- DAZ.online
- DAZ / AZ
- AZ 43/2016
- Zyto-Verträge im Gesprä
Gesundheitspolitik
Zyto-Verträge im Gespräch
Schon lange streiten Krankenkassen, Apotheker und Ärzte über die Zytostatika-Ausschreibungen. Derzeit ermöglicht das Gesetz den Kassen Ausschreibungen auf Apothekenebene. Nach massiver Kritik von Ärzten und Apothekern hatte der Gesundheitsausschuss des Bundestages vor einiger Zeit beschlossen, die Problemlage nochmals in einem nicht öffentliches Expertengespräch zu erörtern. Doch kam den Parlamentariern dann das Bundesgesundheitsministerium zuvor. In der ersten Oktoberwoche entschied dieses: Die Selektivverträge auf Apothekenebene, die andere Apotheken von der Versorgung ausschließen, sollen abgeschafft werden. Stattdessen sollen die Kassen mit den Herstellern der onkologischen Fertigarzneimittel Rabattverträge schließen. Diese Pläne band das Ministerium noch flugs in den Regierungsentwurf für das Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) ein, den das Kabinett am 12. Oktober beschloss (siehe AZ 2016 Nr. 42, S. 1).
Keine Fragen zum AMVSG
Dennoch fand am 19. Oktober die bereits anberaumte Expertenanhörung statt. Geladen waren neben dem Vorsitzenden des Deutschen Apothekerverbands (DAV) Fritz Becker: Stephan Schmitz, Vorstandschef beim Berufsverband der niedergelassenen Hämatologen und Onkologen (BNHO), der Chef des AOK-Bundesverbands Martin Litsch, Antje Haas vom GKV-Spitzenverband und Johannes Thormählen, Vorstand der Gesellschaft für Wirtschaftlichkeit und Qualität bei Krankenkassen (GWQ).
Die Abgeordneten konnten sich von ihnen nochmals erklären lassen, was gut oder schlecht am jetzigen Ausschreibungssystem ist. Dem Vernehmen nach ließ der Ausschussvorsitzende Edgar Franke (SPD) keine Fragen zu, die sich um die Regelungen im AMVSG rankten – diese könnten bei der öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf besprochen werden.
Onkologen und Apotheker Seite an Seite
Wie der Bundestagspressedienst „hib“ mitteilte, wurden die bekannten gegensätzlichen Auffassungen in der Expertenanhörung erneut deutlich. BNHO-Chef Stephan Schmitz gehörte mit Fritz Becker zu den Kritikern der derzeitigen Regelung. Er zählt auch zu den Mitgründern des Bündnisses, das sich im September gegen die Zyto-Ausschreibungen formiert hat. Schmitz erläuterte, dass die Zytostatika-Herstellung ein ausgesprochen komplexer Prozess sei und mit den Ausschreibungen die ganze bewährte Prozesskette ausgeschaltet werde. Das habe Folgen für die Patienten, denn es gehe nicht nur um die Krebsmittel, sondern auch um die Begleitmedikation, die aus einer Hand organisiert werden müsse, um die Patienten nicht zu überfordern.
Becker warnte laut hib, die flächendeckende Versorgung mit Spezialapotheken sei durch die Ausschreibungspraxis gefährdet. Er betonte: „Wenn die Labors mal zu sind, geschieht nichts mehr.“ In der Folge könnten nur noch wenige qualifizierte Apotheken übrig bleiben und frisch hergestellte Präparate über weite Wege zu spät zu den Patienten gelangen.
AOK: Gröhe schützt Versorgungskartell
Die Kassenseite widersprach der Darstellung, die Ärzte würden übergangen und das System ausgehebelt. AOK-Chef Martin Litsch sagte, in die Entscheidungshoheit des Arztes werde nicht eingegriffen. Die Ärzte allein seien für die notwendige medizinische Therapie verantwortlich. „Hierbei hat die AOK nichts mit zu entscheiden und sie will das auch gar nicht.“
Auch habe das immer wieder zitierte Problem mit schnell verfallenden Arzneimitteln mit der Ausschreibung nichts zu tun. Die Patienten bekämen keine vergammelten Medikamente. „Das ist alles sauber.“ Auch mit dem beklagten Wegfall des freien Apothekenwahlrechts der Patienten kann die Kassenseite nichts anfangen: Für die Patienten ändere sich nichts, weil sie die Arzneimittel ohnehin nicht selbst in der Apotheke abholen müssten. Das laufe alles über den Arzt.
Johannes Thormählen betonte, bei einer Ausschreibung würden Onkologen von maximal drei statt einer Apotheke beliefert. Das könne ja kein Problem sein, zitiert ihn hib. Die Praxis zeige, dass die Ausschreibungen auch wohnortnah funktionierten. Er könne hier keine verschlechterte Versorgung erkennen.
Der AOK-Bundesverband schickte dem Fachgespräch eine Pressemitteilung hinterher, in der er „das Einknicken des Bundesgesundheitsministers Gröhe vor den Apothekern und Onkologen bei der Zytostatika-Belieferung“ scharf kritisiert. „Mit Streichung der Direktverträge schützt der Bundesgesundheitsminister jetzt ein Versorgungskartell vor ein bisschen Wettbewerb“, betonte Litsch. Die jetzt geplanten Rabattverträge mit Herstellern seien keine Alternative. Sie würden ebenfalls am Widerstand der Onkologen scheitern.
Litsch sprach von einer „Scheindebatte über die angeblich gefährdete ortsnahe Versorgung“, die interessierte Apotheker und einige Onkologen angezettelt hätten. Dabei werde gern verschwiegen, dass auch heute die Belieferung mit Zytostatika nicht immer ortsnah erfolge. |
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.