Sicherheitsbedenken sind ein Klasseneffekt

JAK-Inhibitoren sind für zahlreiche Patienten nur noch letzte Wahl

Stuttgart - 03.11.2022, 11:00 Uhr

Für Jakavi und Inrebic gelten die neuen PRAC-Empfehlungen nicht. (s / Foto: M.Rode-Foto / AdobeStock)

Für Jakavi und Inrebic gelten die neuen PRAC-Empfehlungen nicht. (s / Foto: M.Rode-Foto / AdobeStock)


Januskinase-Inhibitoren haben in den vergangenen Jahren vielen Patient:innen mit chronisch entzündlichen Autoimmunerkrankungen Hoffnung gemacht – auch weil sie in zahlreichen Indikationen oral eingenommen werden können. Zahlreich sind allerdings auch ihre möglichen Nebenwirkungen. Laut Pharmakovigilanzausschuss der EMA sollten sie deshalb bei vielen Patient:innen künftig nur noch angewendet werden, wenn es keine Alternativen gibt.

Der orale Januskinase-(JAK)-Inhibitor Tofacitinib (Xeljanz®) kam in den USA bereits im Jahr 2012 auf den Markt. Auch die europäische Arzneimittelbehörde EMA hatte sich 2013 bereits mit der Zulassung von Xeljanz beschäftigt, diese aber abgelehnt. Auf Verlangen des Antragstellers Pfizer beschäftigte sich die EMA direkt im Anschluss ein zweites Mal mit dem Antrag und lehnte ihn im Juli 2013 erneut ab. Es bestanden große Sicherheitsbedenken wegen schwerer Infektionen, die allgemein unter Immunsuppressiva auftreten können. 

Daneben wurden aber auch andere Sicherheitsprobleme hervorgehoben: Tumoren, gastrointestinale Perforationen, Leberschäden und erhöhte Blutfettwerte. Erst 2017 konnte auch die EMA überzeugt werden, den Januskinase-Hemmer zur Zulassung zu empfehlen. Und seit 2019 musste sich ihr Pharmakovigilanzausschuss PRAC erneut mit der Sicherheit von Tofacitinib beschäftigen. Seitdem standen vor allem Thromboserisiken und die Frage nach der richtigen Dosierung von Tofacitinib im Zentrum.

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Die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) informierte schließlich im März 2020 über risikominimierende Maßnahmen aufgrund des Risikos venöser thromboembolischer Ereignisse sowie schwerwiegender und tödlich verlaufender Infektionen im Zusammenhang mit Xeljanz (Tofacitinib). 2021 griff sie dann weitere Sicherheitsbedenken aus den USA auf. Dabei ging es um ein erhöhtes Risiko von schwerwiegenden kardialen Ereignissen sowie von Tumoren unter der Therapie mit Xeljanz Film- und Retardtabletten. Kurz darauf wurde auch in Deutschland ein entsprechender Rote-Hand-Brief veröffentlicht. 

Bereits 2019 Verdacht auf Klasseneffekt

Während sich in Deutschland alle geäußerten Sicherheitsbedenken auf Tofacitinib konzentrierten, konnte in den USA bereits im Jahr 2019 der Verdacht aufkommen, dass das Sicherheitsprofil der JAK-Inhibitoren insgesamt kritischer betrachtet werden sollte als zuvor. Das Nachrichtenportal FiercePharma berichtete damals, dass Xeljanz nicht der erste Januskinase-Inhibitor ist, der dosisbezogene Sicherheitsprobleme mache. So habe die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA Baricitinib in Olumiant® erst 2018 zugelassen – und zwar zunächst nur in der niedrigeren 2-mg-Dosierung. In Deutschland ist auch die 4-mg-Dosierung erhältlich.

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Im Februar dieses Jahres hat der PRAC schließlich bekannt gegeben, der Frage nach dem Klasseneffekt nachzugehen und ist im Oktober nun zu einem Ergebnis gekommen, dass es sich bei den Sicherheitsbedenken zu Tofacitinib tatsächlich um einen Klasseneffekt handelt, der für alle JAK-Inhibitoren gilt: 


Der PRAC kam nun zu dem Schluss, dass diese Erkenntnisse zur Sicherheit für alle zugelassenen Anwendungen von JAK-Inhibitoren bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen (rheumatoide Arthritis, Psoriasis-Arthritis, juvenile idiopathische Arthritis, axiale Spondyloarthritis, Colitis ulcerosa, atopische Dermatitis und Alopecia areata) gelten.“

Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), 28. Oktober 2022


Wie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aktuell erklärt, waren die folgenden Januskinase-Hemmer Gegenstand der Überprüfung durch den PRAC:

  • Cibinqo® (Abrocitinib),
  • Jyseleca® (Filgotinib),
  • Olumiant® (Baricitinib),
  • Rinvoq® (Upadacitinib) und
  • Xeljanz® (Tofacitinib).

Einige JAK-Inhibitoren wurden bei der Überprüfung nicht berücksichtigt. Konkret waren das Jakavi® und Inrebic®, die zur Behandlung von myeloproliferativen Erkrankungen (bösartige Erkrankungen des Blutes und blutbildender Organe) eingesetzt werden. Zudem habe sich die Überprüfung auch nicht auf die Anwendung von Olumiant zur Kurzzeitbehandlung von COVID-19 bezogen, die derzeit von der EMA geprüft werde.

Wer JAK-Inhibitoren nicht mehr oder in reduzierter Dosis anwenden sollte

Die Empfehlungen des PRAC müssen zwar zunächst noch vom Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) und der EU-Kommission bestätigt werden. Es ist jedoch zu erwarten, dass sich dabei keine Änderungen mehr ergeben werden. Entsprechend sollen – um die Risiken der JAK-Inhibitoren in Zukunft zu minimieren – folgende Patient:innen JAK-Inhibitoren künftig nur noch erhalten, „wenn keine geeigneten Behandlungsalternativen zur Verfügung stehen“:

  • Patienten im Alter von 65 Jahren oder älter,
  • Patienten mit erhöhtem Risiko für schwere Herz-Kreislauf-Probleme (wie Herzinfarkt oder Schlaganfall),
  • Patienten, die rauchen oder in der Vergangenheit lange geraucht haben und
  • Patienten mit erhöhtem Krebsrisiko.

Zudem hat der PRAC empfohlen, JAK-Inhibitoren bei Patient:innen, die nicht zu den oben genannten Patientengruppen gehören, mit Vorsicht anzuwenden, wenn sie Risikofaktoren für Blutgerinnsel in der Lunge und in tiefen Venen (venöse Thromboembolie) vorweisen. Auch sollte die Dosierung bei einigen Patientengruppen, bei denen ein Risiko für venöse Thromboembolien, Krebs oder schwere Herz-Kreislauf-Probleme besteht, reduziert werden.

Die Produktinformationen für JAK-Inhibitoren zur Behandlung chronisch-entzündlicher Erkrankungen sollen nun mit den neuen Empfehlungen und Warnhinweisen aktualisiert werden. Auch die Schulungsmaterialien für Patienten und Angehörige der Gesundheitsberufe würden überarbeitet, heißt es.


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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