Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

31.10.2021, 07:30 Uhr

Apothekers Leben ist ganz schön knifflig – voll mit Risiken (Foto: Alex Schelbert) 

Apothekers Leben ist ganz schön knifflig – voll mit Risiken (Foto: Alex Schelbert) 


Die Tagebuch-Themen in dieser Woche: Ein Apotheker kämpft gegen die Präquali,  Apothekerkammern gegen die Verquickung von Telemedizinern und EU-Arzneiversandhaus. Und Fahrradkuriere als Bote fahren im Graubereich. Ganz verzwickt: Was können wir tun, wenn Kunden uns einen gefälschten Impfpass vorlegen? Nur das Risiko tragen? Und was hilft gegen Fachkräftemangel? Bessere Gehälter? Vielleicht hilft mehr Ehrlichkeit bei den Tarifverträgen, wünscht sich die Tarifpartei TGL. Und schon sorgen sich die niedergelassenen Doctores um sinkende Apothekenzahlen und wollen dispensieren. Ganz schön knitz. 

25. Oktober 2021

Nein, es muss nicht immer Plattform-Gedöns sein, es geht auch ohne. Wer keine Lust hat, monatlich ein paar hundert Euro an Plattformen zu bezahlen, sollte mal das Angebot des Gemeinschaftsunternehmens der beiden Großhändler Alliance Healthcare Deutschland (AHD) und Gehe anschauen. AHD und Gehe haben bereits Anfang September bekanntgegeben, dass man sich als einziger der großen Pharmagroßhändler nicht einer Plattform anschließt, sondern auf das eigene Online- und Webshop-Angebot setzt, offen für alle Kooperations- und Großhandelskunden. Mein liebes Tagebuch, das ist doch mal ein Angebot! Derzeit haben sie eine Online-Kampagne unter dem Slogan „So geht Apotheke im Internet: Online verkaufen, vor Ort Kunden binden“ gestartet, die auf das Online- und Webshop-Angebot aufmerksam macht. Das Angebot kann sich sehen lassen: z. B. die Möglichkeit, eine digitale Apotheken-Filiale aufzubauen, Anbindung an die Warenwirtschaft der Apotheke, Zustelloptionen wie Botendienststeuerung und Abholung zum Wunschzeitpunkt oder Komfort-Checkout mit Online-Bezahlmöglichkeiten via PayPal plus und mehr. Mein liebes Tagebuch, wer in Zukunft seine Apotheke hybrid ausrichten will, also seiner Vor-Ort-Apotheke einen Online-Shop hinzufügen möchte (angesichts des E-Rezepts muss man ernsthaft darüber nachdenken) ohne den teuren Überbau von Plattformen, kann seinen Kundinnen und Kunden ein zukunftsweisendes Angebot präsentieren.


Na, wie knitz ist das denn! Unsere lieben Heilberufsbrüder und -schwestern, die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte, vertreten durch den NAV-Virchowbund, sie verabschiedeten auf ihrer Bundeshauptversammlung des Verbands einen Antrag, das Dispensierrecht in einem Modellprojekt zu erproben. Sie wollen also selbst Arzneimittel abgeben. Als Grund geben sie an: die sinkenden Apothekenzahlen – der Gang zur Apotheke werde für Patientinnen und Patienten zur zusätzlichen Belastung. Der Modellversuch soll zeigen, „ob die Versorgung und die Zufriedenheit der Patienten verbessern wird“. Mein liebes Tagebuch, echt putzig, oder? Haben die  Niedergelassenen noch nichts von unseren perfekten Botendiensten gehört? Oder von Rezeptsammelstellen? Oder von den Versandaktivitäten unserer Vor-Ort-Apotheken? Sicher, es gibt ein paar Apotheken weniger als noch vor fünf Jahren, aber dass deswegen die Hausärzte ihre Arzneischränke auffüllen müssen, um die Versorgung sicherzustellen, ist ein Witz. Apotheken-Botendienst und -versand bringen unseren Patientinnen und Patienten ihre Arzneimittel nach Hause. Mein liebes Tagebuch, mal offen unter uns: Hinter dem Antrag der Niedergelassenen steckt doch vermutlich der heimliche Groll darüber, dass Jens Spahn die Apotheken mit in die Grippeschutzimpfung eingebunden hat und dass die Apotheken sich sogar vorstellen können, gegen andere Infektionskrankheiten, auch gegen Covid-19 zu impfen. Dieses Mal versuchen’s die Niedergelassenen halt mal mit dem Hinweis auf sinkende Apothekenzahlen. Dumm nur, dass die Patienten trotz sinkender Apothekenzahlen wirklich bestens versorgt werden.

