Bundesgerichtshof

Keine Strafbarkeitslücke bei Impfpass-Fälschungen

Berlin - 11.11.2022, 09:15 Uhr

Manch einer machte kriminelle Geschäfte mit gefälschten Impfpässe. Auf eine Strafbarkeitslücke vor November 2021 können sie nun nicht mehr hoffen. (Foto: IMAGO / Bihlmayerfotografie)

Manch einer machte kriminelle Geschäfte mit gefälschten Impfpässe. Auf eine Strafbarkeitslücke vor November 2021 können sie nun nicht mehr hoffen. (Foto: IMAGO / Bihlmayerfotografie)


Impfpässe zu fälschen, um damit in der Apotheke ein digitales Impfzertifikat zu erhalten, ist strafbar – und das war es auch schon, bevor der Gesetzgeber Ende November 2021 das Strafgesetzbuch änderte. Das hat der Bundesgerichtshof jetzt klargestellt.

Im vergangenen Jahr spielten die digitalen Impfzertifikate, die eine COVID-19-Impfung bescheinigten, noch eine weitaus größere Rolle als derzeit. Ob Kino, Hotel, Restaurant – fast überall gab es Zugangsregeln, die Impfungen, einen frischen Test oder eine Genesung vorschrieben. Auch ohne Impfpflicht bedeutete dies für Ungeimpfte den Ausschluss von zahlreichen Aktivitäten. Wer die Impfung ablehnte und dennoch am öffentlichen Leben teilnehmen wollte, konnte kriminelle Energie entwickeln und das nötige Zertifikat mit einem gefälschten Impfpass erreichen. In Apotheken tauchte in dieser Zeit so manches zweifelhafte Impfbuch auf. 

Eine Weile herrschte allerdings Unklarheit, ob das Fälschen eines Impfbuchs zur Vorlage in der Apotheke – oder auch an einem sonstigen Ort, der einen Impfnachweis verlangte – strafbar ist. Es gab (und gibt) Vorschriften zur Fälschung von Gesundheitszeugnissen und dem Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse – diese erforderten jedoch, dass dieses Zeugnis bei einer Behörde oder einer Versicherung vorgelegt wird. Der strafrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz lässt nicht zu, darunter auch Apotheken zu verstehen. Annehmen konnte man noch eine „normale“ Urkundenfälschung. Allerdings schien die vorherrschende Meinung unter Jurist:innen, dass die Straftatbestände zu gefälschten Gesundheitszeugnissen lex specialis gegenüber der allgemeinen Vorschrift sind. Ein Rückgriff sei daher nicht möglich. 

Uneinheitliche Gerichtsentscheidungen

Diese Situation mag die Scheu vor der Fälschung nochmals gemindert haben. Der Gesetzgeber handelte dann aber vergleichsweise schnell und passte die Strafvorschriften an – sie gelten seit Ende November 2021. Doch was war nun mit den Taten, die vor dieser Gesetzesänderung verübt wurden? Die Strafgerichte entschieden hier nicht einheitlich, manche wandten den Straftatbestand der Urkundenfälschung an, andere nicht. Letztlich wurde der Strafsenat des Bundesgerichtshofs angerufen, um die Angelegenheit höchstrichterlich zu klären.

Und das haben die Richter:innen des Leipziger Strafsenats getan: Am gestrigen Donnerstag hoben sie einen Freispruch des Landgerichts Hamburg auf. In dem Fall geht es um einen Mann, der insgesamt 19 unrichtige Impfbescheinigungen ausgestellt hatte. Er bekam Geld dafür, dass er Impfungen mit einem eigenen Stempel und Fantasie-Unterschrift in die Impfbücher eintrug. Das Landgericht ging hier von einer Strafbarkeitslücke aus. Die Bundesrichter:innen sehen das anders.

Sie sind zwar mit dem Landgericht der Auffassung, dass keine Strafbarkeit wegen Fälschung von Gesundheitszeugnissen gemäß § 277 StGB in der zur Tatzeit geltenden Fassung (a. F.) vorlag. Denn die Vorlage in einer Apotheke oder der Gastronomie sei eben keine Verwendung bei einer Behörde oder einer Versicherung. 

Keine Privilegierung

Wohl aber nahmen die Leipziger Richter:innen eine Urkundenfälschung gemäß § 267 StGB an. Es handele sich bei § 277 StGB nicht, wie vom Landgericht angenommen, um eine abschließende Sonderregelung, sodass sich ein Rückgriff auf das allgemeine Urkundenstrafrecht verboten habe. Es sei keine spezielle Vorschrift, die Täter:innen der Fälschung von Gesundheitszeugnissen im Verhältnis zu dem einer Urkundenfälschung privilegieren soll. Eine solche Privilegierung kann der Bundesgerichtshof aus keiner der gängigen Rechtsauslegungsregelungen ableiten. Schon gar nicht habe die mittlerweile geänderte Norm eine Sperrwirkung gegenüber dem Straftatbestand Urkundenfälschung entfaltet, wenn sie – wie im vorliegenden Fall – gar nicht vollständig erfüllt war.

Nun muss eine andere Strafkammer des Hamburger Gerichts noch einmal verhandeln und entscheiden. Denn der Bundesgerichtshof hat den Fall zurückverwiesen – die Segelanweisungen sind klar.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 10. November 2022, Az.: 5 StR 283/22


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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