Neue Arzneimittel

Voclosporin gegen Lupus-Nephritis

Erste zugelassene Therapieoption stabilisiert die Nierenfunktion

Für Patienten mit aktiver Lupus-­Nephritis steht seit Anfang März 2023 der Calcineurin-Inhibitor Voclosporin (Lupkynis®) zur Verfügung. Der peroral einsetzbare Wirkstoff kommt derzeit stets in Kombination mit dem weiteren Immunsuppressivum Mycophenolat-Mofetil zur Anwendung. Durch die Add-on-Therapie wird eine hoch­signifikante Stabilisierung der Nierenfunktion und eine Verbesserung der Proteinurie erreicht, die bis zu drei Jahren nahezu erhalten bleibt.

Die chronisch-entzündliche Auto­immunerkrankung Lupus erythematodes tritt meist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr auf und betrifft mit einem Anteil von 90% wesentlich häufiger Frauen als Männer. An der Pathogenese sind maßgeblich Typ-1-Interferone beteiligt. Als mögliche Ursachen werden Störungen des Immunsystems durch UV-Licht, Arzneimittel, Hormonschwankungen, Stress und Infektionskrankheiten diskutiert. Die leichtere kutane Erkrankungsform ist durch schmetterlingsförmige Hautveränderungen an lichtexponierten Körperstellen gekennzeichnet. Beim systemischen Lupus erythematodes sind zusätzlich innere Organe befallen. In Deutschland leiden mehr als 30.000 Menschen unter dieser schwereren Ausprägung. Bei lebensbedroh­lichen Schüben mit Lupus-Nephritis, Herzmuskel-Entzündungen, entzün­detem Lungengewebe oder Befall des Nervensystems kommen neben Corticosteroiden Immunsuppressiva wie Hydroxychloroquin, Mycophenolat-Mofetil, Ciclosporin, Azathioprin und Rituximab zum Einsatz. Dennoch ist es aktuell nicht möglich, alle Patienten zufriedenstellend zu therapieren. Von den Lupus-Nephritis-Patienten, die unter Symptomen wie Proteinurie, Mikrohämaturie und Niereninsuffi­zienz leiden, entwickeln trotz einer Behandlung bis zu 30% eine terminale Niereninsuffizienz. Für die Betroffenen ist der neue Calcineurin-Inhibitor Voclo­sporin die erste zugelassene Behandlungsoption. Der Wirkstoff führt zu einer dosisabhängigen Immun­suppression (s. Abb. 1), die auf einer reduzierten Lymphozyten-Proliferation und einer verminderten T-Zell-Zytokin-Produktion beruht. Voclosporin (s. Abb. 2) ist ein metabolisch stabileres und stärker Calcineurin-hemmendes Analogon von Ciclosporin.

Abb. 1: Wirkmechanismus. Die Interaktion von Antigen-präsentierenden Zellen führt im Zytoplasma von T-Zellen zu einem Anstieg des Calcium-Spiegels. Die Calcium-Ionen binden an Calmodulin und eine regulatorische Untereinheit der Serin-Threonin-­Phosphatase Calcineurin und aktivieren diese. Als Folge bewirkt Calcineurin durch Dephosphorylierung eine Aktivierung des Transkriptionsfaktors NFAT (Nuclear Factor of Activated T-Cells). Dieser stimuliert im Zellkern der T-Zellen die Transkription von Zyto­kinen wie Interleukin 2 (IL-2) und steuert so die Immunantwort von zytotoxischen T-Zellen. Als Calcineurin-Inhibitor inaktiviert Voclosporin die Phosphatase, sodass die Immunantwort der T-Zellen unterbleibt. Bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen wird die Symptomatik aufgrund der resultierenden Immunsuppression abgemildert. Bei Lupus-erythematodes-Nephritis kann eine Stabilisierung der Nierenfunktion erreicht werden.