 

Jens Spahn als Bundesgesundheitsminister ist bald Geschichte. Da bietet es sich an, mit Apothekers-Augen schon mal einen kleinen Blick zurück auf seine Amtszeit zu werfen mit dem Fokus auf Digitalisierung und Apotheke: Was hat er erreicht, was nicht und was wartet da noch auf die Person, die sein Ministerium übernehmen wird? DAZ.online sprach darüber mit Apotheker Ralf König aus Nürnberg, der als „Director Pharmacy“ des von Spahn ins Leben gerufenen Health Innovation Hub (hih) das Bundesgesundheitsministerium zur Digitalisierung in Gesundheitswesen berät. Das Gremium löst sich zum Jahreswechsel auf. Nach Meinung von König ist Spahn das Thema Digitalisierung mit viel Energie und Durchschlagskraft angegangen – geschafft hat allerdings auch er nicht alles. Was dringend noch einer Klärung bedarf, ist z. B. die angekündigte Rechtsverordnung, in der insbesondere Fragen zu Schnittstellen geklärt werden sollen, die auch für das E-Rezept wichtig sind. Zum Thema GEDISA, der eigenen Digitalisierungsgesellschaft der Apothekerverbände, äußert sich König eher zurückhaltend: „Ich weiß nicht, ob wir dafür eine eigene Gesellschaft brauchen, die viel Geld kostet.“ Chancen sieht der Apotheker bei den kommenden Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA). Und was das E-Rezept betrifft, so geht König davon aus, dass es zwar am Anfang des kommenden Jahres kommt, aber so nach und nach, was durchaus nicht kritisch zu sehen sei. Wichtiger sei es, sich im Vorfeld um Ausfallszenarien zu kümmern, z. B. was passiert, wenn die SMC-B-Karte oder das internet nicht funktioniert? Mein liebes Tagebuch, ein lesenswertes Interview.

26. Oktober 2021

Nein, das können wir nicht dulden und wir wollen das nicht: die intensive Zusammenarbeit zwischen einem EU-Versender und einer Online-Praxis. Beispielsweise das, was da die niederländische Shop-Apotheke zusammen mit der britischen Online-Praxis Zava verhackstückt: Der Versender leitete auf seiner Internetseite direkt zu den Online-Ärzten weiter, wo die Kunden des Versenders „Rezepte einfach online erhalten“, wie es dort hieß, nachdem sie einen kurzen medizinischen Fragebogen ausgefüllt haben. Mein liebes Tagebuch, das ist doch eine Art der unerlaubten Zusammenarbeit von Online-Arzneimittelversand und Online-Ärzten. Die Kammern Nordrhein und Westfalen-Lippe sahen in der Zusammenarbeit gleich mehrere wettbewerbsrechtlich relevante Rechtsverstöße und mahnten die Shop Apotheke ab. Die Kammern sind der Auffassung, dass auch im Ausland ansässige (Versand-)Apotheken keine Kooperationen mit Ärzten eingehen dürften. Mein liebes Tagebuch, vollkommen richtig. Da die  Shop-Apotheke allerdings keine Unterlassungserklärung abgeben wollte, landete der Fall vor dem Landgericht Köln: Das Gericht gab der Klage der Apothekerkammern in wesentlichen Punkten statt. Das Gericht sieht in der Zusammenarbeit von Shop-Apotheke und Zava einen Verstoß gegen das apothekenrechtliche Verbot der Zuführung von Patienten und einen Verstoß gegen das Fernbehandlungswerbeverbot. Außerdem darf der Versender nicht für den Online-Rezeptservice werben, ohne darauf hinzuweisen, dass die gesetzlich Versicherten die Kosten für die verschriebenen Arzneimittel in jedem Fall selbst zu tragen haben. Mein liebes Tagebuch, wehret den Anfängen! Solche Aktivitäten von Online-Praxen, die Rezepte gleich an Versandhaus  weiterleiten, müssen unterbunden werden. Ganz zu schweigen von der Art und Weise, wie Zava-Docs „behandeln“: Der Patient füllt nur einen Fragebogen aus, das reicht als Anamnese aus, und ein Rezept wird ausgestellt. Mein liebes Tagebuch, welch eine Farce! Im Prinzip geht es da doch für den Patienten nur darum, auf simplen Weg die Verschreibungspflicht zu umgehen, und für den kooperierenden Versender die Arzneimittel zu verkaufen. Mit Medizin, mit ärztlicher Sprechstunde hat das doch nichts zu tun!

