Lutschen, sprühen, gurgeln – oder doch besser Tabletten schlucken?

Halsschmerzen ausmerzen

Stuttgart - 06.02.2024, 17:50 Uhr

Halsschmerzen sind zum Glück meist harmlos, aber dennoch belastend. Was kann man dagegen empfehlen? (Foto: sebra/AdobeStock)

Halsschmerzen sind zum Glück meist harmlos, aber dennoch belastend. Was kann man dagegen empfehlen? (Foto: sebra/AdobeStock)


Die Entzündung der Rachenschleimhaut ist häufig die erste spürbare Folge einer Infektion der oberen Atemwege. Betroffene folgen meist der Logik, da zu behandeln, wo es schmerzt. Folgt man der S3-Leitlinie Halsschmerzen, kommen aber nur wenige Lokaltherapeutika infrage – und erste Wahl ist die perorale Behandlung.

Mit akuten Halsschmerzen verbundene Krankheitsbilder sind die Pharyngitis, die Rhinopharyngitis und die akute Tonsillitis bzw. Tonsillopharyngitis. Die milderen Formen von Rachenentzündung (Pharyngitis), die der Selbstmedikation zugänglich sind, treten überwiegend im Rahmen von Erkältungskrankheiten auf und sind zu 50 bis 80% viral bedingt [1]. Mit rund 50% Anteil sind Rhino-, Adeno- und Coronaviren die weitaus häufigsten Auslöser, in geringerem Umfang Herpes-simplex-, Parainfluenza-, Influenza- und Respiratory-Syncytial-Viren (RSV). Schaffen es genügend Viren, die Mucinschicht der Schleimhaut zu durchdringen und Epithelzellen zu infizieren, werden Prostaglandine und weitere proinflammatorische Botenstoffe freigesetzt, die zu einer lokalen Entzündungsreaktion führen. Das Gewebe rötet sich, schwillt an und schmerzt. Der Druck auf sensibilisierte Nervenzellen wird als Halsschmerz, Brennen und Kratzen empfunden. Bei stärkerer Entzündung können auch ein Kloßgefühl und Schluckbeschwerden auftreten. Die virale Pharyngitis ist selbstlimitierend, die Beschwerden sind im Mittel nach drei bis fünf Tagen ausgestanden.

Wann zum Arzt?

Sind die Halsschmerzen ein- oder beidseitig sehr stark oder gehen mit plötzlichem hohem Fieber einher, könnte eine Influenza oder eine bakterielle Infektion vorliegen. Häufigste bakterielle Verursacher akuter Halsschmerzen sind Streptokokken der Gruppe A; sie können eine Mandelentzündung mit oder ohne Scharlach-Exanthem, Mittelohr- und Nebenhöhlenentzündungen auslösen. Zum Arzt führen sollten alle starken, unklaren und länger als wenige Tage anhaltenden Halsschmerzen (vgl. Kasten „Red Flags“). Chronische Halsschmerzen über 14 Tage Dauer haben oft nichtinfektio­logische Ursachen wie Reizungen durch Rauchen und Luftverschmutzung, starke Stimmbelastung, Schnarchen (Schlafapnoesyndrom), Arzneimittel (ACE-Hemmer, inhalative Corticosteroide) oder eine Refluxerkrankung.

Red Flags: Kein Fall für die Selbst­medikation

  • Starke Schmerzen, hohes Fieber, Lymphknotenschwellung
  • Scharlach-Exanthem (Streptokokken-Infektion)
  • Verdacht auf Mononukleose    / Pfeiffersches Drüsen­fieber (Epstein-Barr-Virus, EBV)
  • Immunsuppression
  • Chemotherapie
  • Schwere Komorbiditäten (z. B. Asthma, COPD)

