Gastkommentar

Ein Plädoyer für den Deutschen Apothekertag

06.12.2024, 17:50 Uhr

Der DAT – bislang galten seine Beschlüsse als bindend. Künftig soll nur noch zugehört werden? (Foto: DAZ/Schelbert)

Der DAT – bislang galten seine Beschlüsse als bindend. Künftig soll nur noch zugehört werden? (Foto: DAZ/Schelbert)


Die Beschlüsse des Deutschen Apothekertags (DAT) sind ab dem kommenden Jahr von den ABDA-Gremien aller Voraussicht nach nicht mehr verpflichtend umzusetzen, sondern nur noch sachgerecht zu berücksichtigen. Robin Brünn und Otto Quintus Russe, Delegierte der Landesapothekerkammer Hessen und Mitantragsteller des Adhoc-Antrags beim DAT in München, die zugrundeliegende Satzungsänderung zurückzunehmen, halten das nach wie vor für einen Fehler. Ein Gastkommentar. 

Wie unser gesamter Berufsstand steht auch der Deutsche Apothekertag an einem Scheideweg: Ab Januar verliert er durch eine Satzungsänderung nicht nur seinen Status als ABDA-Organ, auch die bisher bindende Wirkung seiner Beschlüsse wird aufgehoben. Diese grundlegende Veränderung charakterisiert nicht nur die Rolle des Apothekertags neu, sie stellt auch die Mitbestimmung auf den Prüfstand und schwächt den einzigen Bottom-up-Ansatz innerhalb der ABDA-Gremien.

Die Streichung des Deutschen Apothekertages als ABDA-Organ wird seiner tatsächlichen Bedeutung nicht gerecht. Wenn 300 von den Mitgliedsorganisationen benannte und entsandte Delegierte drei Tage über die Anliegen unseres Berufsstands beraten und intensiv diskutieren, muss dies auch von unserer Spitzenorganisation mit dem nötigen Respekt wertgeschätzt werden. Besonders das aktuell gern vorgebrachte Argument der fehlenden demokratischen Legitimation möchten wir zurückweisen, denn die DAT-Delegierten sind von den Mitgliedsorganisationen entsandt. Sofern dies nicht ausreicht, sollte man Regeln für die Entsendung aufstellen, statt den Deutschen Apothekertag zu degradieren.

Am kritischsten bewerten wir die geplante Aufhebung der Bindungswirkung von Apothekertags-Beschlüssen. Nach bisheriger Regelung mussten diese Beschlüsse von den ABDA-Gremien verbindlich umgesetzt werden. Nur die ABDA-Mitgliederversammlung konnte entscheiden, einen Antrag nicht weiterzuverfolgen. Künftig sollen die Beschlüsse nur noch „sachgerecht berücksichtigt“ werden – eine fundamentale Umkehr der bisherigen Praxis. Dies wirft eine zentrale Frage auf: Soll die Umsetzung der Beschlüsse weiterhin der ABDA-Mitgliederversammlung anvertraut bleiben, in der zumindest alle Kammern und Verbände vertreten sind, oder überlassen wir solche Entscheidungen in Zukunft dem Ermessen einzelner Weniger in ABDA-Spitzenämtern?

Unser Kernanliegen lautet: Wie können wir unsere nationalen berufspolitischen Strukturen so gestalten, dass sie transparent, vertrauensvoll und zukunftsfähig sind? Die Annahme des Ad-hoc-Antrags zeigt, dass dies den Delegierten des diesjährigen Apothekertags 2024 ein Anliegen war.

Weit mehr als eine formale Änderung

Die Reduzierung der Bindungswirkung von Apothekertags-Beschlüssen ist weit mehr als eine formale Änderung – sie gefährdet das ohnehin schwache standespolitische Engagement in unserem Berufsstand. Schon heute beteiligen sich nur 20 bis 40 Prozent unserer Kolleginnen und Kollegen an den Wahlen der Kammern und Verbände. Statt einer weiteren Zentralisierung von Entscheidungsstrukturen brauchen wir moderne Formate für eine breite inhaltliche Beteiligung. Nur so kann es uns gelingen, Nachwuchs zu motivieren, und das offensichtlich verloren gegangene Vertrauen unserer Kolleginnen und Kollegen „da draußen“ in eine funktionierende Standesvertretung wiederherzustellen.

Der Deutsche Apothekertag muss als Ort des Austauschs, der Diskussion und der verbindlichen Entscheidungsfindung gestärkt werden. Eine Schwächung seiner Position wäre der falsche Weg. Stattdessen brauchen wir eine umfassende Modernisierung: Die Antragsphase sollte durch digitale Formate organisationsübergreifend vernetzt, die Arbeit der Antragskommission neu definiert und die Beratungsprozesse auf dem DAT optimiert werden. Dies würde zu qualitativ besseren Beschlüssen führen, die dann auch verbindlich umgesetzt werden müssten, anstatt durch eine Satzungsänderung Beschlüsse nur dann zu verfolgen, wenn es einem sinnvoll erscheint. Denn dann wäre das auch „Hauptversammlung“ genannte alljährliche Zusammentreffen nichts anderes als teure Makulatur.