 

Im letzten Tagebuch haben wir uns mit den Angeboten der Fahrradkurierdienste befasst: Sie wollen im Auftrag der Apotheken, und gegen Bezahlung versteht sich, die Botendienste übernehmen. Doch das geht so einfach nicht, wie eine DAZ-Nachfrage bei den Kammern ergab. Denn ein Bote muss eigentlich bei der Apotheke angestellt sein (was bei den „Riders“ der Kurierdienste nicht der Fall ist) oder die Apotheke braucht eine Versandhandelserlaubnis. Allerdings, mein liebes Tagebuch gibt es, wie so oft, auch einen Graubereich, den Kammern in unterschiedlichem Maß durchgehen lassen. Es kommt nämlich auch darauf an, inwieweit die Apothekenleitung gegenüber den „Boten“weisungsbefugt ist. So steht es auch in der Begründung zur Apothekenbetriebsordnung: „[unter Botendienst] ist die Zustellung durch Personal der Apotheke oder auch externes Personal, das der Weisungshoheit der Apothekenleitung untersteht, zu verstehen. Und das, mein liebes Tagebuch, hänge wiederum von der individuellen Vertragsgestaltung ab. Tja, was macht man daraus?

27. Oktober 2021

Präqualifizierung – ein Wort, bei dem wohl die meisten von uns Apothekers einen dicken Hals kriegen: Die Erbringung von extra Nachweisen, dass man geeignet ist, Hilfsmittel zu Lasten der GKV abgeben zu dürfen. Das ist nichts als Bürokratie, mein liebes Tagebuch. So auch bei der ab 1. Januar erforderlichen „Prä-Quali“ (kommt vermutlich vm Wortstamm Qual) für die Abgabe von Trink- und Sondennahrung. Mancherorts gibt es allerdings Ausnahmen, beispielsweise in Baden-Württemberg. Hier ist vorerst keine Präqualifizierung notwendig, da die Versorgung mit diesen Produkten im Arzneimittelliefervertrag geregelt ist. Wie schön, mein liebes Tagebuch, doch letztlich hilft das nicht viel und es wird wohl nicht immer so bleiben. So rät bereits der Apothekerverband dazu, diesen Bereich beim nächsten Audit mit aufzunehmen. Nun ja, die Bürokratie ist wie eine Krake.