Interaktionen mit CYP3A4

Der Calcineurin-Inhibitor wird normalerweise zweimal täglich in einer Dosierung von 23,7 mg (drei Weichkapseln mit je 7,9 mg) unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen. Als Kombinationspartner kommt derzeit stets Mycophenolat-Mofetil zum Einsatz. Bei Patienten mit eingeschränkter Leber- oder Nierenfunktion ist Vorsicht geboten. Zur Sicherheit ist eine Reduktion der Anfangsdosis angeraten. Da Voclosporin in erster Linie durch CYP3A4 biotransformiert wird, muss die Tagesdosis bei gleichzeitiger Anwendung mit moderaten CYP3A4-Inhibitoren wie Verapamil, Fluconazol oder Diltiazem auf 15,8 mg morgens und 7,9 mg abends verringert werden. Anderenfalls ist mit verstärkter Toxizität zu rechnen. Für die gleichzeitige Anwendung mit starken CYP3A4-Inhibitoren wie Azol-Antimykotika oder Makrolid-Antibiotika besteht eine Kontraindikation. Bei kombinierter Gabe von schwachen CYP3A4-Inhibitoren ist keine Dosisanpassung erforderlich, jedoch sollte die Nierenfunktion verstärkt überwacht werden. Eine gemeinsame Appli­kation von Voclosporin mit starken oder moderaten CYP3A4-Induktoren wie Carbamazepin, Rifampicin oder Johanniskraut wird nicht empfohlen, da wegen der gesteigerten Voclosporin-Biotransformation die Gefahr einer eingeschränkten Wirkung besteht.

Abb. 2: Voclosporin unterscheidet sich von Ciclosporin nur durch eine Modifikation am Aminosäure-1-Rest.

Auf Infektionsgefahr und Sonnenschutz achten!

Aufgrund seiner immunsuppressiven Wirkung führt Voclosporin verstärkt zu schweren, potenziell tödlich verlaufenden Infektionen durch Bakterien, Viren, Pilze und Protozoen. Erforderlichenfalls ist ein Therapieabbruch zu erwägen. Immun­suppressiva wie Voclosporin sind zudem mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von Lymphomen und anderen Malignitäten, insbesondere der Haut, assoziiert. Die Behandelten sollten daher überwacht werden und auf einen effektiven UV-Schutz achten. Im Verlauf einer Therapie mit Voclosporin kann es wie bei anderen Calcineurin-Inhibitoren zu einer akuten Verschlechterung der Nierenfunktion, im Sinne einer reduzierten glomerulären Filtrationsrate kommen. Gegebenenfalls ist eine Dosisanpassung erforderlich. Bei Patienten mit Bradykardie, Hypokaliämie, Hypo­magnesiämie sowie im Zusammenhang mit bestimmten Antiarrhyth­mika oder Makrolid-Antibiotika als Begleitmedikationen besteht durch Voclosporin die Gefahr von QT-Zeit-Verlängerungen im EKG, die lebens­bedrohliche Torsades-de-pointes-­Arrhythmien begünstigen können.

Bei einer Therapie mit Voclosporin sollte die Applikation von attenuierten Lebendimpfstoffen unterbleiben. Es könnte zu Virusübertragungen oder unzureichenden Immunantworten kommen.

