch eine Aura – Wahrnehmungsprobleme visueller Art, Sprach- oder motorische Störungen – an. Die Aura dauert meist weniger als eine Stunde.
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Nach Einschätzung von Professor Dr. Gerd Bendas (Pharmazeutische Chemie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn) gehört Migräne zu den mit am „stärksten unterschätzten Erkrankungen“: Täglich litten etwa 900.000 Menschen in Deutschland an Migräne, 100.000 seien arbeitsunfähig, erklärte er vergangen Woche auf der Interpharm 2019 in Stuttgart.
Auch Stiftung Warentest nahm sich jüngst der Migräne an. Die Verbraucherschützer kritisierten vor allem auf gesellschaftlicher Ebene, denn zusätzlich zu den Migränebeschwerden seien Betroffene häufig mit Vorurteilen wie „du siehst ja gar nicht krank aus“ oder „du bleibst ja schön oft zuhause“ konfrontiert. Auch der Neurologe, der Stiftung Warentest medizinisch-pharmazeutischen Input lieferte, erklärte im Magazin: „Wer Migräne hat, leidet oft zusätzlich unter Vorurteilen Dritter“.
CGRP-Antikörper: ersehnt und enttäuscht?
Hoffnung dürften Migränepatienten und auch Ärzte vor allem in die innovativen Antikörper setzen, die auf ein völlig neues Target in der Migränetherapie zielen: Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP). Derzeit sind Erenumab (Aimovig) und Galcanezumab (Emgality) in der EU bereits zugelassen. Als dritter CGRP-Antikörper dürfte demnächst Fremanezumab (Ajovy) folgen. Allerdings relativierte Bendas auf der Interpharm den erhofften Durchbruch durch CGRP-Antikörper bei Migräne: Sie seien effizient, aber hinsichtlich der bisherigen Möglichkeiten „kein Quantensprung“, Vorteile sieht Bendas vor allem bei der Verträglichkeit und Adhärenz der Migräniker.
Was sind die Ursachen für Migräne?
„Bei den Ursachen müssen wir leider feststellen, dass diese bis heute eigentlich nicht bekannt sind“, erklärte Bendas. Man wisse zwar, dass es eine genetische Prädisposition gibt, aber exogene Faktoren müssten noch dazukommen, damit die neurologische Erkrankung klinisch ausbricht, so Bendas. Auch wenn die eigentlichen Faktoren unbekannt seien, so beobachten Migräniker jedoch individuell, welche äußeren Einflüsse ihre Migräneattacken triggerten. Darunter fallen Ernährungsgewohnheiten (Rotwein, Käse), Stress, Schlafmangel oder auch atypisch viel Schlaf, Wetterfühligkeit und sich ändernde Luftdrucke, hormonelle Umstellungen während der Menstruation oder Schwangerschaft.
Was ist eine chronische Migräne?
Die wichtigste Unterteilung der Migräne zielt auf die Anzahl der Attacken ab. Die Experten der Leitlinien sprechen bei weniger als 15 Migränetagen pro Monat von einer episodischen Migräne. Leiden die Patienten mehr als 15 Tage monatlich unter Migräne, liegt eine chronische Migräne vor.
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Um zu erfassen, wie stark betroffen Patienten von einer Migräne sind und um festzustellen, wie gut eine Therapie greift, hilft der migraine disability assessment score (Midas), der die „Behinderungstage“ anhand unterschiedlicher Fragen summiert.
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