„Jetzt wieder lieferbar“

Werbung für Rx-Arzneimittel ist tabu

Berlin - 24.02.2023, 16:45 Uhr

Das Landgericht Hannover hat sich mit der Werbung einer Apotheke für Strophanthus-Tinktur befasst. (Foto: sebra /AdocbeStock)

Das Landgericht Hannover hat sich mit der Werbung einer Apotheke für Strophanthus-Tinktur befasst. (Foto: sebra /AdocbeStock)


Für verschreibungspflichtige Arzneimittel darf außerhalb der Fachkreise nicht geworben werden. Doch nicht immer scheint klar, wann „Werbung“ vorliegt. Eine Apotheke, die auf ihrer Webseite über „Standardrezepturen und Medikamente nach orthomolekularer Therapie von Dr. Nieper“ informiert, und zudem hervorhebt: „Strophanthus Tinktur: jetzt wieder lieferbar“ geht jedenfalls zu weit. Das entschied das Landgericht Hannover in einem rechtskräftigen Urteil. Aber ist es auch generell unzulässig, darauf hinzuweisen, wenn ein Rx-Arzneimittel wieder lieferbar ist?

Eine Apotheke in Niedersachsen zog mit ihrer Webseite die Aufmerksamkeit der Wettbewerbszentrale auf sich. Über diese gelangt man auf einen Blog, in dem zu lesen war: „Strophanthus Tinktur: jetzt wieder lieferbar“. Der in der Tinktur enthaltene Wirkstoff Strophanthin ist ein Herzglykosid; er findet sich in der Anlage 1 der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) und ist grundsätzlich verschreibungspflichtig. Auch die Apotheke informierte im Blog: „Sie möchten Strophanthus kaufen? Das ist bei uns jetzt wieder möglich, auch per Versand. Hinweis: Eine Abgabe von unseren Strophanthus-Produkten erfolgt nur auf ärztliche Verordnung!“

Zudem finden sich auf der Webseite nähere Ausführungen zu „Standardrezepturen und Medikamente nach orthomolekularer Therapie von Dr. Nieper“. Zunächst wird die Vita des Dr. Nieper wiedergegeben. Es heißt unter anderem, er sei für seine Behandlung gegen Krebs, Multiple Sklerose und Herzkrankheiten „weltbekannt“. Weiter werden dort Ausführungen zu antiviralen Therapien dieses Arztes gemacht. Auch wird darauf verwiesen, dass er als Internist in Hannover praktiziert und dort erfolgreich viele Patienten aus der ganzen Welt behandelt habe. Ferner habe er interdisziplinäre Wege beschritten.

Strodival-Kapseln – seit 2012 nicht mehr im Handel

Darunter folgt eine Auflistung der einschlägigen Medikamente beziehungsweise Rezepturen samt Preisen und Packungsgrößen – und der Hinweis, dass sie über die Versandapotheke zu beziehen sind. In dieser Liste fanden sich auch verschreibungspflichtige Medikamente wie die erwähnte Strophantus-Tinktur. Aber auch Strodival-Kapseln waren gelistet – dabei handelt es sich um ein Arzneimittel, das bereits 2012 aus dem Handel ging. Lieferbar war es nicht mehr, auch nicht für besagte Apotheke. 

Die Wettbewerbszentrale sah in diesem Zusammenspiel der Informationen irreführende und insgesamt wettbewerbswidrige Maßnahmen und mahnte den Apotheker ab. Es kam zum Gerichtsverfahren. Da der Beklagte nicht erschien, erließ das Landgericht Hannover zunächst ein sogenanntes Versäumnisurteil – im Sinne der Klägerin. Dagegen legte der Apotheker Einspruch ein. Doch das Landgericht Hannover blieb bei seiner Linie.

Das Gericht bejahte einen Unterlassungsanspruch gemäß § 3a UWG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Heilmittelwerbegesetz (HWG). Letztere Norm besagt:

„Für verschreibungspflichtige Arzneimittel darf nur bei Ärzten, Zahnärzten, Tierärzten, Apothekern und Personen, die mit diesen Arzneimitteln erlaubterweise Handel treiben, geworben werden.“

Bei der Strophanin-Tinktur handelt es sich um ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel gemäß der Anlage 1 zur AMVV. Die Ausnahme nach § 5 Satz 1 AMVV hält das Gericht für nicht einschlägig.