Symptomlinderung als Therapieziel

Auch wenn eine virale Entzündung der Rachenschleimhaut meist nach kurzer Zeit abklingt, kann der Leidensdruck der Betroffenen hoch sein. Vorrangige Therapieziele sind die Linderung der akuten Schmerzen und die Hemmung der Entzündung. Obwohl bakterielle Ursachen bei Halsschmerzen eher selten sind, werden in Arztpraxen bei über der Hälfte der Halsschmerzpatienten Antibiotika verschrieben. Der durchschnittlichen Symptomverkürzung um 16 Stunden stehen häufige Nebenwirkungen und die Gefahr der Resistenzbildung gegenüber. Die Selbstbehandlung ist bei unkomplizierter Pharyngitis gut mit lokalen und/oder systemischen Therapeutika möglich. Grob einteilen lässt sich das therapeutische Arsenal in befeuchtende und reizlindernde Mittel, Lokalanästhetika, desinfizierende Arzneistoffe und Analgetika/Antiphlogistika (vgl Tab.). Eine sinnvolle Auswahl erfolgt nicht allein nach pharmakologisch-toxikologischen Eigenschaften der Wirkstoffe; zu berücksichtigen sind auch patientenspezifische Aspekte wie Alter, eventuelle Allergien, andere Erkrankungen, aber auch gewisse Vorlieben und Erfahrungen, die die Compliance prägen. Die meisten Betroffenen haben Er­fahrung mit Lutschtabletten, Rachensprays und Gurgel­lösungen, weil die Lokaltherapeutika nachvollziehbar den schmerzenden Rachen im Visier haben.

Geringe Evidenz für Lokaltherapeutika

Die Studienlage bei lokalen Arzneimitteln ist insgesamt bescheiden. Geht es nach der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin, sind zur kurzzeitigen Lokalbehandlung von Halsschmerzen lediglich drei Gruppen von Lutschtabletten zu empfehlen: solche mit Lokalanästhetika, mit nichtsteroidalen Analgetika (NSAR) und solche ohne pharmakologischen Wirkstoff. In die letztere Gruppe fallen zahlreiche befeuchtende und schleimhautschützende Präparate. Wirksame Bestandteile sind beispielsweise Emser Salz, Hyaluronsäure und Schleimbildner.

Die Lokalanästhetika Benzocain, Lidocain und Ambroxol verhindern Aktionspotenziale in schmerzsensiblen Nervenzellen. Dabei ist die anästhetische Potenz von Ambroxol, das eher als Expektorans bekannt ist, höher als die von Benzocain und Lidocain. Auch bleibt die Wirksamkeit von Ambroxol und Benzocain im sauren Milieu des entzündeten Gewebes erhalten; hingegen gelangt die protonierte Form von Lidocain kaum in die Zelle, die Wirksamkeit ist fraglich. Unerwünschte Ereignisse werden bei Lokalanästhetika nur wenige berichtet. Gelegentlich treten allergische Reaktionen der Mundschleimhaut auf. Eine Methämoglobinämie mit Atemnot und Cyanose ist möglich, aber sehr selten. Patienten sollten auf die Höchstdosen hingewiesen werden. Lokalanästhetika können ein gewisses Taubheitsgefühl in Mund und Rachen hinterlassen und den Geschmackssinn beinträchtigen. Direkt nach der Anwendung sollte man eher nicht essen und trinken.

Sehr kritisch beurteilen die ärztlichen Autoren der Halsschmerz-Leitlinie Lokalantiseptika und topische Antibiotika. Ihre Anwendung sei bei einer mehrheitlich viral bedingten Infektion nicht nachvollziehbar und soll nicht empfohlen werden [1]. Dennoch sind entsprechende Substanzen in vielen gängigen Halsschmerzmitteln zu finden, gerne kombiniert mit Lokalanästhetika. Die „Quats“ wirken kaum viruzid und nur begrenzt antibakteriell, verlieren außerdem in saurem Gewebe an Wirkung und dringen kaum in die Tiefe vor, wo sich die wesentliche Infektion abspielt. Lutschtabletten mit den Antiseptika Amylmetacresol und Dichlorbenzylalkohol waren in einer Metaanalyse geringfügig wirksamer als Placebotabletten, jedoch wird hier ein Publikationsbias zugunsten des Präparates vermutet.

