Beitrag in der DAZ

Noch mehr Apothekenschließungen bringen die Nachbarn nicht weiter

Süsel - 02.02.2023, 07:00 Uhr

Für Apothekeninhaber ist es inzwischen vielerorts längst keine (ungeteilte) Freude mehr, wenn eine Nachbarapotheke schließt. (s / Foto: YesPhotographers / AdobeStock) 

Für Apothekeninhaber ist es inzwischen vielerorts längst keine (ungeteilte) Freude mehr, wenn eine Nachbarapotheke schließt. (s / Foto: YesPhotographers / AdobeStock) 


Apotheken profitieren, wenn andere Apotheken in der Nachbarschaft schließen. Doch dieser Effekt hat eine Grenze, die sich aus der Kostenstruktur der Apotheken ergibt, genauer: aus den sprungfixen Kosten. Es spricht viel dafür, dass die Apotheken vielerorts an dieser Grenze angekommen sind. Die Hintergründe dazu erklärt ein aktueller Beitrag in der DAZ.

DAZ Ausgabe 5 / 2023

Des einen Leid, des anderen Freud? 

Skalenerträge durch Apothekenschließungen sind begrenzt 

Politiker verfolgen den Rückgang der Apothekenzahl oft erstaunlich gelassen. Denn offenbar hilft die Umverteilung der Umsätze den verbliebenen Apotheken weiter zu arbeiten. Doch wie stark wirkt der Umverteilungseffekt und wie lange kann er noch andauern?

Schon vor Jahrzehnten warben Apothekenkritiker mit der Idee, mit einer geringen Apothekenzahl könnte Geld gespart werden. Inzwischen ist die Apothekenzahl deutlich gesunken – und in Apothekenkreisen wird spekuliert, ob manche Politiker darin immer noch eine Sparidee sehen. Den wirtschaftlichen Hintergrund dafür bilden die Skalenerträge. Diese ergeben sich aus den fixen Kosten eines Geschäftsbetriebs. Bei steigenden Umsätzen und steigenden Roherträgen muss nur zusätzliches Geld zur Deckung variabler Kosten aufgewendet werden, nicht für fixe Kosten. Damit bleibt ein größerer Anteil des Rohertrags als Gewinn übrig oder er kann als Ausgleich für die allgemeine Teuerung verwendet werden.

Skalenerträge - schon vor zehn Jahren im Blickfeld

In einem Beitrag in der aktuellen DAZ werden diese Skalenerträge genauer betrachtet. Es wird daran erinnert, dass der Umgang mit den Skalenerträgen schon entscheidend für die Kontroversen um die Honoraranpassung zum Jahresanfang 2013 war. Wie groß die Skalenerträge in Apotheken tatsächlich sind, ist also sehr wichtig, aber umstritten. Eine eindeutige Zuordnung gibt es nicht, aber Hinweise. Insbesondere der überwiegende Teil der Personalkosten darf hier nicht zu den Fixkosten gezählt werden, weil das Apothekenpersonal flexibel einsetzbar ist. Darum entstehen aus den Personalkosten keine Skalenerträge. Doch insbesondere Mieten und die Abschreibungen für die langfristige Geschäftsausstattung sind typische fixe Kosten. Sie führen bei Umsatzsteigerungen zu Skalenerträgen. Diese sind also kleiner, als viele Außenstehende meinen, aber es gibt sie, und davon profitieren Apotheken bei Schließungen benachbarter Apotheken.

Sprungfixe Kosten begrenzen Skalenerträge

Doch dieser Effekt lässt sich keinesfalls beliebig fortschreiben. Denn die Kosten, die oberflächlich als feststehend betrachtet werden, sind in Wahrheit sprungfixe Kosten. Sie steigen also an einer bestimmten Stelle. Denn bei immer mehr Kunden reichen die Bedienplätze, die weitere Ausstattung und letztlich die ganze Apotheke nicht mehr aus. Erweiterungen kosten aber viel Geld. Darum haben Skalenerträge eine Grenze. Für Apothekeninhaber ist es inzwischen vielerorts längst keine ungeteilte Freude mehr, wenn eine Nachbarapotheke schließt. Mehr Notdienste, ein neuer Botendienst und vielleicht sogar ein kompletter Umbau passen nicht immer ins Konzept und das nötige Personal ist schwer zu finden. Gefühlt sind viele Apotheken an einer Grenze angekommen.

Betriebswirtschaftliche Fakten erklären gefühlte Wahrheit

Doch dies ist nicht nur ein Gefühl, das schwer zu vermitteln wäre, sondern es besteht dafür eine überzeugende betriebswirtschaftliche Erklärung, nämlich die sprungfixen Kosten. Damit gibt es neben den heilberuflichen Aspekten und der Versorgungssicherheit ein rein betriebswirtschaftliches Argument, weshalb eine Senkung der Apothekenzahl nicht anzustreben ist. Dies gilt auch in zentralen städtischen Lagen, in denen das Versorgungsargument nicht greift. Darum ist die Begrenzung der Skalenerträge ein weiterer Grund, weshalb die Politik nicht auf sinkende Apothekenzahlen setzen darf, sondern jetzt die Struktur des Systems sichern muss. So erklärt sich, weshalb weiteres Sparen zum Kaputtsparen führen würde. Wie dies genau zusammenhängt, finden Sie in der aktuellen Ausgabe der DAZ.

Dr. Thomas Müller-Bohn

Dr. Thomas Müller-Bohn

Dr. rer. nat. Thomas Müller-Bohn, Apotheker und Diplom-Kaufmann, Studium der Pharmazie (Uni Marburg) und der Betriebswirtschaftslehre (Uni Bielefeld), Promotion (Uni Bonn). 
Nach Tätigkeit in der öffentlichen Apotheke freier Wissenschaftsjournalist, auswärtiges Mitglied der Redaktion der Deutschen Apotheker Zeitung, Vortrags- und Seminartätigkeit, Autor mehrerer Bücher, Lehraufträge für Pharmakoökonomie (Uni Hamburg 2001 bis 2007, Uni Kiel seit 2003).


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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