Parenterale Zubereitungen (Gastbeitrag)

Kleine Rechenhilfe für die Schiedsstelle

München - 28.09.2022, 12:15 Uhr

Es liegt in den Händen der Schiedsstelle: Nur höhere Arbeitspreise können die Zyto-Apotheken noch retten, meint Dr. Franz Stadler. (Foto: IMAGO / Future Image)

Es liegt in den Händen der Schiedsstelle: Nur höhere Arbeitspreise können die Zyto-Apotheken noch retten, meint Dr. Franz Stadler. (Foto: IMAGO / Future Image)


Ende August hat die Schiedsstelle die Abschläge für die Wirkstoffe Bortezomib, Cabazitaxel und die Arzneimittel mit den Wirkstoffen Bevacizumab, Rituximab und Trastuzumab festgesetzt. Der GKV bringt dies Einsparungen im dreistelligen Millionenbereich. Allerdings kann die Rechnung so nicht aufgehen, meint DAZ-Gastautor Dr. Franz Stadler. Er bietet der Schiedsstelle, die demnächst auch noch über die Zyto-Arbeitspreise entscheidet, daher eine Rechenhilfe an.

Am 29. August 2022 hat die Schiedsstelle im Schiedsverfahren zwischen dem GKV Spitzenverband und dem Deutschen Apothekerverband (DAV) über die Abschläge für die Wirkstoffe Bortezomib, Cabazitaxel und die Arzneimittel mit den Wirkstoffen Bevacizumab, Rituximab und Trastuzumab entschieden. Zu den möglichen Folgen dieser Entscheidung wurde bereits mehrfach Stellung genommen. Je genauer man sich jedoch mit den Zahlen dahinter befasst, desto offensichtlicher wird die Absurdität dieser Entscheidung. Deshalb hier eine kleine Rechenhilfe.

Wir wollen die Sache so einfach wie möglich halten und im Folgenden nur Daten des GKV-Spitzenverbandes für das Jahr 2021 verwenden. Deshalb, aber auch weil deren Umsatzanteil relativ gering ist, lassen wir Cabazitaxel, antibiotikahaltige Infusionslösungen, Ernährungslösungen, Lösungen mit Schmerzmitteln, virustatikahaltige Infusionslösungen und sonstige parenterale Lösungen bei den folgenden Berechnungen unter den sprichwörtlichen Tisch fallen.

Die GKV-Einsparungen belaufen sich auf mehr als 366 Millionen Euro...

Aus Tabelle 12 der GKV-Daten lässt sich relativ einfach das Einsparvolumen der Entscheidung vom 29. August 2022 abschätzen. Dazu verwenden wir den dort angegebenen Umsatz der betroffenen Wirkstoffe. Dann berechnen wir aus dem jeweiligen Umsatzvolumen und der dazugehörigen Differenz der Rabattprozente vor und nach dem Schiedsspruch das jeweilige Einsparvolumen. Beispielsweise ergeben die 46,5 Prozent Rabatterhöhung bei Bevacizumab und dessen Umsatz 2021 (321,8 Millionen Euro) ein Einsparvolumen von 149,64 Millionen Euro, allein für diesen Wirkstoff (!). Wiederholt man diese Prozedur mit den Zahlen für Trastuzumab, Rituximab und Bortezomib kommt man in Summe auf 366,4 Millionen Euro Einsparvolumen.

...bei nur rund 200 Apotheken

Diese ungeheure Summe wird bei den zubereitenden Apotheken (ca. 200!) einbehalten – egal, ob sie diese Rabattmenge beim Einkauf erzielen können oder nicht und egal, ob sie ohne den bisherigen Deckungsbeitrag dieser Wirkstoffe noch kostendeckend und gewinnbringend (muss!) arbeiten können oder nicht. Dabei müsste selbst den Kassenvertretern bewusst sein, dass es daneben keine weiteren umsatzstarken Wirkstoffe gibt, die einen nennenswerten Deckungsbeitrag zum Unterhalt eines Reinraumlabors liefern können. 

Zum Vergleich der Größenordnungen verweise ich auf die im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz geplante Erhöhung des Kassenrabattes von 1,77 Euro auf 2,00 Euro, die in Summe über ca. 18.000 Apotheken verteilt „nur“ 120 Millionen Euro pro Jahr einsparen würde. Zudem wäre diese Maßnahme auf zwei Jahre beschränkt, während für die zytostatikaherstellenden Apotheken nur eine mögliche Abhilfe in Sicht ist: die Erhöhung des Arbeitspreises.

Arbeitspreis muss drastisch erhöht werden - jetzt!

Zurzeit beträgt der durchschnittliche Arbeitspreis (errechnet aus den GKV-Zahlen für Zytostatikahaltige-Zubereitungen, Lösungen mit Folinaten und Lösungen mit Monoklonalen Antikörpern, Tabelle 11) 74,75 Euro bei 3.557.000 Zubereitungen in 2021. Würde nun dieser durchschnittliche Arbeitspreis auf die von VZA und ARGE PareZu wiederholt und gut begründet geforderten 150,00 Euro je Zubereitung erhöht werden, entspräche dies einer Reduzierung des völlig überdimensionierten, oben berechneten Einsparvolumens um 267,68 Millionen Euro. Es verblieben also noch immer circa 100 Millionen Euro an zusätzlichen Rabatten für die Krankenkassen.

Der „Gewinner“ kann alles verlieren oder…

Die Schiedsstelle hat in wenigen Wochen die Entscheidung: Entweder wird ein Großteil der herstellenden Apotheken ihre Arbeit wegen Unwirtschaftlichkeit einstellen (mit den bekannten Folgen für die Patient:innen) und es wird nur die GKV als vermeintlichen Gewinner geben oder der Arbeitspreis wird endlich auf ein auskömmliches Niveau angehoben und es ist zumindest so etwas wie eine Win-Win-Situation, wenigstens ein bisschen Leben und leben lassen.

P.S. Vielleicht könnte mittelfristig dieses unsinnige Inkasso durch die zubereitenden Apotheken für die Krankenkassen abgeschafft werden? Vorschläge hierzu liegen seit langem auf dem Tisch. Ebenso wird immer deutlicher, wohin dieses Prinzip linke Tasche, rechte Tasche bei Hochpreisern, aber auch im Allgemeinen führt.


Dr. Franz Stadler
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Gastkommentar zum Parenteralia-Schiedsspruch

Schritte in die richtige Richtung

Parenterale Zubereitungen: Schiedsstelle entscheidet im Oktober

VZA fordert höheren Herstellungspreis

Neue Preise für parenterale Zubereitungen

Zyto-Apotheker kritisieren Hilfstaxen-Einigung

Apotheker tragen Entscheidung der Schiedsstelle zur Hilfstaxe nicht mit – Klage möglich

DAV prüft Schiedsspruch zu Zyto-Preisen

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.