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Was sind die drei größten Wünsche der Apotheker? Unser Präsident weiß es! Warum mag Lauterbach die Vor-Ort-Apotheken nicht? Keiner weiß es. Außerdem: Warum Gröhe nicht ganz glücklich ist, obwohl der Bundesrat auch ein Rx-Versandverbot möchte. Warum wir unseren Versendern bald Tschüss sagen müssen. Wie ein zauberhaftes Video unser altes Apothekerhaus glänzen lässt.
21. November 2016
Mein liebes Tagebuch, Karl Lauterbach mag die Vor-Ort-Apotheke nicht. Der SPD-Gesundheitsexperte möchte lieber die Versandapotheke, das kleine Pflänzlein, stärken. Und damit auch alle seine lieben Genossinnen und Genossen von der SPD-Bundestagsfraktion so denken und handeln wie der große Professor Lauterbach, hat er ihnen einen Brief geschrieben. Tenor: Lasst Euch nicht von den Briefen der Apothekers, die ihr gerade bekommt, beeinflussen. Die wollen ein Rx-Versandverbot und damit nur ihr Pfründe mehren. Dabei geht es denen zurzeit echt gut, die haben durchschnittlich 2,4 Mio. Euro Umsatz, in den letzten Jahren je 100.000 Euro mehr. Ein Rx-Versandverbot ginge nur zu Lasten der Patienten. Wir als SPD müssen die Interessen der Patienten und Versicherten in den Vordergrund stellen. „Wir sind zu einem kurzfristigen Versandhandelsverbot zu Lasten der Patientinnen und Patienten nicht bereit“, schmettert er seinen Mitgliedern der Bundestagsfraktion entgegen. Seine einzigen versöhnlichen Töne für die Apotheken vor Ort: Er will „langfristig“ Verbesserungen bei der Honorierung von Not- und Nachtdiensten vornehmen und Beratungsleistungen besser vergüten. Mein liebes Tagebuch, wieso kommt mir bei diesen Sätzen gerade mein schönes altes Märchenbuch in den Sinn, aus dem ein Professor mit Fliege vorliest?
Ja, und dann der Lindner von der FDP! Dem Bundesvorsitzenden steckt noch das Hotel-Bonbon im Hals. Und jetzt tut er alles, um nicht zu nahe an die Apotheker zu rücken: Bloß nicht das G’schmäckle bekommen, man sei eine apothekerfreundliche Partei. Also: Freier Versand für Rx, auch wenn wir früher dagegen waren. Was stört uns unser G’schwätz von gestern. Heute heißt die FDP-Parole: Mehr Wettbewerb, keinen Naturschutz für die Apotheken. Mein liebes Tagebuch, sag zum Abschied leise Servus – zur FDP.
22. November 2016
Es glitzert. Es glänzt. Es ist sinnlos. Ich will es! Mein liebes Tagebuch, ich biete mit: Das frühere ABDA-Domizil, das Mendelssohn-Palais in Berlin, Jägerstraße, Nähe Gendarmenmarkt, wird meistbietend verkauft. Provisionsfrei! So eine historische Stätte, frisch aufgehübscht nach neuesten Brandschutzbestimmungen. Ein Juwel. Ach wie ist das schön! Wenn man bedenkt, welch geschichtsträchtigen Entscheidungen dort für die deutsche Apothekerschaft getroffen wurden (mein liebes Tagebuch, hilf mir mal eben, was war das nochmal?). Im Kaminzimmer mit Holztäfelungen und Stoffbekleidungen an den Wänden – einfach zu schön. Jetzt, wo’s auf den Markt kommt, kann man sich das Haus und seine Räume endlich mal in Ruhe anschauen, im Internet, und einen virtuellen Rundgang machen. Und sogar ein himmlisch-schönes Video zum Haus darf man sich reinziehen. Ein Märchen aus Tausend und einer Nacht. Eigentlich schade drum. Tja, mein liebes Tagebuch, damals waren wir Apothekers noch wer!
23. November 2016
Es gibt keinen Bedarf für Rx-Versand – das sollten die Apotheker als Botschaft vermitteln, meint Peter Froese, Verbandschef von Schleswig-Holstein. Wenn Versender Insulin in der Sommerhitze verschicken und Benzos im Hausflur ablegen, wo Kinder spielen – das kann nicht sicher sein. Froeses Verband macht daher eine Kampagne mit dem Hase-und-Igel-Motiv und dem niederdeutschen Slogan: „Ick bün all dor“, was so viel heißt wie „bin schon da“, die Apotheke vor Ort ist schon da. Der Apotheker als Igel, der vor Ort ist, der Versender als abgehetzter Hase, der mit seinem Päckchen immer zu spät kommt. Mein liebes Tagebuch, das müsste doch auch Lindner und Lauterbach verstehen.