Diese lautet:

„Von der Verschreibungspflicht sind Arzneimittel ausgenommen, die aus den in der Anlage 1 zu dieser Verordnung genannten Stoffen und Zubereitungen aus Stoffen nach einer homöopathischen Verfahrenstechnik, insbesondere nach den Regeln des Homöopathischen Arzneibuches hergestellt sind oder die aus Mischungen solcher Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen bestehen, wenn die Endkonzentration dieser Arzneimittel im Fertigprodukt die vierte Dezimalpotenz nicht übersteigt.“

Hier sei jedoch eine solche Einschränkung auf eine Endkonzentration im Fertigprodukt, die die vierte Dezimalpotenz nicht übersteigt, nicht erkennbar, so das Gericht. Vielmehr folge aus den angefügten Kommentaren, dass es sich um eine Urtinktur mit einem Wirkstoffgehalt zwischen 0,3 und 0,6 Prozent handele.

Warum es sich um Werbung handelt

Sodann führen die Richter:innen detailliert aus, warum auch eine „Werbung“ im Sinne des Heilmittelwerbegesetzes und keine Ausnahme vorliegt. Das Heilmittelwerbegesetz findet beispielsweise keine Anwendung auf den Schriftwechsel und die Unterlagen, die nicht Werbezwecken dienen und die zur Beantwortung einer konkreten Anfrage zu einem bestimmten Arzneimittel erforderlich sind (§ 1 Abs. 5 HWG). Dass vorliegend auf eine konkrete Verbraucheranfrage geantwortet werde, sei aber nicht ersichtlich, so das Gericht. Ebenso wenig greife die Ausnahme für Preislisten (§ 1 Abs. 7 HWG). Diese dürfen nämlich keine Angaben enthalten, „die über die zur Bestimmung des jeweiligen Arzneimittels notwendigen Angaben hinausgehen“. Im vorliegenden Fall müsse die Anpreisung der Therapie nach Dr. Nieper in den Gesamtkontext einbezogen werden, womit erheblich über besagte notwendige Angaben hinausgegangen werde, heißt es im Urteil.

Auch eine europarechtskonforme einschränkende Auslegung – demnach können rein behördlich genehmigte Herstellerinformationen zulässig sein – führe nicht zu einer Zulässigkeit der Aussagen. Denn die Darstellung auf der Webseite gehe klar über behördlich genehmigte Gebrauchsinformationen hinaus.

Der Zusatz „jetzt wieder lieferbar“ habe ebenfalls eine verkaufsfördernde Wirkung. Denn der Verbraucher, der diese Informationen lese, werde im Zweifel seinen Bedarf an diesen Präparaten auch bei der beklagten Apotheke decken wollen.

Was die unstreitig nicht lieferbaren Strodival-Kapseln betrifft, ergibt sich der Unterlassungsanspruch aufgrund unlauterer Täuschung über die Verfügbarkeit dieser Arznei. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG handelt unlauter, wer unwahre Angaben unter anderem über die Verfügbarkeit von Waren oder Dienstleistungen verbreitet.

„Wieder lieferbar“ als isolierte Information zulässig?

Das bereits am 1. Juli 2022 ergangene Urteil ist mittlerweile rechtskräftig. Auch wenn es nur für die Streitbeteiligten gilt, stellt es nochmals klar, was eigentlich jede Apotheke wissen sollte: Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel ist tabu. Ein besonderer Aspekt der Entscheidung, der gerade jetzt aufhorchen lässt, ist die Information der Apotheke, dass ein Rx-Arzneimittel „wieder lieferbar“ sei. In Zeiten der allgegenwärtigen Engpässe, könnte manche Apotheke doch verleitet sein, solche Hinweise zu verbreiten. Es mag Juristen geben, die diesen isolierten Hinweis für unkritisch halten. Christiane Köber, Rechtsanwältin bei der Wettbewerbszentrale, rät allerdings davon ab. Auch wenn sie gegenüber der DAZ einräumt, dass eine solche Information im Einzelfall sinnvoll wäre, sieht sie dadurch § 10 Abs. 1 HWG verletzt. Schließlich steckt dahinter auch immer die Absicht einer Verkaufsförderung.

Landgericht Hannover, Urteil vom 1. Juli 2022, Az.: 18 O 273/21


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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