USA

Die Ausbreitung der Vogelgrippe bei Milchkühen ist menschengemacht

Stuttgart - 25.09.2024, 17:00 Uhr

Grundsätzlich halten Experten die Übertragung des Virus aus der Vogelwelt auf Milchkühe für ein sehr seltenes Ereignis. (Foto: Mikko Palonkorpi / AdobeStock)

Grundsätzlich halten Experten die Übertragung des Virus aus der Vogelwelt auf Milchkühe für ein sehr seltenes Ereignis. (Foto: Mikko Palonkorpi / AdobeStock)


Anlässlich einer heute in „Nature“ publizierten Studie, kommen zwei deutsche Wissenschaftlicher zu dem Schluss, dass die Vogelgrippe bei Rindern in den USA von Menschen verbreitet und somit von Menschen verhindert werden muss. Der Mensch selbst sei für die aviäre Influenza A(H5) aber noch ein „Sackgassenwirt.“

Dass in den USA Infektionen mit der Hochpathogenen Aviären Influenza H5 (HPAI H5) Klade 2.3.4.4b bei Säugetieren seit März 2024 in einer neuen Qualität auftreten, hat weltweit für Aufsehen gesorgt. Vor allem das Ausbruchsgeschehen von HPAIV H5N1 (Genotyp B3.13) in Milchviehbetrieben und die punktuelle Übertragung auf Menschen bereitet Sorgen. „Mich überrascht es sehr, dass Kühe nun infiziert sind“, sagte im April Professor Martin Beer, Leiter des Instituts für Virusdiagnostik am Friedrich-Loeffler-Institut. Auch Professor Martin Schwemmle, Forschungsgruppenleiter am Institut für Virologie des Universitätsklinikums Freiburg, zeigte sich überrascht

Anlässlich einer heute in „Nature“ veröffentlichten Studie („H5N1 clade 2.3.4.4b dynamics in experimentally infected calves and cows“, DOI: 10.1038/s41586-024-08063-y) haben sich die beiden Experten nun erneut mit dem Science Media Center (SMC) in einem „Press Briefing“ über die möglichen Übertragungswege von H5N1 in den USA unterhalten. 

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Beer, der an der Studie selbst beteiligt war, erklärte, dass darin zwei tierexperimentelle Arbeiten zusammengefasst worden seien: Zum einen wurden Kälber in den USA oronasal mit dem sich dort aktuell unter Milchkühen ausbreitenden Vogelgrippevirus infiziert, zum anderen wurde in Deutschland ebenfalls das US-Virus sowie ein anderer Stamm der Klade 2.3.4.4b von einem Wildvogel aus diesem Jahr direkt in den Zitzenkanal von Eutern injiziert.

Infektion beschränkt sich auf das Euter

Die oronasale Infektion der Kälber in den USA soll in der Folge nur moderate bis geringgradige Infektionen ausgelöst haben, Kontakttiere hätten sich nicht infiziert. Bei dem Experiment im Euter hätten sich hingegen beide Virustypen sofort zu maximalen Mengen vermehrt. Das Euter wurde somit als zentraler Ort der Replikation identifiziert. Die Tiere wurden krank: Sie bekamen Fieber, die Milchproduktion habe sich in wenigen Tagen um über 90 Prozent reduziert, während die Viruslast weiterhin sehr hoch war. Doch offenbar – und das sei eine gute Nachricht – beschränkt sich die Infektion auf das Euter. Dieses sei das zentrale Vermehrungsorgan und eine Ausbreitung somit über die Milch möglich.

Schwemmle sagte, die Studie sei sehr wichtig, um das Gesamtrisiko abschätzen zu können. Sie zeige, dass die Übertragung nicht so einfach ist, jedoch zeige sie auch: Es handelt sich in den USA um eine menschengemachte Übertragung. Laut Beer scheint der Melkvorgang eine zentrale Rolle zu spielen, er sprach von einer „Technopathie“. Genaue Daten zu den Umständen in den US-Betrieben würden jedoch fehlen.