24. November 2016
Schon gehört, mein liebes Tagebuch, unsere lieben Versender wollen auswandern! Nach Holland! Weil sie in Deutschland keine Boni und Rabatte geben dürfen und dadurch im Nachteil sind gegenüber ihren niederländischen Kollegen wie DocMorris, Europa Apotheek oder Shop Apotheke. Sie fühlen sich diskriminiert. Ist ja auch wirklich nicht schön, so ein Versender zweiter Klasse zu sein. Dabei rennen ihnen die Kunden schon die Bude ein und fragen nach Boni und Rabatten – und sie dürfen hier in Deutschland nicht. „Viel länger als ein halbes Jahr lässt sich die derzeitige Situation nicht aushalten“, sagt Oberversender Christian Buse. Mein liebes Tagebuch, kann man echt gut verstehen. Also, dann auf nach Holland, gleich neben DocMo in Heerlen gibt es im Industriegebiet noch freie Flächen. Da kann man schöne Logistik- und Lagerhallen hinbauen. Und dann seid ihr zarten Lauterbach-Pflänzchen alle zusammen und könnt satte Boni und Rabatte ausbaldowern. Die paar Euro Investitionskosten fürs neue Equipment steckt ihr doch weg wie nichts. Auf ein paar rote Zahlen mehr oder weniger kommt’s dann auch nicht mehr an. Also, macht’s gut und Tschüss!
Fünf Minuten, drei Wünsche. Der Berliner Tagesspiegel hatte Lobby-Vereinigungen eingeladen, einem ausgewählten Publikum aus hochrangigen Politikern, Journalisten und anderen Lobbyisten ihre wichtigsten Forderungen in einem fünfminütigen Briefing vorzustellen. Der ABDA-Präsident war dabei. Also, los geht’s: Wenn uns die Fee fragt, welche drei Wünsche auf Apothekers Turbo-Wunschliste stehen, so sind das nach Meinung von Schmidt die folgenden drei (nein, das Rx-Versandverbot ist es bestimmt nicht. Da gibt es Wichtigeres, das uns weiter trägt, nämlich): die Freiberuflichkeit, die Arzneimitteltherapiesicherheit verbessern mit einem gemeinsamen Medikationsmanagement durch Arzt und Apotheker, und Wunsch drei: eine „systematische Vergütungsreform mit verlässlichen und leistungsgerechten Regeln für Apotheken“. Mein liebes Tagebuch, Bingo, da steckt alles drin. Aus diesen drei Wünschen kann man wirklich nahezu alles ableiten, was uns Apothekers in die Zukunft tragen kann. Schmidt hat der in der Luft liegenden Versuchung, ein plattes Rx-Versandverbot zu fordern, widerstanden. Er hat es aber am Rande indirekt mit untergebracht: Die Freiberuflichkeit müsse gegenüber Angriffen aus der EU verteidigt werden. Oh, gäbe es jetzt die Fee, die uns mit ihrem Zauberstab übers mehr oder weniger vorhandene Haupthaar streichen und diese drei Wünsche erfüllen könnte – für uns Apotheker wäre das der Pharmazeuten-Himmel auf Erden.
Mein liebes Tagebuch, wir sind hinter unserem HV-Tisch allerdings nicht bei Wünsch-Dir-was, sondern bei So-isses. Also, wie stets denn mit der Wahrscheinlichkeit, dass diese Wünsche wahr werden? Unsere Freiberuflichkeit und was damit zusammenhängt, werden wir auch weiterhin mit Zähnen und Klauen verteidigen müssen, gegen Europa, gegen neoliberale Ökonomen, gegen Kettenliebhaber. Eine Vergütungsreform, an deren Ende eine leistungsgerechte Honorierung steht – nun ja, da ist das Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums in der Mache: Ausgang ungewiss. Vielleicht kommt es beim Regierungswechsel 2017/18 unter die Räder. Es wird ein zäher Kampf bleiben. Und unsere Rolle bei der Arzneimitteltherapiesicherheit? Konkret: unsere Mitwirkung beim Medikationsmanagement? Da könnte sich in der Tat am ehesten etwas tun. Schmidt konnte in der Tagesspiegel-Diskussionsrunde für seine Forderung Zustimmung von der SPD ernten. Edgar Frank (SPD), Vorsitzender des Gesundheitsausschusses im Bundestag, meinte, der Gesetzgeber sollte nun wirklich mal prüfen, ob Apotheker nicht doch stärker in den Medikationsplan einbezogen werden müssen. Auch Dr. Gabriele Meyer, Mitglied im Sachverständigenrat für Gesundheit, will die Apotheker am Medikationsplan unbedingt beteiligt wissen. Und die Grüne Kordula Schulz-Asche twitterte: „Endlich Einbindung der Apotheken ins Medikationsmanagement ist tatsächlich zentrale Forderung im Sinne der Patienten.“ Mein liebes Tagebuch, da könnte sich was tun. Man sieht, dass ein Medikationsplan beim Apotheker gut aufgehoben wäre; dass Apotheker öfters die Anlaufstelle für Fragen der Arzneimitteltherapiesicherheit sind als Ärzte; dass OTC-Käufe nicht auf dem Medikationsplan landen. Und, mein liebes Tagebuch, gerade jetzt, vor dem Hintergrund des EuGH-Urteils, das die Vor-Ort-Apotheken benachteiligt, sehen die meisten Politiker: Für die Apotheke vor Ort muss etwas getan werden. Die Chance, dass wir stärker beim Medikationsplan miteinbezogen werden, wächst.
