Befragung von gesund.de

Im Jahr 2023 noch 70 Prozent aller E-Rezepte auf Papier erwartet

Stuttgart - 20.09.2022, 12:15 Uhr

Das E-Rezept kommt! In welchem Ausmaß, wollte gesund.de wissen. (s / Foto: Schelbert)

Das E-Rezept kommt! In welchem Ausmaß, wollte gesund.de wissen. (s / Foto: Schelbert)


Das von Phoenix und Noventi ins Leben gerufene Portal gesund.de hat zum Start des E-Rezept-Rollouts in Westfalen-Lippe und Schleswig-Holstein verschiedene Akteure zu ihrer Einschätzung befragt, welchen Anteil E-Rezepte im kommenden Jahr am Gesamtrezeptvolumen haben werden, sowie auf welchen Wegen sie vornehmlich eingelöst werden.

Die Zahl der E-Rezepte steigt langsam, aber stetig. Das ist dem TI-Dashboard der Gematik zu entnehmen. Stand heute (20. September 2022) wurden 270.179 E-Rezepte eingelöst. Durch den Start des Rollouts in Westfalen-Lippe und Schleswig-Holstein ist die Kurve aber nicht drastisch steiler geworden – ganz im Gegensatz zur Kurve, die die Downloads der Gematik-App zeigt: Hier ist wirklich ein kleiner Sprung zu sehen. Während die Vor-Ort-Apotheken das E-Rezept nach wie vor mit gemischten Gefühlen betrachten, warten vor allem die Versender darauf, dass die Zahl steigt.

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Auch Plattformanbieter gesund.de erklärt einer Mitteilung zufolge das E-Rezept nach wie vor zu einem wichtigen Zukunftsthema – übrigens auch für die Apotheke vor Ort. Um den Zugang zum E-Rezept für möglichst viele Nutzer:innen so einfach wie möglich zu gestalten, gelte es, entsprechende Markttendenzen und Präferenzen bei Patient:innen und bei lokalen Leistungserbringern aufmerksam zu verfolgen, so die von Phoenix und Noventi ins Leben gerufene Initiative. Deswegen hat gesund.de zum Start des E-Rezept-Rollouts in Westfalen-Lippe und Schleswig-Holstein verschiedene Akteure zu ihrer Einschätzung befragt, wie hoch im Jahr 2023 der Anteil der E-Rezepte am Gesamtrezeptvolumen sein wird. Außerdem wollte man wissen, auf welchen Wegen die E-Rezepte nach Meinung der Experten hauptsächlich eingelöst werden. Befragungszeitraum war der 2. bis 7. September 2022.

Externe Fachexperten und Apotheker

Befragt wurden „externe Fachexperten aus den Bereichen Leistungserbringer, Kostenträger, Hochschule sowie WaWi- und PVS-Hersteller“ (Anzahl n = 8) sowie eine „Gruppe engagierter und innovativer Apotheker:innen“, die bei gesund.de als Berater fungieren und bei der marktgerechten Ausgestaltung des Angebots helfen sollen. Darüber hinaus wurde in Arztpraxen in Westfalen-Lippe eine telefonische Befragung durchgeführt (n = 46).

Demnach gehen die Befragten davon aus, dass 2023 noch 87 Prozent aller Rezepte als Muster 16 ausgestellt werden, die übrigen 13 Prozent als E-Rezepte. In absoluten Zahlen wären das 79 Millionen E-Rezepte. Die Apotheker:innen, die befragt wurden, schätzen die E-Rezept-Quote niedriger, nämlich bei 10 Prozent.

E-Rezept-Anteile – mit Vorsicht zu genießen

Rechnet man die 79 Millionen (13 Prozent) hoch, kommt man auf ein Gesamtvolumen von 607 Millionen Verordnungen. Das erscheint viel, die ABDA nannte 2020 eine Zahl von 445 Millionen, im Jahr 2021 waren es wohl 440 Millionen Rezepte. Diese Diskrepanz kommt daher, dass bei E-Rezepten jede Verordnungszeile einem E-Rezept entspricht. Somit ist die Zahl der Verordnungen bei E-Rezepten bei gleichbleibender Packungszahl höher als bei Papierrezepten.