Lokale NSAR wirken auch systemisch

Das Arylpropionsäure-Derivat Flurbiprofen zählt zu den nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR). Analgetische und antiinflammatorische Effekte beruhen auf der Hemmung der Prostaglandin-Synthese. Flurbiprofen ist in Deutschland lediglich zur lokalen Anwendung im Mund-/Rachenraum und am Auge zugelassen. Die Tageshöchstdosis beträgt 50 mg, verteilt auf fünf Lutschtabletten oder 15 Sprühstöße; als maximale Anwendungsdauer werden drei Tage empfohlen. Lutschtabletten sind ab zwölf Jahren zugelassen, das Spray nur für das Erwachsenenalter. Halsschmerzen und Schluckbeschwerden werden signifikant nach 20 Minuten und das Schwellungsgefühl nach rund einer Stunde gelindert [2]. Bei 30 bis 50% der Patienten treten Schmeckstörungen, Taubheit, trockener Mund und Übelkeit auf. Die Flurbiprofen-Effekte dürften dabei zu einem relevanten Anteil systemisch bedingt sein. Die Substanz wird aus den Lutschtabletten rasch resorbiert und ist nach fünf Minuten im Blut nachweisbar. Trotz der geringen Einzeldosis von 8,75 mg entsprechen Nebenwirkungen und Gegenanzeigen der Flurbiprofen-Lokaltherapeutika jenen der oralen NSAR. Das bedeutet eine Gegenanzeige bei Patienten mit einer bekannten NSAR-Unverträglichkeit, Magengeschwüren oder Asthma, und eine zurückhaltende Empfehlung bei älteren Personen, bei denen Nebenwirkungen unter NSAR generell häufiger auftreten. Im Mai 2018 hat die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) daran erinnert, das Risiko für Hypersensitivitätsreaktionen unter Flurbiprofen-haltigen Rachentherapeutika zu beachten [3].

Zu den nichtsteroidalen Entzündungshemmern wird häufig auch Benzydamin gezählt, obwohl eine COX-Hemmung bei therapeutischer Dosierung keine entscheidende Rolle spielt. Dem benzylierten Indazol-Derivat werden antiinflammatorische (durch Zytokinhemmung), antioxidative, antiödematöse und leicht lokalanästhetische Eigenschaften zugeschrieben, es penetriert gut die Schleimhaut und reichert sich im entzündeten Gewebe an. Die Linderung von Rachenschmerzen und Schluckbeschwerden soll rasch eintreten und ist bei fünfmal täglicher Anwendung für sieben Tage einem Placebo signifikant überlegen. Benzydamin ist nicht ulzerogen, dennoch wird von der Anwendung bei Patienten mit Salicylat- oder NSAR-Überempfindlichkeit abgeraten. Bei Personen mit einer Vorgeschichte von Bronchialasthma können Bronchospasmen ausgelöst werden [4]. Benzydamin steht in Form von Lutschtabletten, Halsspray und Spül-/Gurgel­lösung (10 Vol.-% Alkohol, z. B. Tantum verde® Lösung) für die Selbstmedikation zur Verfügung. Seit Januar wird für Erwachsene zudem ein höher dosiertes rezeptpflichtiges Benzy­damin-Halsspray (3 mg/ml, Neo-angin® Benzydamin Spray forte gegen akute Halsschmerzen) offeriert. Die Benzydamin-Behandlung ist auf sieben Tage Dauer begrenzt.

Leitlinie empfiehlt systemische Therapie

Die Entzündungs- und Schmerzsymptomatik bei einer Pharyngitis ist, wie auch die anderer, eventuell gleichzeitig bestehender Erkältungssymptome, der Therapie mit oralen nichtsteroidalen Antiphlogistika zugänglich. Eine ältere Übersichtsarbeit belegt, dass orale NSAR als Substanzklasse auch Halsschmerzsymptome reduzieren können, sowohl innerhalb von 24 Stunden, als auch bei Einnahmedauer von zwei bis fünf Tagen [1]. Dies dürfte insbesondere bei stärkeren Schmerzen eine sichere Option sein – sofern die Nebenwirkungen beachtet werden. Vom kardiovaskulären Risikoprofil her werden Naproxen und Ibuprofen eher empfohlen als Diclofenac. Bei Kindern ist Ibuprofen das NSAR mit der längsten und größten Erfahrungssicherheit.

