Bundesverfassungsgericht

Masern-Impfpflicht ist verfassungsgemäß

Berlin - 18.08.2022, 17:00 Uhr

Auch wenn es nur Kombi-Impfstoffe gibt: Die Regelungen zum Masernschutz für Kita-Kinder sind rechtens. (Foto: IMAGO / Schöning)

Auch wenn es nur Kombi-Impfstoffe gibt: Die Regelungen zum Masernschutz für Kita-Kinder sind rechtens. (Foto: IMAGO / Schöning)


Eltern, die ihre kleinen Kinder nicht gegen Masern impfen lassen wollen, müssen hinnehmen, dass diese dann vom Kita-Besuch ausgeschlossen sind. Ihnen bleibt nur die private Betreuung. Das Bundesverfassungsgericht hält die gesetzliche Pflicht, vor dem Kita-Eintritt eine Impfung oder die Immunität gegen Masern nachzuweisen, für verfassungsgemäß.

Das Bundesverfassungsgericht hat heute vier Verfassungsbeschwerden von Eltern und ihrer minderjährigen Kinder abgewiesen. Diese richteten sich gegen die im März 2020 von der Großen Koalition eingeführte „Masernimpfpflicht“: Demnach müssen unter anderem Personen, die in einer Kindertageseinrichtung oder erlaubnispflichtigen Kindertagespflege betreut werden sollen, einen ausreichenden Impfschutz oder eine Immunität gegen Masern aufweisen. 

Die Eltern müssen den entsprechenden Nachweis erbringen. Gegebenenfalls auch den, dass die Impfung aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht möglich ist. Sonst ist eine Betreuung nicht möglich. Grundsätzlich gelten die Pflichten auch für Schulbesuche – aber hier können Kinder nicht ausgeschlossen werden. Es können jedoch Bußgelder verhängt werden. Die Pflicht, einen Impfschutz aufzuweisen, gilt auch dann, wenn ausschließlich Kombinationsimpfstoffe zur Verfügung stehen, die auch Impfstoffkomponenten gegen andere Krankheiten enthalten.

Eltern beklagen unverhältnismäßigen Eingriff

Die Eltern und Kinder, über deren Verfassungsbeschwerden nun entschieden wurde, berufen sich darauf, dass mit dem Gesetz unverhältnismäßig in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) der Kinder eingegriffen werde. Dies gelte insbesondere wegen der Pflicht, sich nicht nur gegen Masern impfen zu lassen, sondern aufgrund der Nichtverfügbarkeit von Monoimpfstoffen auch gegen andere Krankheiten. Ebenso unverhältnismäßig werde in das Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) eingegriffen.

Schon im Mai 2020 hatte das Bundesverfassungsgericht Eilanträge von zwei Familien gegen Regelungen des Masernschutzgesetzes zurückgewiesen. Nun ging es um „normale“ Verfassungsbeschwerden – sie wurden ebenfalls zurückgewiesen.

Dabei räumen die Richter:innen durchaus ein, dass die beanstandeten Regelungen des Infektionsschutzgesetzes in die genannten Grundrechte eingreifen. Allerdings seien diese Eingriffe verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Das aber auch nur unter einer Bedingung: Die gesetzliche Vorgabe, dass die Pflicht, einen Impfschutz gegen Masern zu erlangen, auch dann besteht, wenn ausschließlich Kombinationsimpfstoffe zur Verfügung stehen, die auch Impfstoffkomponenten gegen andere Krankheiten enthalten (§ 20 Abs. 8 S. 3 IfSG), muss verfassungskonform ausgelegt werden. Das heißt: Es muss sich um Impfstoffe handeln, die keine weiteren Komponenten enthalten als die gegen Masern, Mumps, Röteln oder Windpocken. Denn allein auf Mehrfachimpfstoffe gegen diese Krankheiten hatten sich die vom Gesetzgeber getroffenen grundrechtlichen Wertungen bezogen. Würden auch Komponenten gemeint, die es bei Verabschiedung des Gesetzes nicht gab, wäre dies nicht mehr mit der Verfassung vereinbar.

Vor diesem Hintergrund seien die angegriffenen Regelungen auch verhältnismäßig. So verfolgten sie zunächst einen verfassungsrechtlich legitimen Zweck, nämlich den Schutz vulnerabler Personen vor einer für sie gefährlichen Masernerkrankung. Überdies sei die Nachweispflicht gegenüber Gemeinschafts- und Gesundheitseinrichtungen ebenso wie das bei ausbleibendem Nachweis geltende Betreuungsverbot geeignet, die mit dem Masernschutzgesetz verfolgten Zwecke zu erreichen. Sie könnten sowohl dazu beitragen, die Impfquote zu erhöhen – und zwar in der Gesamtbevölkerung sowie in den Einrichtungen selbst. 