Einen prozentualen E-Rezeptanteil am Gesamtvolumen der Verordnungen auszuweisen, ist daher nur bedingt hilfreich. Sinnvoller wäre die Zahl der elektronisch verordneten Packungen und ihren Anteil an der Packungszahl anzugeben oder wie viele Papierrezepte künftig durch elektronische Verordnungen ersetzt werden.

Gesund.de gibt auch den methodischen Hinweis, dass die Ergebnisse als eine Momentaufnahme zur Beschreibung der aktuellen Situation aus verschiedenen Blickwinkeln gewertet werden können, es bestehe kein Anspruch auf statistische Repräsentativität.

Bei den Übertragungswegen erwarten die Befragten, dass vor allem Papierausdrucke in den Apotheken landen werden (70 Prozent). Die Übertragung per eGK, die von anderen als sehr bedeutsamer Übertragungsweg gesehen wird, wird nach Einschätzung der Befragten einen Anteil von 14 Prozent haben. Die E-Rezept-App der Gematik werde mit 11 Prozent eine eher untergeordnete Rolle spielen, so die Prognose. Für andere Einlösewege, etwa „Nischenanwendungen wie der KIM-Messenger-Dienst“, sehen die Befragten einen Anteil von 5 Prozent.

Fast drei Viertel der Arztpraxen bis Jahresende dabei

9 Prozent der Anfang des Monats befragten Praxen in Westfalen-Lippe (ausschließlich Allgemeinmediziner) haben das E-Rezept im Einsatz. 72 Prozent planen, es bis zum Jahresende einzuführen. Bemerkenswert findet gesund.de, dass rund die Hälfte der Praxen aktuell aber noch nicht weiß, über welchen Weg sie ihren Patient:innen das E-Rezept zur Verfügung stellen wollen. Bei den Praxen, die sich bereits festgelegt haben, erklären 70 Prozent den Papierausdruck zur Einlösung des E-Rezepts nutzen zu wollen. Die eGK oder auch die Gematik-App spielen auch bei den befragten Arztpraxen eine untergeordnete Rolle. Sie sind zudem der Auffassung, dass rund 80 Prozent der Patient:innen weiterhin den Papierausdruck bevorzugen werden.

„Die Ergebnisse bestätigen uns in unserem Weg, eine einfache Lösung für die Patient:innen anzubieten, mit der sie ausgedruckte E-Rezepte einfach und sicher über die App von gesund.de an die Apotheke ihrer Wahl übermitteln können. Gleichzeitig bekräftigen wir das Ziel, dass gesund.de den Weg zu einer vollständig digitalen Übermittlung der E-Rezepte gerne gemeinsam mit anderen Marktteilnehmern gestaltet und dabei konsequent die Vorteile für die Patient:innen in den Mittelpunkt stellt“, sagt Peter Schreiner, Vorsitzender der 
Geschäftsführung von gesund.de.

Allerdings wird es den direkten Weg aus dem E-Rezept-Fachdienst in die Apps von gesund.de und anderer Plattformanbieter wohl nicht geben. Im vergangene Woche vom Bundeskabinett beschlossenen Entwurf für das Krankenhauspflege-Entlastungsgesetz ist eine direkte Schnittstelle für Drittanbieter zum E-Rezept-Fachdienst nicht vorgesehen. Zudem soll geregelt werden, dass keine E-Rezept-Token über Schnittstellen übertragen werden dürfen. Somit bleibt nach aktuellem Stand für die Drittanbieter, zu denen auch gesund.de gehört, auf die Übertragung des Abbilds des Tokens zu setzen. Die ABDA möchte auch dies gerne unterbinden. Was letztlich gehen wird und was nicht, werden wir wohl erst wissen, wenn das Gesetz in trockenen Tüchern ist.


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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