 

Für den Apothekeninhaber Christian Fehske aus Hagen in Westfalen ist dieser Präqualifizierungs-Irrsinn Anlass, einen Brief ans Bundesinnenministerium zu schicken: Fehske fordert darin,  Apotheken mit gültiger Betriebserlaubnis automatisch als präqualifiziert anzuerkennen. Zudem regt er eine „Beweisumkehr“ für Krankenkassen zum nachträglichen Ausschluss von Leistungserbringern von der Belieferung an. Mein liebes Tagebuch, endlich, ein dickes Danke für diese Initiative! Warum hat das nicht schon längst mal ein Apothekerverband gemacht? Wir können doch nicht jeden Irrsinn mitmachen, mein liebes Tagebuch. Denn es ist doch in der Tat so, wie Fehske ans Ministerium schreibt: Präqualifizierung ist völlig überflüssig, denn schließlich zählten Apotheken zu einer Gruppe von Unternehmen, die von den unteren Gesundheitsbehörden regelmäßig und streng überwacht werden. Mein liebes Tagebuch, hoffen wir, dass jetzt endlich ein Stein ins Rollen kommt. Immer, wenn Politiker(innen), auch Berufspolitiker(innen) ihr Amt antreten, schwurbeln sie von Bürokratieabbau, aber es passiert nichts. Jetzt wäre Gelegenheit, den Worten Taten folgen zu lassen. Präqualifizierung für Apothekers ist so überflüssig wie ein Kropf.

28. Oktober 2021

DocMorris knallt schon seit mehreren Monaten die Plakatwände, Litfaßsäulen und Posterwände aller Art mit seiner E-Rezept-Werbung voll – der geneigte Versandkunde könnte glauben gemacht werden, E-Rezept hätten was mit DocMorris zu tun. Mein liebes Tagebuch, hoffen wir, dass diese Werbung nur eine ultrakurze Halbwertszeit hat und ins Nirwana des Vergessens verpufft. Denn jetzt geht’s bei uns Apothekers los, die „Einfach-unverzichtbar-Kampagne“ der ABDA widmet ihre Herbstwelle dem E-Rezept, das, nun ja, mehr oder weniger am 1. Januar 2022 kommen wird. Plakate und Handzettel, die erklären, wie das E-Rezept funktioniert, was mit den Daten passiert, werden in den Apotheken hängen bzw. ausgeteilt. Aber auch fürs Apothekenteam gibt’s ein Handout, das erläutert, was mit dem E-Rezept auf uns zukommt. Außerdem findet das Team auf der Internetseite apothekenkampagne.de die FAQs, die wichtigsten Fragen und Antworten zum E-Rezeptthema, einen Posting-Service für Facebook & Co. und weiteres Material zur Kampagne. Mein liebes Tagebuch, hoffen wir, dass unsere lieben Kundinnen und Kunden erkennen: Unsere Vor-Ort-Apotheken sind und bleiben unsere Apotheken, offline und online. Und daran wird sich die Kampagne ein Stück weit messen lassen müssen. Aber noch wichtiger wird sein, dass wir Apothekers bestens vorbereitet sind und den Menschen überzeugend klar machen können, wo und wie das E-Rezept einzulösen ist.

 

Jetzt kommt sie also, die GEDISA, die „Gesellschaft für digitale Services der Apotheken“, ein Projekt aller Landesapothekerverbände Deutschlands. Wirklich aller? Nein, mein liebes Tagebuch, der Apothekerverband Westfalen-Lippe zickt noch ein bisschen. Dieser Verband hält es mit Blick auf die finanzielle Tragweite des Vorhabens für unumgänglich, zunächst die Mitglieder über die Beteiligung abstimmen zu lassen. Und das ist gut so. Denn das GEDISA-Projekt verlangt von allen Verbandsmitgliedern einen zusätzlichen finanziellen Aufwand von etwa 600 Euro je Apotheke im Jahr. Vermutlich wird auch dieser Verband ein wenig später sein Placet geben, aber es ist richtig, dass der formale Weg eingehalten wird. Immerhin, die GEDISA will ja auch etwas bieten fürs Geld, nämlich kommerziellen Anbietern die Stirn bieten und die Vor-Ort-Apotheke in der digitalen Welt in Stellung bringen. Gute Ziele, wenn sie denn gelingen. Die Frage, ob diese Ziele auf anderen Wegen erreichbar gewesen wären, zum Beispiel mit der schon vorhandenen ABDA-Tochter NGDA, der Netzgesellschaft Deutscher Apotheker mbh, die sich ebenfalls das Ziel gesetzt hat, „Motor für die Digitalisierung und Vernetzung von Apotheker für Apotheker und deren Geschäftspartner“ zu sein, das weiß der Himmel oder vielleicht auch der Deutsche Apothekerverband – so richtig offiziell hat’s wohl noch keiner erklärt, warum GEDISA und nicht NGDA. Aber nun ja, man will wohl eben etwas, was beim Verband angesiedelt ist, etwas nur für die Verbandsmitglieder und nicht für alle.