Die Pflichten seien des Weiteren erforderlich. Selbst wenn der Gesetzgeber Einschätzungsspielraum hat: Es sei nicht erkennbar, dass andere, gleich wirksame, aber die Grundrechte weniger stark einschränkende Mittel zur Verfügung stehen würden, so das Gericht.

Risiken für Ungeimpfte überwiegen Gefahren einen Impf-Nebenwirkung

Die Eingriffe – auch wenn sie nicht unerheblich sind – seien den Eltern und Kindern auch zumutbar. Denn der Gesetzgeber verfolge den Schutz eines überragend gewichtigen Rechtsguts: Es gehe um das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit einer Vielzahl von Personen, insbesondere vulnerablen, die sich nicht selbst durch eine Impfung wirksam schützen können. Das Bundesverfassungsgericht verweist hier auf eine Schutzpflicht des Gesetzgebers. Schließlich ist das Masernvirus sehr leicht übertragbar, die Ansteckungsgefahr sehr hoch und es gebe das nicht zu vernachlässigende Risiko, als Spätfolge der Masern eine für gewöhnlich tödlich verlaufende Krankheit (die subakute sklerosierende Panenzephalitis) zu erleiden. Die Gefahr für Ungeimpfte, an Masern zu erkranken, sei deutlich höher als das Risiko, einer vergleichsweise harmlosen Nebenwirkung der Impfung ausgesetzt zu sein, heißt es in einer Pressemitteilung des Gerichts.

Auch habe der Gesetzgeber die Reichweite der gesetzlichen Pflichten gegenständlich begrenzt. Wer der Forderung, eine Masernimpfung auf- bzw. nachzuweisen, nicht nachkommt, wird nicht von jeglicher frühkindlichen oder vorschulischen Förderung außerhalb der Familie ausgeschlossen. „Die anderweitige Betreuung von Kindern in den betroffenen Alterskohorten bleibt auch familienübergreifend jedenfalls im selbstorganisierten privaten Bereich zulässig“, so das Gericht.

Auch die Kombi-Impfstoffe sind aus Sicht der Richter:innen Eltern und Kindern zumutbar. Denn die aktuell in den Mehrfachimpfstoffen enthaltenen weiteren Wirkstoffe betreffen ebenfalls von der Ständigen Impfkommission empfohlene, also eine positive Risiko-Nutzen-Analyse aufweisende Impfungen. „Sie sind deshalb ihrerseits grundsätzlich kindeswohldienlich, wenngleich insoweit weder ein mit Masern vergleichbar hohes Infektionsrisiko besteht noch entsprechende schwere Krankheitsverläufe eintreten können“, heißt es.

Minister Lauterbach: Gute Nachricht für Eltern und Kinder

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) begrüßt die Entscheidung: „Der Beschluss des Verfassungsgerichts ist eine gute Nachricht für Eltern und Kinder. Eine Masernerkrankung ist lebensgefährlich – für die Erkrankten und ihr Umfeld. Es ist deshalb Aufgabe des Staates, Infektionen in Gemeinschaftseinrichtungen wie Kita oder Schule zu vermeiden. Wer dort betreut oder unterrichtet wird und wer dort arbeitet, muss nachweislich vor einer Maserninfektion geschützt sein. Und für alle anderen ist die Masernimpfung ein Gebot der Vernunft.“

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 21. Juli 2022, Az.: 1 BvR 469/20, 1 BvR 472/20, 1 BvR 471/20, 1 BvR 470/20


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

Impfung

von Blank am 25.08.2022 um 20:24 Uhr

Ein Vorschlag, der (warum auch immer) noch niemandem gekommen scheint.
Führende Politiker und deren Experten sollten sich öffentlich die von ihnen propagierten Impfstoffe injizieren lassen.
Die Ärzte, die diese Aktionen durchführen, sollten aus dem Kreise impfender Hausärzte nach Zufallsprinzip kurzfristig gewählt werden. Der Impfstoff muss selbstverständlich zuvor auf Originalität geprüft sein ‼️ Also diese, sich bei dem Covid-Vakzin bis zu achtmaligen Großevents, sollten auch die hartnäckigsten Impfskeptiker überzeugen ‼️

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