WirkstoffPräparatDarreichungsformAltersbeschränkung
Lokalanästhetika
AmbroxolMucoangin® 20 mgLutschtablettenab 12 Jahre
LidocainTrachilid® 8 mgLutschtablettenab 12 Jahre
Analgetika/Antiphlogistika
BenzydaminDifflam® 1,5 mg/mlSprayab Kindesalter*
Neo-angin® Benzydamin 3 mgLutschtablettenab 6 Jahre
Neo-angin® Benzydamin 1,5 mg/mlSprayab 6 Jahre
Neo-angin® Benzydamin 3 mg/mlSprayab 18 Jahre**
Tantum Verde® 3 mg/mlLutschtablettenab 6 Jahre
Tantum Verde® 1,5 mg/mlSpray / Lösungab 2 Jahre / ab 12 Jahre
FlurbiprofenDobendan® Direkt 8,75 mg / zuckerfreiLutschtablettenab 12 Jahre
Flurbiprofen-ratiopharm 8,75 mgLutschtablettenab 12 Jahre
Dobendan® Direkt 8,75 mgSprayab 18 Jahre
Flurbiprofen Dexcel® 8,75 mgSprayab 18 Jahre
Kombinationspräparate
Cetylpyridiniumchlorid, BenzocainDolo-Dobendan® 1,4 mg/10 mgLutschtablettenab 6 Jahre
2,4-Dichlorbenzylalkohol, Amylmetacresol, LevomentholNeo-angin® / zuckerfrei 1,2 mg/0,6 mg/5,72 mgLutschtablettenab 6 Jahre
Tyrothricin, Benzalkoniumchlorid, BenzocainDorithricin® 0,5 mg/1,0 mg/ 1,5 mg#Lutschtablettenab 2 Jahre
Benzydamin/CetylpyridiniumchloridSeptoflam 3 mg/1 mgLutschtablettenab 6 Jahre
Septolete® 1,5 mg + 5 mg/mlSprayab 6 Jahre
Befeuchtende und schleimhautschützende Mittel
Emser SalzEMS für KinderSprayab 3 Jahre
Isländisch Moos-ExtraktIsla® cassisLutschtablettenab 4 Jahre
Hyaluronsäure, Isländisch Moos, Xanthan, CarbomerIsla® med akutLutschtablettenab 6 Jahre
Hyaluronsäure, Xanthan, CarbomerGeloRevoice®Lutschtablettenab 6 Jahre

* sofern das Kind beim Sprühen den Atem anhalten kann

** verschreibungspflichtig

# Die Zusammensetzung von Dorithricin wurde im Vergleich zur Tabelle in der gedruckten DAZ am 9.2.2024 korrigiert.   

Literatur

[1] S3-Leitlinie Halsschmerzen. DEGAM-Leitlinie Nr. 14, Version 2.3 von Oktober 2020, AWMF-Register-Nr. 053-010

[2] Fachinformation Flurbiprofen-ratiopharm mit Honig- und Zitronen­geschmack 8,75 mg Lutschtabletten, Stand Oktober 2023

[3] Schlenger R. Abwarten und Tee trinken? Zu Vor- und Nachteilen von Halsschmerzmitteln Deutsch Apoth Ztg 2018;45:49

[4] Fachinformation Difflam 1,5 mg/ml Spray zur Anwendung in der Mundhöhle, Stand Mai 2022


Ralf Schlenger, Apotheker. Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

ausmerzen ?

von Dr Peter Post am 06.02.2024 um 23:06 Uhr

Macht die DAZ jetzt beim Aufstand gegen alles, was rechts ist, mit? Dabei könnte man doch Halsschmerzen auch unpolitisch bekämpfen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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