 

Es tut sich viel im digitalen Markt, da ist es immer wichtig, gut informiert zu sein. Neues vermeldet der große Schweizer Telemedizinanbieter Medgate. Er arbeitet in Zukunft mit dem deutschen ADAC zusammen, was Vorteile für ADAC-Premium-Mitglieder und Auslandskrankenversicherte dieses Automobilclubs bringt. Diese können nämlich ab sofort auf Auslandsreisen Medgate-Ärzte über eine App konsultieren. Diese ADAC-Mitglieder haben also auf Auslandsreisen einen niedrigschwelligen Zugang zu deutschsprachigen Ärzten, wie Medgate in einer Pressemitteilung mitteilt. Mein liebes Tagebuch, das kann in der Tat von Vorteil sein. Hinter dem Unternehmen Medgate, das seit 1999 existiert und mehr als 500 Mitarbeitende weltweit beschäftigt, steckt ein Telemedizinanbieter, der bereits über zehn Millionen Telekonsultationen durchgeführt hat. Der Anbieter ermöglicht nach eigenen Angaben telemedizinische Beratung und Behandlung per App, Telefon und Video rund um die Uhr und an 365 Tagen im Jahr, und das nicht nur zu ausgewählten Indikationen, wie so manch anderes Telemedizinportal. Übrigens, Medgate kooperiert auch mit der Online-Tochter apotheken.de des Deutschen Apotheker Verlags: Patienten erhalten über die Medgate-App einen Arzttermin bei einem in Deutschland approbierten Facharzt. Nachdem das Rezept vom Arzt über Medgate erstellt wurde, sendet der Patient die Verschreibung an die gewünschte Apotheke vor Ort. Medgate ist auch bekannt durch seine Mini-Kliniken, die an Schweizer Apotheken angedockt sind und einen niedrigschwelligen Zugang zur Gesundheitsversorgung ermöglichen. Solche Mini-Kliniken sollen, so die Pläne, auch in Deutschland umgesetzt werden. Der Telemedizinanbieter kooperiert für dieses Projekt mit dem Apothekendienstleister Noventi.

