Leserbriefe

„Vom Kräutergarten zur Pillenschachtel“: Apothekengeschichte(n) aus Sachsenheim

Unter dem Motto „Vom Kräutergarten zur Pillenschachtel“ zeigt das Stadtmuseum Sachsenheim (Landkreis Ludwigsburg) derzeit eine pharmaziehistorische Ausstellung. Die sehenswerte Schau ist das Ergebnis einer Kooperation zwischen dem Museum und dem Verein für Heimatgeschichte, dessen Schriftführerin Dr. Martine Strobel – selbst eine ausgewiesene Pharmaziehistorikerin – sich im Vorfeld intensiv mit der Geschichte der örtlichen Apotheke befasst hatte. Die verschiedenen Exponate werden ergänzt durch eine Wanderausstellung zur Geschichte der Homöopathie, konzipiert vom Institut für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung in Stuttgart.

Bei der Eröffnung am 25. Juni konnte die Kuratorin Dr. Claudia Papp trotz sommerlicher Hitze etwa 80 Besucher begrüßen. Nach dem Grußwort des Bürgermeisters unternahm Prof. Dr. Marcus Plehn einen unterhalt­samen Streifzug durch 800 Jahre Apothekengeschichte.

Foto: privat

Pharmaziehistorikerin Dr. Martine Strobel und Apotheker Prof. Dr. Marcus Plehn bei der Eröffnung der apothekerlichen Ausstellung in Sachsenheim.

Beginnend mit dem Edikt von Salerno, das um 1240 die Trennung von Arzt- und Apothekerberuf festschrieb, leitete Plehn zu den ältesten Apotheken in Deutschland (Prenzlau 1303) und Württemberg über (Stuttgart 1412, Tübingen 1470). Nicht zuletzt unter dem Eindruck der Pestepidemien bestimmte der württembergische Herzog, dass in jeder Amtsstadt eine Apotheke ansässig sein sollte. So gab es hier im 17. Jahrhundert etwa 20 Apotheken.

Etwas schwierig gestalteten sich die Anfänge in Sachsenheim: 1749 löste der Antrag von Apothekergeselle Johann Friedrich Rath auf Eröffnung einer Apotheke massiven Unmut bei den Kollegen der umliegenden Orte aus, die um ihre Existenz fürchteten. Sie beschwerten sich beim Herzog in Stuttgart und erreichten, dass der Antrag abgelehnt wurde mit der Begründung, eine Stunde Fußmarsch nach Besigheim, Bietigheim oder Markgröningen sei den Sachsenheimern durchaus zuzumuten!

Erst 1799 kam es in Sachsenheim zur Gründung einer Apotheke. Im 19. Jahrhundert florierte sie unter Apotheker Friedrich Koch und seinen Söhnen, zumal sich im Ort inzwischen ein Arzt, ein Chirurg und ein Tierarzt angesiedelt hatten. Koch verlegte die Apotheke in den Schlosshof, wo sie sich heute noch befindet. Anhand der „Ära Koch“ wies Plehn auf die allgemeinen Veränderungen des Apothekerberufs im 19. Jahrhundert hin, zum Beispiel die Professionalisierung vom Handwerk zum Studium, die Fortschritte der Naturwissenschaften und die Entwicklung neuer Arzneiformen wie Spritzen und Tabletten.

Im 20. Jahrhundert ist vor allem Hermann Sigismund Schmid (1871 – 1955) zu nennen, der die Apotheke über 40 Jahre (1905 – 1945) leitete und anschließend verpachtete. Schmid führte die Apotheke durch die schwierige Zeit des Nationalsozialismus. Anhand von Etiketten und alten Fotos zeichnete Plehn das lebendige Bild einer Landapotheke in der Nachkriegszeit, die in ihrem bescheidenen Labor Tinkturen, Säfte und Zäpfchen häufig selbst herstellte und heute kurios anmutende Präparate vorrätig hatte, z. B. „Brunstpulver für Kühe, die nicht rindern wollen“, „Shampoon“ oder „Sommersprossencrême zur Erzielung eines reinen Teints“.

1957 übernahm Dr. Heinz Besch die Sachsenheimer Apo­theke, renovierte sie und veranlasste einen ­Anbau für eine Drogerie. Sein Nachfolger Robert Schoch gestaltete die Räume um und konnte 1999 das 200-jährige Jubiläum feiern. 2005 übergab Robert Schoch die Leitung der Apotheke an seine Tochter Regina Schoch-Grimm, beide bei der Eröffnung anwesend.

Etwas nachdenklich schloss Plehn mit einem Verweis auf den Apotheken-Protesttag am 14. Juni und auf die aktuellen Zumutungen durch eine Gesundheitspolitik, die die Existenz der Vor-Ort-Apotheke massiv bedroht. Dennoch sprach er die Hoffnung aus, dass zu den 800 Jahren Apotheken­geschichte noch viele weitere hinzukommen mögen.

Die gelungene Ausstellung ist bis zum 7. Januar 2024 zu sehen. Es gibt mehrere Vorträge, öffentliche Führungen und ein Kinderprogramm. Weitere Informationen gibt es unter www.sachsenheim.de.

Dr. Larissa Leibrock-Plehn, Brackenheim

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.