Die Entscheidung liegt nun bei der ABDA-Mitgliederversammlung. Wir hoffen auf einen konstruktiven Dialog und mutige Entscheidungen. Die Richtungswahl am Scheideweg kann uns nur dann zu einer zukunftsfähigen Pharmazie führen, wenn sie nicht über die Köpfe derer hinweg entschieden wird, die den Weg am Ende gehen müssen.

In eigener Sache: Wir haben diesen Gastkommentar bewusst am Tag der Stimmenauszählung zur Wahl der hessischen Apothekerkammer publiziert, um nicht in den Verdacht zu geraten, Wahlkampf auf dem Rücken dieses uns so wichtigen Themas zu betreiben.


Dr. Otto-Quintus Russe, Apotheker
redaktion@daz.online


Dr. Robin Brünn, Apotheker
redaktion@daz.online


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4 Kommentare

Transparenz und Beteiligung...

von Tobias Kast am 10.12.2024 um 16:58 Uhr

...ist ein Motor für Engagement, Commitment und damit einen Ideen-Wettbewerb (dafür ist besonders die Transparenz sehr wichtig) - letzten Endes ein Wir-Gefühl.

Ein Wir-Gefühl schafft Lust aufs mitmachen und damit potentiell berufspolitischen Nachwuchs.

Diese Grundzutaten unterstützen die Basis-/Graswurzel-Arbeit, die aktuell durch Existenz-Ängste befeuert an der einen oder anderen Ecke aufblitzt und die es über die Krise hinaus zu erhalten gilt.

Zur Transparenz; Ja - es steht Vieles 'irgendwo' (aber sehr vieles auch nicht...).
Wer den Gedanken hat 'da müssen die Leute eben mehr gucken und suchen' sollte sich darüber klar sein, dass einem Wahlkämpfer in den anstehenden Bundestagswahlen diese Antwort sicher übel genommen werden würde.
Es ist die Antwort von jemandem der davon ausgeht, dass es sowieso zu wenig Kandidaten für eine Wahl geben wird. Und wenn es keine Wahl gibt, was befeuert dann eine Auseinandersetzung mit Ideen und Konzepte?

Ich glaube wir brauchen 'mehr'.
Mehr Transparenz, mehr Beteiligung, mehr Ideen, mehr Commitment, mehr Engagement, mehr Diskurs und Auseinandersetzung mit Ideen - mehr 'Wir' von mehr Apothekern und mehr Nachwuchs-Apothekern jedweden Hintergrunds und jedweder Identität.

Ich glaube eine größere Rolle für den DAT würde diesem Gedanken gut tun und eine kleinere schaden.

PS:
Und die öffentlichen Apotheken brauchen MEHR Honorar.

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Demokratie/ ABDA

von Gregor Nelles am 08.12.2024 um 10:15 Uhr

Da kann ich nur voll und ganz zustimmen. Da eine einfache Mitgliederversammlung, deren Beschlüsse nicht zwingend umgesetzt werden müssen, hat keine Bedeutung mehr für die Zukunft des Berufsstandes. Nur in der offenen Diskussion einer Mitgliederversammlung können auch digital vorbereitete Beschlüsse durch Abstimmung zu einem Ergebnis geführt werden. Auch wenn vielen dieser Entscheidungsweg lange erscheint, so ist es aber letztendlich der einzige demokratische Weg, um zu verhindern, dass sechs fremde Entscheidungen in allein Gängen im Hinterzimmer durch eine kleine Gruppe entschieden werden.
Verliert die Mitglieder Versammlung ihr Beschluss Recht, verlieren wir Apotheker unseren Einfluss auf die ABDA und es wurde eine weitere hierarchische Struktur geschaffen.
Mit freundlichen Grüßen und der Hoffnung auf eine um Besinnung bleibe ich Gregor Nelles

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AW: Terminologie

von Holger am 09.12.2024 um 9:40 Uhr

Ist Ihnen die Bedeutung der verwendeten Begriffe im Zusammenhang mit der ABDA bewusst? Der DAT ist eben KEINE Mitgliederversammlung, sondern quasi eine Art "Parteitag" mit Delegierten, die jede Mitgliedsorganisation der ABDA (die 17 LAKen und und 17 LAVen) selber auswählt.

Die Mitgliederversammlung der ABDA hingegen setzt sich aus den gewählten Mandatsträgern (zB Präsidenten) dieser 17 Organisationen zusammen. Und diese Mitgliederversammlung wählt dann den ABDA-Vorstand.

Eine wirkliche Mitgliederversammlung werden wir bei über 50.000 Approbierten in Deutschland wohl kaum organisiert bekommen. Schon in den größeren LAKen sind doch deren "Parlamente" als (immerhin persönlich gewählte!) Delegiertenversammlungen organisiert.

Mir als Apotheker, der sich durch die ABDA nullkommanull repräsentiert sieht, stellt sich die Frage, in wie weit wir uns als Grundgesamtheit noch weiter entmachten lassen und das Heft des (spärlichen) Handelns immer stärker in die Hände sehr weniger Personen legen wollen. Mein Verständnis demokratischer Strukturen ist irgendwie anders. Das was die ABDA-Spitze da vorhat, sieht für mich eher nach Politbüro aus!

Ceterum censeo ABDA esse delendam!

Yes

von Rolf Pfiffer am 06.12.2024 um 20:14 Uhr

Die Jungs haben Recht!

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