29. Oktober 2021

Es war ihre letzte Jahreshauptversammlung: Dr. Heidrun Hoch, Vorsitzende der Tarifgemeinschaft der Apothekenleiter in Nordrhein (TGL) stellte sich nicht mehr zur Wahl als TGL-Vorsitzende, ein Amt, das sie 15 Jahre lang ausübte. Sie übergab ihr Amt an Constantin Biederbick, der zuvor ihr Stellvertreter war. Neuer Stellvertreter ist Sebastian Berges. Heidrun Hoch wurde zugleich Ehrenvorsitzende. Mein liebes Tagebuch, 15 Jahre Tarifpolitik im Apothekenbereich zu machen – das muss man wollen, dafür braucht man eine Menge berufspolitisches Engagement. Heidrun Hoch hat es – sie war auch als Delegierte in der Apothekerkammer Nordrhein aktiv, zeitweise auch im Kammervorstand. Gehälter für Apothekenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter auszuhandeln war bekanntlich noch nie einfach, erst recht nicht in den letzten Jahren. Denn das Apothekenhonorar unterliegt keiner dynamischen Anpassung und schon gar nicht einer jährlichen.    Das apothekerliche Fixhonorar wurde in 17 Jahren nur ein einziges Mal, nämlich 2013, um 25 Cent erhöht, während die Kosten überproportional gestiegen sind. Und aus diesem Apothekenfestzuschlag sind bekanntlich die gesamten Betriebskosten der Apotheke zu decken, auch die Personalkosten. In diesem Dilemma stecken die Tarifparteien, die Apothekengewerkschaft Adexa und die beiden Arbeitgebervertretungen, der ADA (Arbeitgeberverband Deutscher Apotheken) und die TGL Nordrhein, zuständig für den Kammerbereich Nordrhein. Die Frage ist: Wie lassen sich Apothekengehälter nach oben anpassen, obwohl das Apothekenhonorar unverändert bleibt? Mein liebes Tagebuch, letztlich hat diese Frage auch mit dem Fachkräftemangel zu tun, ein Thema, das Heidrun Hoch in den Mittelpunkt ihres Berichts zur Jahreshauptversammlung stellte. Hoch ist sich bewusst, dass für eine Mitarbeiterin, einen Mitarbeiter Geld zwar nicht alles ist, aber eine wesentlich Grundlage. Wenn sich junge Menschen für einen Beruf entscheiden, schauen sie nicht nur interessengerichtet, sondern sie informieren sich auch über Verdienstmöglichkeiten. Mein liebes Tagebuch, wie wahr – Fakt ist, dass die Apothekengehälter sicher nicht auf den vorderen Plätzen liegen. Wie Hoch berichtete, entscheide sich nur ein Drittel der Approbierten für eine Tätigkeit in der Apotheke. Laut einer Umfrage unter TGL-Mitgliedern vertritt mehr als die Hälfte von ihnen eher nicht die Meinung, dass dem Fachkräftemangel durch Lohnerhöhungen zu begegnen sei. Aber, so Hoch, „wenn wir es nicht übers Geld regeln, wie regeln wir es dann“? Gute Frage, mein liebes Tagebuch. Da mittlerweile fast alle Apotheken „über Tarif“ zahlten, so Hoch, „könnten wir einen positiven Effekt erreichen, wenn wir die tarifliche Tabelle an die tatsächlich gezahlten Löhne schrittweise annähern würden“, allerdings ginge das nur, wenn die übertariflichen Anteile in gleicher Weise zurückgefahren würden. Hoch: „Vielleicht wäre es tatsächlich klüger, sich ein wenig ‚ehrlicher‘ zu machen.“ Mein liebes Tagebuch, wir wünschen Heidrun Hoch alles Gute und freuen uns, wenn sie die Berufspolitik weiterhin kritisch begleitet.

 