Infektionsgeschehen ließe sich leicht unterbinden

Beide Experten waren sich einig, dass sich das Infektionsgeschehen somit theoretisch leicht unterbinden ließe: Die Melkhygiene müsste gesteigert werden, Virus-ausscheidende Tiere müssten identifiziert und isoliert werden. Wildvögel oder Katzen dürften keinen Kontakt zur Milch haben. Bei der Überwachung von Milchtanks müsse darauf geachtet werden, dass in die Tanks gelangte Antikörper aus der Milch erkrankter Tier die Viruslast vermindern und somit einen infektionsfreien Tierbestand vortäuschen könnten. Doch die Politik in den USA müsste für die Maßnahmen offenbar sehr viel Geld in die Hand nehmen, um die Landwirte für einen solchen Aufwand zu kompensieren. 

„Laufen lassen“ sei jedenfalls keine Strategie, weil man die Folgen einer weiteren Adaptierung nicht absehen könne. Problematisch sei, dass der Stamm auch immer wieder in Geflügelbetrieben auftaucht, denn Geflügel sorge für die Übertragung auf den Menschen. 

Warum die Ausbreitung verhindert werden muss

Was eine mögliche Übertragung von Viren über die Milch angeht, so raten die beiden Wissenschaftler generell vom Verzehr von Rohmilch ab. Grundsätzlich halten sie die Übertragung des Virus aus der Vogelwelt in die Milchkühe für ein sehr seltenes Ereignis, die anschließende menschengemachte Verbreitung sei eine Verkettung unglücklicher Umstände. Dass dies so bald auch in einem anderen Land auftreten könnte, halten sie für unwahrscheinlich.

Wovor man jedoch Angst habe, sei, dass sich das Virus noch besser an das Rind anpassen könnte. Denn das würde auch das Risiko für Infektionen beim Menschen erhöhen. Beer betonte jedoch, dass die Anpassung ans Rind – anders als ans Euter – ein großer Schritt sei. Dennoch müsse eine neue „Rindergrippe“ und somit die menschengemachte Verbreitung über die Euter verhindert werden. Würde das Virus von Rindern beispielsweise auch auf Schweine übertragen, würde das zusätzlich die Übertragung auf den Menschen fördern. Denn anders als im Rind könne es im Schwein zur Vermischung mit anderen Influenza-A-Viren kommen. Auch Pelztiere sollen diese Gefahr bergen, hier gebe es noch zu wenig Überwachung.

Jeder Influenza-Virus-Typ bevorzugt unterschiedliche Wirte, wobei es einige Überschneidungen gibt. Schweine scheinen die einzige Art zu sein, die von allen vier Influenza-Virus-Typen infiziert werden. Das Influenza-D-Virus weist nach dem Typ-A-Virus das breiteste Wirtsspektrum auf. (Abbildung nach: [Skelton RM, Huber VC. Comparing Influenza Virus Biology for Understanding Influenza D Virus. Viruses 2022;14:1036, https://doi.org/10.3390/v14051036])

Laut Schwemmle könnte eine solche Vermischung rein theoretisch auch im Menschen stattfinden. Er hält dieses Szenario jedoch nicht für sehr wahrscheinlich. Bislang sei der Mensch noch ein „Sackgassenwirt“. Laut den US-amerikanischen „Centers for Disease Control an Prevention“ (CDC) gibt es derzeit keine Anzeichen für eine ungewöhnliche Influenza-Aktivität bei Menschen, einschließlich der Vogelgrippe A (H5N1). 

Mit dem Friedrich-Loeffler-Institut und dem Robert Koch-Institut sind zwar auch in Deutschland zwei Einrichtungen vorhanden, die die Situation genau im Blick behalten. Doch laut Beer und Schwemmle beschäftigen sich nur die CDC ausführlich mit dem zoonotischen Risiko – also dem Übertragungsrisiko vom Tier auf den Menschen.


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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