AURORA-Studienprogramm

Die Zulassung von Voclosporin beruht auf der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Studie AURORA-1 mit 357 Erwachsenen, die unter einer aktiven Lupus-­Nephritis der Klasse III oder IV allein oder in Kombination mit Klasse V mit membranöser Komponente litten. In beiden Therapiearmen wurden zu Voclosporin oder Placebo Mycophenolat-Mofetil und niedrigdosierte Cortico­steroide als ergänzende Immunsuppressiva eingesetzt. Der Calcineurin-Inhibitor Voclosporin zeigte sich gegenüber der Placebogabe hochsignifikant überlegen (p < 0,0001). Nach 52-wöchiger Therapie kam es bei 41% der Teilnehmer der Verumgruppe zu einer kompletten renalen Response mit Stabilisierung der Nierenfunktion, entsprechend eines Protein-Kreatinin-Quotienten von höchstens 0,5 mg/mg und einer geschätzten glomerulären Filtrationsrate von mindestens 60 ml/(min * 1,73 m2). In der Placebogruppe mit alleiniger Gabe von Mycophenolat-­Mofetil und niedrigdosierten Corticosteroiden wurde dies bei 23% der Patienten erreicht. Die Inzidenz von Nebenwirkungen war mit jeweils 21% in beiden Gruppen sehr ähnlich. Als am häufigsten auftretende schwerwiegende UAW wurden Pneumonien berichtet, die sowohl unter Voclosporin- als auch unter Placebogabe bei 4% der Teilnehmer auftraten. In den placebokontrollierten Fortsetzungsstudien zur Einschätzung der Langzeitsicherheit und 
-wirksamkeit von Voclosporin lagen die Ansprechraten in den Verum­gruppen nach drei Jahren zwischen etwa 30 und 50%. Die entsprechenden Werte in den Placebogruppen betrugen etwa 20 bis 40%. Somit blieben die Stabilisierung der Nierenfunktion und die Verbesserung der Proteinurie erhalten. Zudem war eine Einsparung von Corticosteroiden möglich.

Hoffnung für Lupus-Nephritis-Patientinnen mit Kinderwunsch

Aufgrund bisher nur sehr begrenzter klinischer Daten sollte die Anwendung von Voclosporin während der Schwangerschaft und bei nicht ver­hütenden Frauen im gebärfähigen Alter derzeit unterbleiben. Dennoch könnte sich der Wirkstoff als wertvolle Behandlungsoption für viele der überwiegend weiblichen Lupus-Nephritis-Patientinnen erweisen. Falls mit Voclosporin auch in Monotherapie gute Resultate erzielbar wären, bestünde für Frauen mit Kinderwunsch die Möglichkeit, den mit einem Risiko für Fehlgeburten und Fehlbildungen assoziierten Kombinationspartner Mycophenolat-Mofetil zeitweilig ab­zusetzen. Bis zu diesem Schritt sind allerdings noch viele offene Fragen zu klären. Weiterhin sollte geprüft werden, bei wie vielen Patienten durch Voclosporin langfristig eine Dialysepflicht oder Nierentransplantation vermieden werden kann. Ebenso wären direkt vergleichende Untersuchungen mit unspezifischen Lupus-Therapeutika wie beispielsweise dem Typ-I-Interferon-Rezeptor-Antikörper Anifrolumab wünschenswert. Aktuell wird Voclosporin für den Einsatz bei Lupus erythematodes mit Befall anderer Organe, bei Autoimmunerkrankungen wie Psoriasis, Uveitis, Keratoconjunctivitis sicca (in Form von Augentropfen) sowie zur Vermeidung von Transplantatabstoßungen geprüft. Für die Behandlung von Psoriasis vulgaris liegen bereits positive Resultate vor. |
 

Literatur

[1] Fachinformation Lupkynis®, Stand Februar 2023

[2] Rovin BH, Onno Teng YK, Ginzler EM et al. Efficacy and safety of voclosporin versus placebo for lupus nephritis (AURORA 1): a double-blind, randomised, multicentre, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet 2021;397(10289):2070-2080, doi: 10.1016/S0140-6736(21)00578-X

[3] EPAR summary for the public. Lupkynis® Voclosporin. Informationen der Euro­päisschen Arzneimittel-Agentur, EMA/681545/2022

Autorin

Dr. Monika Neubeck hat in Frankfurt am Main Pharmazie studiert und ordnet für die DAZ regelmäßig die neuen Arzneimittel ein.

autor@deutsche-apotheker-zeitung.de

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