Es kommt häufiger vor, als man anfangs dachte: Nahezu täglich ist derzeit in den Medien von Geschäften mit gefälschten Covid-19-Impfzertifikaten zu lesen. Apotheken sind immer wieder mit zweifelhaften Impfbüchern konfrontiert, die es gewissenhaft zu überprüfen gilt. Wer Als Apothekerin, als Apotheker wissentlich falsche Zertifikate ausstellt, dem drohen Strafen. Wer aber als Patient. als Kunde mit einem gefälschten Impfbuch ein echtes digitales Zertifikat erhalten will, wird wohl straffrei davon kommen – denn es scheint hier nach Auffassung des Landgerichts Osnabrück eine Strafbarkeitslücke zu geben: Das Vorzeigen eines gefälschten Impfausweises in einer Apotheke, um ein digitales Impfzertifikat zu erlangen, ist nach derzeitiger Rechtslage kein strafbares Handeln. Andererseits kann aber der Gebrauch eines gefälschten Gesundheitszeugnisses, wie es der Impfpass darstellt, durchaus strafbar sein, aber nur, wenn man es einer Behörde oder einer Versicherungsgesellschaft vorlegt, heißt es im Strafgesetzbuch. Mein liebes Tagebuch, die Apotheke ist weder das eine noch das andere. Immerhin, die Apotheke darf einen gefälschten Impfausweis sicherstellen, da vom Gebrauch dieses gefälschten Dokuments aufgrund der bestehenden Ansteckungsgefahr eine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht. Und nun? Darf die Apotheke dann auch Anzeige bei der Polizei erstatten? Nicht so ohne weiteres, meinen einige Apothekerkammern, denn dazu müsste die Fälscher-Person die Apotheke bzw. die Mitarbeiter(innen) von der Schweigepflicht entbinden. Allerdings teilen diese Ansicht nicht alle Juristen. So halten es einige zum Schutz der Allgemeinheit für sinnvoll, bei begründetem Verdacht des Vorliegens einer Fälschung entsprechende Maßnahmen einzuleiten, wie es juristisch heißt. Ein Verstoß gegen die Schweigepflicht wäre somit durch eine Notstandshandlung gerechtfertigt. Mein liebes Tagebuch, Juristen schlagen vor, Kontakt mit dem Impfarzt aufzunehmen. Falls dieser nicht erreichbar ist, könne man einen Kollegen um dessen Einschätzung bitten, ob das Dokument echt ist oder nicht. Und ja, es wäre natürlich am besten, wenn die Person mit dem mutmaßlich gefälschten Impfpass eine Schweigepflichtentbindungserklärung unterschreiben würde – was wohl unrealistisch ist. Und so bleibt letztlich das Risiko wieder an der Apotheke hängen, mein liebes Tagebuch, eine pauschale Empfehlung gibt es hier nicht. Anders in Niedersachsen: Dort sieht die zuständige Staatsanwaltschaft die Schweigepflicht nicht verletzt, wenn die Apotheke die Polizei einschaltet – dazu verpflichtet ist sie allerdings auch nicht. Aber was passiert nach der Anzeige – wo es doch nicht strafbar ist, der Apotheke einen gefälschten Impfpass vorzulegen? Also, letztlich würde nur eine Nachbesserung durch den Gesetzgeber helfen. Mein liebes Tagebuch, so ist das reale Leben. Und wir Apothekers müssen damit leben. 

 

Was bei Rabattverträgen der gesetzlichen Krankenkassen abläuft, war bisher so gut wie nicht öffentlich geworden. Dass die Pharmahersteller den Kassen mitunter erhebliche Preisnachlässe anbieten, um den Zuschlag und damit einen Rabattvertrag zu bekommen, konnte man sich vorstellen. Aber was heißt hier „erheblich“? Der Branchendienst „Arznei-Telegramm“ (AT) berichtet nun von Rabattverträgen zwischen einer AOK-Kasse und einem Hersteller, die versehentlich öffentlich geworden sind: So soll der Indien-basierte Generika-Anbieter Glenmark für Präparate mit dem Opioidanalgetikum Buprenorphin mehr als 99% Rabatt auf den Herstellerabgabepreis gewähren, für ein anderes Präparat sogar 99,96%, wie das Arznei-Telegramm berichtet. Laut ProGenerika-Verband sollen solche „brutalen“ Rabatte Realität sein. Mein liebes Tagebuch, können Hersteller Generika verschenken? Natürlich nicht, man geht davon aus, dass man sich von solchen Rabatten wohl Begleit- und Nebeneffekte erwartet. Man kann sich z. B. vorstellen, dass die Anwenderinnen von Kontrazeptiva, deren Kosten von den Kassen bis zu einem Alter von 22 Jahren übernommen werden, auch später bei diesen Präparaten bleiben und den regulären Preis aus eigener Tasche bezahlen. Aber auch andere, weniger durchschaubare Mechanismen seien denkbar, so das Arznei-Telegramm. Mein liebes Tagebuch, welche Folgen hat das eigentlich? Auch die Kassen werden sich vorstellen können, dass solche Rabatte nicht kostendeckend sind und wettbewerbsverdrängend, wie es im AT-Bericht heißt. Welche Folgen das hat? Klar, die Abhängigkeit von Lohnherstellern aus Ländern wie Indien und China bleibt. Und von wegen Rückführung der Arzneimittelproduktion nach Europa, wie es sich auch einige Gesundheitspolitiker großspurig wünschen – bei Rabatten von fast 100 Prozent ist daran doch nicht zu denken. Mein liebes Tagebuch, wo führen uns die Rabattverträge hin?



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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