DAZ-Adventsrätsel – Tag 6

Der Bürgermeister, der Wirt, die Praline

Stuttgart - 06.12.2024, 06:54 Uhr

Pralinen als kleine Aufmerksamkeit sind eigentlich ein schönes Geschenk. Im Falle unseres heutigen Adventsrätsels allerdings ein (fast) tödliches. (Foto: pamela_d_mcadams / AdobeStock)

Pralinen als kleine Aufmerksamkeit sind eigentlich ein schönes Geschenk. Im Falle unseres heutigen Adventsrätsels allerdings ein (fast) tödliches. (Foto: pamela_d_mcadams / AdobeStock)


Ein beliebter Bürgermeister, ein verärgerter Heurigenwirt und eine bitter-süße Praline: Das ist der Stoff für einen leider realen Krimi, der sich 2008 in der österreichischen Wachau zugetragen hat.  

Hannes Hirtzberger, ein beliebter Kommunalpolitiker und Bürgermeister des schönen Weinorts Spitz an der Donau, findet an seinem Auto einen geheimnisvollen Briefumschlag: Eine Karte mit einem mit Lippenstift gemalten Herz, den gedruckten Worten „Wollte dir was Wichtiges sagen. Du bist für mich etwas ganz Besonderes“, sowie eine weithin bekannte, normalerweise mit Kirschlikör und Kirsche gefüllte Praline waren darin. 

Hirtzberger verspeist die Praline am nächsten Tag, ihm wird übel und er bricht zusammen. Im künstlichen Koma liegend, stellen ihm die Ärzte die Diagnose: Strychnin-Vergiftung. Er ringt mit dem Tod, überlebt, liegt jedoch bis zum heutigen Tag mit schweren Gehirnschäden im Wachkoma. 

Strychnin kennen wir aus der pharmazeutischen Biologie, finden es sogar im Mutschler: Das Indolalkaloid ist der Hauptinhaltsstoff der Brechnuss (Strychni semen). Es ist ein Krampfgift – das wollen wir später noch genauer von Ihnen wissen – und löst tetanische Krämpfe aus, die bis zum Tod durch Atemlähmung führen können. In niedriger Dosis wird es als Rauschmittel missbraucht, in hoher Dosis diente es früher als Rattengift. 

Wie kam Strychnin in die Praline? DNA-Spuren im Inneren des Briefumschlags führten die Ermittler zu Helmut O., dem Wirt eines lokalen Heurigen (österreichischer Begriff für ein Weinlokal). Dieser bot auch ein Tatmotiv: Um ein Thermalhotel in Spitz zu errichten, hatte er einen Antrag auf die Umwidmung eines Weingartens in Bauland gestellt, was ihm aber durch die Gemeinde aus formalen Gründen verweigert wurde. Helmut O. bestreitet die Tat bis heute, wurde jedoch in einem Indizienprozess zu lebenslanger Haft verurteilt. 

Viele Fragen stellen sich angesichts dieser filmreifen Geschichte: 

Strychnin ist bekannt für seinen stark bitteren Geschmack, die Kirschpraline hat im Original einen alkoholischen, aber gleichzeitig schokoladig-süßen Geschmack. Ist das dem Opfer nicht aufgefallen? 

Die verschiedenen Gutachten (von Gericht und Verteidigung) gehen von Mengen zwischen 0,7 g und 5 g Strychnin im Körper des Opfers aus. Wie viel Strychnin passt in eine Kirschlikörpraline? Und wie bekommt man es dort hinein? Musste der Täter dafür die Kirsche herausholen?

Keine Sorge, die Frage, die Sie für unser Adventskalendertürchen beantworten müssen, ist leichter zu beantworten: Strychnin wirkt im Körper als kompetitiver Antagonist zu einem inhibitorischen Neurotransmitter und verdrängt ihn also von seinem Rezeptor, einem Chloridkanal. 

Frage: 

Zu welchem Neurotransmitter wirkt Strychnin antagonistisch? 

Die Antwort lautet:

Glycin 


Deutsche Apotheker Zeitung
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