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Unsere unter dem Strich betrachtet leider eher glücklose ABDA-Präsidentin stellt sich zur Wiederwahl und dürfte diese für sich entscheiden. Dennoch brodelt und grummelt es vernehmbar an der Basis, erste Initiativen für eine alternative Interessenvertretung gewinnen an Bedeutung. Passt diese ABDA noch in die heutige Zeit? Ein Kommentar von Professor Reinhard Herzog über die zukünftige Standesvertretung der Apotheker.
Den Weg in die heutige Apothekenlage hat der Autor bereits in der DAZ 47, 2024 skizziert. Zur Besorgnis besteht aller Anlass, was übrigens ein internationales Phänomen ist. Man schaue auf einstige Börsenstars wie Walgreens Boots Alliance in den USA oder die dortige (per Chapter 11 in Sanierung befindliche) Apothekenkette Rite Aid. Tausende Apotheken stehen hier vor der Schließung im Schnelldurchgang. In England gehen die Apotheken ebenfalls auf dem Zahnfleisch. In den Niederlanden, Belgien oder Frankreich spielt das Personal immer öfter nicht mehr mit – Ursache auch hier eine angespannte wirtschaftliche Lage. Apotheken stehen also momentan international nicht gerade auf der Sonnenseite – Zukunft offen.
Ein Grund mehr, sich diesem schwierigen Umfeld hierzulande viel intensiver und diskursoffener als bisher zu widmen. Und da geschieht neuerdings einiges: Alternative Zusammenschlüsse formieren sich, wie die Freie Apothekerschaft oder der Verband innovativer Apotheken. Noch haben sie keinen offiziellen Vertretungsanspruch, kein Verhandlungsmandat gegenüber der Politik. Rechtlich sitzt die heutige Standesführung sicher im Sattel.
Doch irgendwann greift unweigerlich die Macht des Faktischen, und niemand fragt die Frösche, ob man ihren Teich trockenlegen darf. Dann wird schlicht von oben herab reformiert, „top down“, mit Sachzwängen und „Finanzkrise“ begründet. Und dieses „Irgendwann“ ist wahrscheinlich näher als gemeinhin angenommen. Die Republik steht vor den umfassendsten Reformen und Umbrüchen der Nachkriegszeit. Wir müssen im Grunde schon froh sein, in Frieden und ohne allzu große gesellschaftliche Verwerfungen reformieren zu können. Wir stehen vor ernsten Herausforderungen. Da wird mit der Axt geholzt und nicht mit der Nagelschere manikürt. Die Standesführung heutiger Prägung scheint denkbar schlecht für solche Frakturdiskussionen gewappnet. Wie könnte eine Alternative aussehen?
ABDA – weg da!?
Die ABDA befindet sich als Dachorganisation sowohl von Kammern wie von Verbänden in einem grundsätzlichen Zielkonflikt. Zum einen sind die Kammern vertreten, die als Körperschaften öffentlichen Rechts neben gewissen Dienstleistungsfunktionen eine stringente Aufsicht ausüben, samt Sanktionsmöglichkeiten. Auf der anderen Seite bilden die Verbände den zweiten Teil der Vertretung. Sie stellen die eigentliche Interessenvertretung insbesondere in wirtschaftlicher Hinsicht dar. Gleichzeitig erhebt diese ABDA auf Bundesebene einen Alleinvertretungsanspruch gegenüber der Politik.
Die Unstimmigkeiten innerhalb einer solchen Organisation, die in dieser Zusammensetzung ziemlich einmalig ist, sind evident und dem Grundsatz nach auch nicht auflösbar. Eine disziplinarische Aufsicht, der hehren Pharmazie und dem Berufsethos verpflichtet, steht nicht zwangsläufig im Einklang mit schnöden kaufmännischen Interessen. Als per Gesetz eingetragene Kaufleute, zumal in vollständiger, persönlicher Haftung, sind diese Interessen aber für das Überleben elementar, zumal der Gesetzgeber seiner Fürsorgepflicht gegenüber einem derart hochgradig regulierten Beruf nicht unbedingt im gebotenen Maße nachkommt. Es braucht daher eine starke und unabhängige Stimme der Apothekenwirtschaft. Es spricht also sehr viel dafür, die Kammer- und Verbandsfunktionen konsequenter zu trennen. Nur wie?
Auflösung eine Option?