25. November 2016
Alltag in Deutschlands Apotheken: Lieferengpässe. Stimmt, mein liebes Tagebuch, da war ja noch was. Es gibt noch mehr Probleme als „nur“ das EuGH-Urteil. Das ARD-Magazin Kontraste hat sich des Themas Lieferengpässe angenommen. Die geplante Änderung des Arzneimittelgesetzes greife zu kurz. Die Kritik von Kontraste: Pharmaunternehmen und Großhändler haben schon heute einen Sicherstellungsauftrag, dem sie offensichtlich nicht nachkommen. Mein liebes Tagebuch, die Politik lässt’s laufen, die Apotheken rödeln und der Patient hat das Nachsehen. Lieferengpässe – Alltag in Deutschland.
Der Bundesrat hat sich mit dem Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz (AM-VSG) befasst – und sich sogar dafür ausgesprochen, mit diesem Gesetz auch ein Rx-Versandverbot einzuführen. Klingt zunächst mal gut, mein liebes Tagebuch, allerdings: Der Bundesrat hat beim AM-VSG nur empfehlende Funktionen, da es nicht zustimmungspflichtig ist. Außerdem will Gröhe ein Rx-Versandverbot nicht übers AM-VSG durchsetzen, weil es dieses Gesetzesvorhaben verzögern könnte. Gröhe strebt eine eigene gesetzliche Regelung an.
Für uns Apotheker sind im AM-VSG aber darüber hinaus drei weitere Punkte von besonderem Interesse: das Rezepturhonorar und die BtM-Gebühr, die Importförderklausel sowie die Möglichkeit zur Honorierung pharmazeutischer Dienstleistungen. Immerhin, mein liebes Tagebuch, bei der kleinen Erhöhung des Rezepturhonorars und der BtM-Gebühr hatte der Bundesrat nichts zu auszusetzen. Aber von einer Streichung der Importförderklausel will die Länderkammer partout nichts wissen. Seltsam, wo doch die Nachteile so offensichtlich sind: Importe sind ein Einfallstor für gestohlene oder gefälschte Arzneimittel und zudem ist diese Klausel durchs AMNOG überflüssig geworden, es gibt günstigere Sparmöglichkeiten für die Kassen. Und auch zu einer Klarstellung im SGB V, dass ergänzende Vereinbarungen zwischen Apotheker- und Kassenverbänden auf Landesebene geschlossen werden dürfen, aufgrund derer dann Apothekerdienstleistungen von den Kassen honoriert werden können, konnte sich der Bundesrat nicht durchringen. Warum die Länderkammer das ebenso wenig einsieht wie die Abschaffung der Importförderklausel, ist ein Rätsel. Wie gesagt, die Länder haben hier nur empfehlenden Charakter. Es bleibt spannend.
9 Kommentare
Legal soll das sein
von Karl Friedrich Müller am 28.11.2016 um 7:50 Uhr
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Auch unser Problem neben dem Nitrat im Grundwasser
von KarlHeinz Karius am 27.11.2016 um 22:13 Uhr
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Jetzt bin ich der Hase ..
von Christian Timme am 27.11.2016 um 12:14 Uhr
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Armer Igel und armer Hase.
von Christian Timme am 27.11.2016 um 11:50 Uhr
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Die letzte Meile
von Ulrich Ströh am 27.11.2016 um 10:29 Uhr
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AW: Die letzte Meile der Apotheker ...
von Christian Timme am 27.11.2016 um 13:44 Uhr
Lauterbach
von Frank ebert am 27.11.2016 um 10:14 Uhr
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Ich korrigiere
von Christiane Patzelt am 27.11.2016 um 8:49 Uhr
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Kopf nicht hängen lassen
von Christiane Patzelt am 27.11.2016 um 8:42 Uhr
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