Wäre da nicht die (Selbst-)Auflösung der ABDA eine Option? Selbst eine Sowjetunion hat sich seinerzeit selbst abgeschafft, als ihre Zeit vorüber und sie schlicht bankrott war. Letzteres droht der ABDA natürlich nicht, dank ihrer Verankerung in den Beitragsvolumina von Kammern und Verbänden. Ihre Dysfunktionalität wird jedoch in dem Maße immer stärker spürbar, als eben keine Schönwetterzeiten mehr herrschen, in denen Marktwachstum und diverse Ausweichmöglichkeiten viele Unzulänglichkeiten und Widersprüchlichkeiten kaschiert haben. Stattdessen stehen die größten Bewährungsproben erst bevor. Welche Zukunft hat der Beruf überhaupt in einer Welt, in welcher große Teile der heutigen Apothekentätigkeit automatisierbar sind oder durch schlichte Entbürokratisierung und Vereinfachung entbehrlich werden? Einer Landschaft, in der zumindest Standardberatungen und Medikamentenchecks durch IT-Systeme, oder bald durch „Avatare“ übernommen werden? Aber auch in einem Gesundheitskontext, der sich im Spannungsfeld von immer schwerer zu finanzierender Hochkostenmedizin, einer fortschreitenden Überalterung und keineswegs mehr wachstumsgesicherten wirtschaftlichen Grundlagen geprägt ist und dringend nach steuernden und begleitenden „Gesundheits-Coaches“ und Lotsen ruft?
Es besteht die begründete Erwartung, dass eine Verbandsstruktur, befreit von einer sich selbst im Wege stehenden Dachorganisation, im Hinblick auf eine unternehmerische Interessensvertretung zielgerichteter und kraftvoller aufspielen kann. Den strukturkonservativ-heilberuflichen Teil decken dagegen weiterhin die Kammern parallel ab. Angesichts von nicht einmal 100 Beschäftigten in der ABDA halten sich die sozialen Dimensionen einer Auflösung in Grenzen. Einige der dortigen Fachleute könnten entweder in den Kammern oder aber in der aktiveren Interessenvertretung eine neue Rolle finden, andere werden sich komplett neu orientieren (müssen) – das Los jeder grundlegenden Reform und Umstrukturierung.
Nebenbei: Es sind nicht finanzielle Aspekte, die für die Auflösung sprechen. Knapp 30 Millionen Euro ABDA-Haushalt bei einem Branchenumsatz von 70 Milliarden Euro entsprechen nicht einmal 0,05 Prozent. Im Grunde müsste der Berufsstand für seine Vertretung und Zukunftsgestaltung viel mehr ausgeben. Dringend zu empfehlen wäre die Etablierung eines unabhängigen „Think Tanks“ bzw. „pharmazeutischen Sachverständigenrates“, welcher streng wissenschaftlich-evidenzbasiert Lösungen für die Zukunft erarbeitet – im Sinne der Gesellschaft, der Patienten und der Pharmazeuten. „Win-Win“, marktgerecht, Kosten-Nutzen-orientiert. Dies darf keinesfalls zu einer verlängerten Lobbyarbeit mit gewogenen „Mietmäulern“ verflachen. Vielmehr bedarf es einer wissenschaftlichen Reputation, welche in der Politik als solche wahrgenommen und geachtet wird.
Mutige Schritte statt Verhinderungshaltung
Die heutige personelle wie organisatorische Aufstellung macht die proaktive Mitgestaltung der Zukunft schwierig, wenn nicht gar aussichtslos. Die Erfolge der ABDA waren stets das Bewahren, die Benennung dessen, was alles nicht geht, und die „Verhinderung von Schlimmerem“. Die tatsächlich erzielten Fortschritte waren allenfalls Schrittinnovationen. Die Hoffnung, dass es die große Politik am Ende schon für uns richten wird, ist zu vage, erst recht angesichts des branchenspezifischen wie gesellschaftlichen Veränderungstempos. Der Beruf braucht mutige, gestaltende Schritte vorwärts, sonst wird er gestaltet oder bekommt gar den „kw-Vermerk“ umgehängt. Dafür braucht es frische Luft und den freien Blick zur Sonne, die weiterhin auf die Life-Science-Branchen strahlt – ohne starres Dach, sondern mit flexiblem Regenschutz. Übrigens: „kw“ ist das Kürzel für „künftig wegfallend“
1 Kommentar
ABDA
von Wolfgang Steffan am 11.12.2024 um 11:23 Uhr
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